"Die Faust nicht nur in der Tasche ballen"

Rezension „Das Buch handelt von einem wahrem Vertreter der Arbeiterklasse, einem Gewerkschafter, Antifaschisten, Friedenskämpfer und Kommunisten.“ Ein Buch über Willi Hoffmeister mit dessen Erinnerungen an seinen Lebensweg

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Persönlichkeiten wie Willi Hoffmeister werden wohl kaum nachkommen. Das hat viele Gründe. Einer davon: was man Arbeiterklasse nennen könnte, gibt es so nicht mehr. Und damit fehlt es auch an Masse, welche Vertreter der arbeitenden Menschen im Rücken haben müssen, wenn sie einen Kampf für die Rechte der arbeitenden Menschen führen wollen, der erfolgreich ist. Die Gesellschaft, die Menschen sind bis kleinste Einheiten gespalten.
Das ist nicht einfach so geschehen. Es ist nicht auf ein Naturgesetz zurückzuführen. Das wurde von regierenden Politikern und den hinter ihnen stehenden mächtigen Einflussgruppen in Konzernen und noch mächtigeren Akteuren des Finanzkapitals, welche die Politik vor sich hertrieben, bewusst ins Werk gesetzt. Der berühmte Frosch im Wasserkessel auf der Herdplatte wurde Jahr um Jahr mehr erhitzt. Heute haben wir es mit einer total gespaltenen Gesellschaft zu tun. Erst Corona. Jetzt der Ukraine-Krieg. Die Doomsday Clock, die Weltuntergangsuhr, ist inzwischen auf 90 Sekunden vor Zwölf gestellt worden! Sind wir schon im dritten Weltkrieg, wie sich kürzlich Linke-Politikerin Sevim Dagdelen in junge Welt fragte? Auf jedem Fall befinden wir uns durch unfähige Politiker und unvernünftige, ihnen in deren gefährlichen Dummheit nicht nachstehende unbedarfte und naive nur noch moralisierenden Journalisten auf eine gefährlich abschüssige Rutschbahn gebracht, auf den Weg in einen möglichen dritten Weltkrieg.


Das die Entwicklung in eine falsche Richtung lief, hatte Willi Hoffmeister längst registriert


Der Dortmunder Friedensaktivist, Gewerkschafter, Antifaschist und Kommunist Willi Hoffmeister musste diese gefährlich Eskalation nicht mehr erleben. Er verstarb im August 2021 im Alter von 88 Jahren in Dortmund. Der politisch stets hellwache Willi Hoffmeister hatte allerdings längst registriert, dass die Entwicklung in eine falsche Richtung lief. Er zeigte sich in den letzten Jahren angesichts der verschlechterten Beziehungen zum heutigen Russland äußerst besorgt. Er meinte, es wäre aktuell wieder eine Diskussion über die Rolle Russlands in der Welt angebracht und ein fruchtbarer Dialog mit Moskau unbedingt vonnöten. Die deutsch-russische Freundschaft müsse unbedingt wieder befördert werden. Und nun das: der Ukraine-Krieg!


Willi Hoffmeister nahm das Bundesverdienstkreuz stellvertretend für seine Mitstreiter entgegen


Sozusagen auf den letzten Drücker, weil bereits auf dem Totenbett liegend, war der überzeugte Gegner von Militarisierung und Krieg noch mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt worden. Der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes erfolgte auf Vorschlag des DGB. Willi Hoffmeister äußerte Bedenken. So schrieb er seinerzeit an die DGB-Vorsitzende in Dortmund und Umgebung, Jutta Reiter:

