Wackere Demokraten vs. "Spezialdemokraten"

Fiskalpakt SPD und Grüne fielen um. Sie verständigten sich mit der Regierung über den Fiskalpakt. Zum Schaden Europas?

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Die zwischen Bundesregierung und den Oppositionsparteien SPD und Bündnis 90/Grüne erzielte Einigung auf den Fiskalpakt wurde uns neulich von den Beteiligten als toller Kompromiss und tragfähige Lösung bezüglich der Krise Europas verkauft. CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder gab fein Acht sich den gewiss ohne großen Kraftaufwand errungenen Sieg über SPD und Grüne nicht sonderlich anmerken zu lassen. Die anderthalbe SPD-Troika – SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel und SPD-Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier – gab sich jedoch keine Mühe die stolz geschwollene Brust ob der vermeintlich der schwarz-gelben Bundesregierung abgerungenen Zugeständnisse vor TV-Medien und des via derselben zuschauenden Fernsehvolks zu verbergen. Was nahmen die Beiden eigentlich ein, das wie eine Dopingmittel wirkte, welches betreffs seiner Wirkung das Gefühl von Macht offensichtlich aufscheinen ließ? Bekanntlich hatte die Sozis schon mal reichlich davon gekostet. In der Schröder-Zeit. Und sie hatten sie missbraucht zum Schaden eigener Wählerklientel und eigenen Genossen. Vor den Scherben des seinerzeit damit Angerichteten stehen wir noch heute. Nun ja. Oder vielleicht war es nur ein in den beiden aufgestiegenes Gefühl, an etwas Großem, Staatstragendem, beteiligt gewesen zu sein. Dem Selbstbetrug erlegen, Europa und nebenbei auch Deutschland für eine bessere Zukunft stark gemacht zu haben? Und der Grüne Jürgen Trittin trat wieder als augenscheinlich sofort zum Regierenden bereit stehender und dementsprechend vorbereiteter (kürzlich nahm er als „Privatmann“ sogar am Bilderberg-Treffen teil) angetretener Politiker auf. Zu diesem Behufe tönte Trittin – wie so oft in letzter Zeit – wie ein Sprechautomat, der im Stakkato (manchmal sogar kluge) Wörter ausspuckt. Und an Cem Özdemir war es, leichte Hoffnung auf vielleicht noch etwas Nachzubesserndes zu nähren.

Polit-Schmierentheater

Was man uns Fernsehvolk vergangene Woche vor öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Kameras und Mikrofonen aufführte, das nennt Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten zu Recht ein „politisches Schmierentheater“. Lieb meint, „jedem einigermaßen Kundigen war von Anfang an klar, dass es nur viel Lärm um nichts war“. Die Wahrheit ist bitter und simpel sogleich: SPD und Grüne haben sich einmal mehr von Angela Merkel und den schwarz-gelben Europazerstörern gehörig über den Tisch ziehen lassen. Und mit stolz geschwollener Brust tritt vor allem Sigmar Gabriel auf und glaubt auch noch wirklich etwas Tolles erreicht zu haben! Dabei ist daran gar nichts toll zu nennen. Man setzt quasi mit dem Einverständnis zu Fiskalpakt und dem ESM die Demokratie aufs Spiel und nimmt somit, so es zur Zustimmung in Bundestag und Bundesrat kommt, in kauf, dass unsere Sozialsysteme (und zwar europaweit) noch weiter zerstört werden! Für was? Man erhielt nicht einmal 'nen Appel und'n Ei dafür! Und die der Bundesregierung von SPD und Grünen vermeintlich abgerungene Finanztransaktionssteuer? Da besteht für die Merkel-Regierung keine Gefahr. Erstens wird sie wohl kaum kommen, wenn nicht genügende Länder, die dafür sind, zusammenkommen. Andererseits löst diese - sicher fraglos nötige – Steuer nicht die Probleme der gegenwärtigen Krise.