War mein Wollen doch ein anderes Deutschland, ein vereintes, neutrales Land, ohne Militär, Rüstung und ohne alte und neue Nazis. Ein Land, in dem der Mensch und nicht das Kapital im Mittelpunkt steht.“
Er hat schließlich eingewilligt, die Ehrung entgegenzunehmen. Jedoch wollte er alle seine Mitstreiter in seinem langem Engagement stellvertretend auch mit gemeint und geehrt sehen. Spät war damit Hoffmeister »selbst von „offizieller Seite“», wie Markus Bernhard in seinem Nachruf in »unsere zeit» schrieb, für sein lebenslanges politisches Engagement gewürdigt worden.»
Nicht nur das Buch über ihn wird dafür sorgen, dass Willi Hoffmeister nicht vergessen wird
Willi Hoffmeister wird nicht vergessen werden. Dazu dürften nicht nur die Menschen sorgen, welche dem bescheidenen, aber stets ehrlich und entschlossen handelnden Menschen Willi Hoffmeister erlebt und auf seinem Weg auf die eine oder andere Weise begleitet haben. Sondern auch „Ein Willi Hoffmeister Buch“ mit dem Titel „Die Faust nicht nur in der Tasche ballen“, das 2022 vom Neue Impulse Verlag GmbH (Ulrich Sander / Felix Oekentorp (Hg.) herausgebracht wurde.


Willi Hoffmeisters Motto: Zusammenführen statt spalten


Ich lege dieses Buch meinen Leserinnen und Lesern – besonders der Jugend – ausdrücklich ans Herz. Empfehlen Sie das Buch gerne auch weiter an Freunde, Bekannte und Verwandte. Denn es zeichnet nicht nur den interessanten Lebensweg des Menschen Willi Hoffmeister nach, sondern kann nicht zuletzt auch als ein Geschichtsbuch gelten und gelesen werden. Wer Hoffmeister je getroffen hat – und ich tat das öfters – war immer wieder tief beeindruckt und von Respekt für den freundlich, herzlich und vorbildlich auftretenden Mann erfüllt. Sein Motto kann kurz und bündig so auf einen Nenner gebracht werden: Zusammenführen statt spalten.
Neben dem Buch möchte ich den verehrten Leserinnen und Lesern zusätzlich bzw. ergänzend meinen älteren Blogbeitrag „Urgestein der Dortmunder Friedensbewegung Willi Hoffmeister bei #Friedensfragen in der Auslandsgesellschaft NRW in Dortmund“ empfehlen. Das damalige Gespräch von Willi Hoffmeister mit Moderator Mark Brill wurde von WELTNETZ TV aufgezeichnet und kann hier abgerufen werden.

Willi Hoffmeister und seine Zeit“


In seinen einleitenden Worten zum Buch setzt Ulrich Sander „Willi Hoffmeister und seine Zeit“ ins Bild. Als Hintergrundbetrachtung zu Hoffmeister Leben unerlässlich. Zunächst les wir noch etwas zur Biografie: „Willi Hoffmeister, geboren 1933, stammt aus einem Dorf im Landkreis Lübbecke, weit östlich des Ruhrgebietes. 1947 bis 1950 absolvierte er eine Schreinerlehre, danach zwei Jahre Geselle. Seine hauptamtliche Tätigkeit war dann viele Jahre die des Stahlarbeiters in Dortmund.“
Dann folgt ein Rückblick betreffs historischer Vorgänge.


Willi Hoffmeisters Vorprägung


Willi Hoffmeisters Engagement für den Frieden erfuhr gewissermaßen eine Vorprägung. Bei Willis Geburt soll dessen Großvater, der kein Freund Hitlers war, gesagt haben: „Wieder ein Soldat für Hitler.“ Später musste Hoffmeister den Zweiten Weltkrieg erleben. Zuvor als Schüler hatte er es mit einem Lehrer zu tun, der ein über hundertprozentiger Nazi war und einem Lehrmeister , der bekannte, „sozial“ und national“ zu sein. Hoffmeisters Eltern waren links. Die Mutter spürte damals bereits: „Hitler bedeutet Krieg.“ Und wäre sie damals im Ort nicht als besonders hilfsbereit bekannt gewesen, hätte die Nazis sie wohl ebenfalls „wegholen“ lassen. Wie einer von deren Brüdern, der 1934 verhaftet wurde und bis 1945 im KZ eingekerkert war. Die Kinder erfuhren davon erst nach dem Krieg. Gleich nach dem Krieg traten die Eltern in die KPD ein. So erfuhr Hoffmeisters Lebensweg bereits früh eine Vorprägung. Im Jahre 1950 anlässlich des Deutschlandtreffens der Jugend in Berlin wurde Hoffmeister nicht zuletzt durch seinen Onkel Franz klargemacht: So etwas wie Krieg und Faschismus dürfe es nie wieder geben. Onkel Franz schärfte Willi ein: „Junge, tu alles, damit es nie wieder zu Faschismus und Krieg“ kommt.“ (S.10, Fettung im Buch). Dies war letztlich die Initialzündung, die ausgelöst hatte, dass Willi Hoffmeister sich bis zu seinem Tod immer wieder die Frage stellte: Was kann ich dafür tun?


Eine Nachbemerkung


Auf Seite 17 des Buches hat Ulrich Sander es für notwendig erachtet seiner Einleitung eine „Nachbemerkung“ hinzuzufügen.
Er spricht darin an, dass Russland ein halbes Jahr nach Willi Hoffmeisters Tod […][„seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine“ eröffnete. Das haben wir von der Friedensbewegung nicht für möglich gehalten, und wir verurteilen es. Und sicher hätte Willi es auch getan. Er hätte zudem – so wie wir heute auch – die Vorgeschichte, die aggressive Kriegsvorbereitung der NATO gegen Russland gebrandmarkt (Siehe Seite 199). […]


Ab Seite 17 werden „Willis Erinnerungen“ wiedergegeben


Als Leser erfahren Interessantes über den Sohn einer wenig begüterten Familie von Nazigegnern, über seine Zeit als Schüler, Schreinerlehrling, Mitglied der Freien Deutschen Jugend (FDJ) – wurde in der BRD verboten -, sowie als Bauer in der DDR (die dortige Organe allerdings schickten ihn wieder zurück nach Westdeutschland, weil er dort als Kommunist mehr bewirken könne), seine Zeit als Hafenarbeiter, wo er Schwerstarbeit hatte verrichten müssen, seinen Wechsel ins Stahlwerk, sein Wirken als Jungkommunist, Arbeiter bei Hoesch (25 Jahre lang), als Kleingärtner, Gewerkschafter (für Hoffmeister bedeutete Gewerkschaftsarbeit immer auch Friedensarbeit), als DKP-Gründungsmitglied 1968 (die KPD war 1956 in der BRD verboten worden), als Reisenden in der Sowjetunion und später Russlands, als Aktivist gegen Neonazismus, Bezirksvertreter und Aktivist der Hoesch-Friedensinitiative.


Ostermarschierer der ersten Stunde

Als Ostermarschierer (der erste Ostermarsch fand 1960 im Norden der BRD statt) trat Willi Hoffmeister erstmalig beim Ruhr-Ostermarsch am Ostersamstag 1961 in Erscheinung. Es war ein Tag des Protestes gegen das atomare Wettrüsten und gegen die Wiederholung faschistischer Verbrechen (S.12). Später war das „Urgestein der Friedensbewegung“, wie Hoffmeister später immer öfter genannt wurde, dann als Mitorganisator des Ostermarschs Rhein-Ruhr, wo er in erster Reihe mitlief. Unter anderem ihm ist es zu verdanken, dass der Ostermarsch nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht einschlief.


Tief beeindruckt vom Besuch Michail Gorbatschows bei HOESCH


Besonders tief hat sich der Besuch es damaligen KPDSU-Generalsekretärs Michail Gorbatschow bei HOESCH in Dortmund bei Willi Hoffmeister eingeprägt. (Lesen Sie, so Sie mögen meinen Beitrag „Vor 30 Jahren kam Michail Gorbatschow auf Einladung deutscher Betriebsräte nach Dortmund und sprach vor 9000 begeisterten Hoeschianern“)
Gorbatschow sprach damals am 15. Juni 1989 vor 9000 begeisterten Hoeschianern! Auch an die Teilnahme an den Fahrten der Arbeiterzüge in die Sowjetunion erinnert Willi Hoffmeister.


Hoffmeister ein «Revolutionär« und „im besten Sinne ein Wert-Konservativer“


Seiner Geburtstagsrede (S.159) zum 75. Geburtstag von Willi Hoffmeister setzte Reiner Braun, damals Geschäftsführer der IALANA, ein Zitat von Bertold Brecht voran:


»Die Schwachen kämpfen nicht.
Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang.
Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre.
Diese sind unentbehrlich.»