Lesen Sie zu der vor allem für die SPD peinliche Entscheidung für den Fiskalpakt unbedingt den Beitrag von Wolfang Lieb auf den NachDenkSeiten mit dem Titel „Einigung auf Fiskalpakt – ein politisches Schmierentheater“. Dem ist eigentlich nichts hinzu zu fügen.

Spezialdemokraten“

Was einen an der billig-willigen Einlassung der Sozialdemokraten – die einmal mehr jammervoll unter Beweis stellten, warum sie immer wieder als „Spezialdemokraten“ verhöhnt wurden – so auf die Palme bringen muss, ist die Tatsache, dass sie endlich einmal die Möglichkeit gehabt hätten, eine für die Demokratie in Europa und letztlich auf für Deutschland gefährliche Entscheidung ihre Zustimmung zu verweigern! Man hätte Angela Merkel und ihrer Regierung einen schweren Schlag versetzen können. Und bei der nächsten Bundestagswahl damit punkten können! Doch das wollen diese Spezialdemokraten offenbar gar nicht. Man muss es jedenfalls vermuten. Schließlich kündigte Gabriel schon mal an, Angela Merkel im Bundestagswahlkampf 2013 nicht direkt angreifen zu wollen. Ja, wen eigentlich dann? Will man sich abermals als Juniorpartner in einer künftigen Großen Koalition mit der Union andienen? Oder resultiert die für uns alle bestimmt folgenschwere SPD-Zustimmung betreffs einer Einigung auf den Fiskalpakt in der alten Angst der alten Tante SPD von den Konservativen wieder einmal Vaterlandsverräter geziehen zu werden? Abermals nach den Hartz-Gesetzen wird die SPD (Frank-Walter Steinmeier wird sich gewiss noch erinnern) an einem „Werk“ beteiligt, dass unsere Gesellschaft und der Demokratie (diesmal in ganz Europa) schweren Schaden zufügen dürfte. Der SPD indes konnte der Schneid nicht mehr abgekauft haben. Das passierte bereits unter dem Genosse der Bosse, Gerhard Schröder.

Von den Grünen wollen wir gar nicht reden. Wir kennen deren Entwicklung und wundern uns mit Otto Reutter über jarnischt mehr. Selbst vor Kriegseinsätzen machten die Grünen bekanntlich kein Halt …

Wenig Hoffnung auf Fiskalpakt-Stopp. Dennoch: Klagen wackerer Demokraten sind nicht unbedingt aussichtslos

Warten wir die Abstimmung über Fiskalpakt und ESM, sowie die des Bundesrates, ab. Hoffnung, dass beides nicht durchkommt besteht kaum. Wieder einmal wird wohl eine falsche Entscheidung der Megakoalition aus CDU-CSU-FDP-SPD-Grüne durchgewinkt werden. Einzig DIE LINKE ist dagegen und somit wirkliche Opposition. Sie wird überdies vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Neben anderen Klagenden gibt es noch etwa ca. 12 000 Bürgerinnen und Bürgerinnen, die bei einer Verfassungsbeschwerde von der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vertreten werden. Wacker, immerhin! Unbedingt ussichtslos sind diese Klagen allerdings nicht. Die Hoffnung stirbt auch hier zuletzt.

Immerhin dürfte es einige „Dissidenten“ (in allen Parteien der „Megakoalition“?) bei der Abstimmung im Bundestag geben, die gegen Fiskalpakt und ESM stimmen. Auch ein Bundestagsabgeordneter meines Dortmunder Wahlkreises wird sich seine Entscheidung gewiss nicht einfach machen. Es ist Marco Bülow (MdB, SPD). In seinem Buch „Wir Abnicker“ hat er „Über Macht und Ohnmacht der Volksvertreter“ Rechenschaft abgelegt. Wird er Mut haben und den Kopf im entscheidenden Moment schütteln? Schütteln kann man nur den Kopf über seine SPD. Wann nur wird sie wieder sozialdemokratisch?

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

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