Reiner Braun machte weiter deutlich (S.160): „Dass die Abschaffung der Atomwaffen zumindest in Ostermarsch-Ruhr-Aufrufen eine zentrale Rolle spielt, ist sicher auch maßgeblich Willis Verdienst. Nicht alle Friedensfreunde und Friedensfreunde hat er bei dieser Prioritätensetzung immer und sofort auf seiner Seite.“ und Braun befindet: „In diesem Punkt war aber der »Revolutionär» Willi Hoffmeister im besten Sinne ein Wert-Konservativer.“


Hoffmeister erlebte immer Höhen und Tiefen in seiner Friedensarbeit


Willi Hoffmeister bekannte, immer Höhen und Tiefen in seiner Friedensarbeit erlebt zu haben. Man kann sich das gut vorstellen. Schließlich war der Friedenskämpfer bei den Kommunisten. Und deshalb sei er „in Gewerkschaftskreisen nie gerade gefördert“ worden. Auch nicht in der IG Metall. „Nach kräftigem Wirken meiner lieben Freunde von der SPD“ ist er mal das der betrieblichen Vertretung geflogen. Dennoch war Gewerkschaftsarbeit in Verbindung mit dem Engagement für den Frieden immer ein Bestandteil seines persönlichen Wirkens. Darin war und ist Hoffmeister immer anerkannt worden. So bekam er auch den Spitznamen „Friedenswilli“. Darauf ist er stolz. Zu recht.


Hoffnungen in Fridays For Future, die sich nicht erfüllten


Ich erinnere mich noch gut daran, dass Willi Hoffmeister äußert angetan war von der Bewegung Fridays For Future (FFF). Endlich engagierten sich wieder junge Leute für eine gute Sache! Ein erfreuliches Aufbäumen der Jugend sei diese Bewegung, wie er es sich manchmal gewünscht hätte selbiges in der Friedensfrage zu erleben. Der Friedensaktivist regte an einmal darüber nachzudenken, was alleine nach dem 2. Weltkrieg an Hinterlassenschaften an Weltkriegs – Munition und chemischen Waffen allein in Ost- und Nordsee versenkt worden ist. Welche Gefahren da schlummerten! Er wünschte sich sehr, dass FFF auch den Kampf gegen das Militär und das Agieren der USA (schließlich gilt allein das US-Militär als der größte Umweltverschmutzer auf der Welt) in ihren Protest einbezieht. Willi Hoffmeister seinerzeit: „Aufrüstung und Krieg sind eine der größten Umweltverschmutzer auf der Erde. Wer das nicht kapiert und mitaufnimmt, der vergibt sich etwas im Erfolg dieser Sache. Wir sollten alles dafür tun: Und wenn sich jeder ein Schild malt mit der Aufschrift „Abrüsten ist der größte Umweltschutz.
Ein Wunsch des 2021 verstorbenen Friedensaktivisten, der leider bislang nicht in Erfüllung ging.
Ich wünsche dem Buch „Die Faust nicht nur in der Tasche ballen“ viele Leserinnen und Leser. Ja, es sollte auch im Schulunterricht behandelt werden. Auf der Buchrückseite lesen wir: „Ein ungewöhnliches Buch ist dies »Die Faust nicht nur in der Tasche ballen».

Das Buch handelt von einem wahrem Vertreter der Arbeiterklasse, einem Gewerkschafter, Antifaschisten, Friedenskämpfer und Kommunisten.“
Ob Persönlichkeiten wie Willi Hoffmeister wohl künftig noch nachkommen steht in den Sternen. Schließlich gibt es so etwas wie eine Arbeiterklasse kaum noch. Aber es gibt jede Menge Probleme, der sich Menschen annehmen müssen. Gerade jetzt werden sie gebraucht. Denn wir stehen am Abgrund …

Die Faust nicht nur in der Tasche ballen“ – Ein Willi Hoffmeister Buch
Von Ulrich Sander und Felix Oekentorp
ISBN 9783000724954,
Neue Impulse-Verlag Essen,
200 Seiten, 16,80 €)
Es ist erhältlich im Buchhandel oder auch beim Alois Stoff Bildungswerk der DFG-VK NRW
Bestellungen an DFG-VK_Bildungswerk_NRW@t-online.de

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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