Fausthieb für den Löwen

Kino In „Beast – Jäger ohne Gnade“ muss Idris Elba die eigene Familie in der Wildnis verteidigen
Ausgabe 34/2022

Es klang zunächst nach einer guten Nachricht. Im Mai, zu Anfang des Sommers, rettete Tom Cruise gewissermaßen im Alleingang das Kino, als mit Top Gun: Maverick zum ersten Mal seit dem Ausbruch von Corona ein Film außerhalb der Superhelden-Universen nennenswertes Geld einspielte. Nun, mehr als drei Monate später, steht Top Gun: Maverick immer noch an dritter Stelle des US-amerikanischen Box Office. Und das kann eigentlich kein gutes Zeichen sein. Hat der Retro-Actionfilm in der ganzen Zeit wirklich keine Konkurrenz bekommen?

Welche Art Film die Zuschauer wieder zurück ins Kino bringen könnte, darüber macht sich die Branche mittlerweile große Sorgen, vor allem in Deutschland, wo es mit den Zahlen, traditionell schlecht im Sommer, alles andere als gut steht. Nach klassischer Arthouse-Kost scheint niemandem der Sinn zu stehen, aber vielleicht erfüllt ja ein schneller, eher unprätentiöser Action-Survival-Film wie Beast – Jäger ohne Gnade die Zerstreuungsbedürfnisse.

Etwas zu sehen gibt es hier auf jeden Fall. In erster Linie natürlich Idris Elba, für den es im Kino der letzten Jahre viel zu wenig Rollen gab, von der verpassten Chance, ihn als James Bond zu besetzen, ganz abgesehen. Elba verkörpert in Beast den frisch verwitweten amerikanischen Arzt Nate, der mit seinen zwei Töchtern Norah (Leah Sava Jeffries) und „Mer“ (Iyana Halley) nach Südafrika fährt, um ihnen die Heimat ihrer Mutter zu zeigen. In Empfang genommen werden sie von Martin (Sharlto Copley), einem alten Freund, der Nate damals mit seiner künftigen Frau zusammenbrachte. Die Töchter, beide noch im Teenageralter, erwärmen sich schnell für den „Onkel“, auch aus Trotz gegenüber ihrem Vater, dem sie übel nehmen, dass die Ehe scheiterte, noch bevor die Mutter starb.

Eingebetteter Medieninhalt

Damit wäre die Komplexität der Prämisse aber auch schon ausgeschöpft. Als die vier am nächsten Tag zu einer Safari in einem abgelegenen Teil des Naturparks aufbrechen, kommt der Film recht schnörkellos zur Sache. Eben noch haben die Mädchen mit ihrem Vater aus sicherer Entfernung bewundert, wie Martin als großer Katzenfreund zwei prächtige Löwen in freier Wildbahn umarmt, da stoßen sie in einem Dorf auf die Überreste eines Massakers, das nur ein sehr großer, sehr ärgerlicher Löwe angerichtet haben kann. Und kurz darauf bekommen sie es mit ihm persönlich zu tun. Dem zotteligen Monster, so Martins These, sind wie ihm selbst die Wilderer ein Dorn im Auge, und so rächt es sich an allen Zweibeinern, die ihm in die Quere kommen. Wie immer führt ein Unglück zum nächsten, und dass Wasser und Benzin ausgehen, bildet fast noch das kleinste Problem der kleinen Truppe.

Worauf die Handlung im Großen und Ganzen hinausläuft, ist nicht schwer zu erraten. Aber bis dahin ist der Film voller kleiner Überraschungen. Dazu trägt vor allem die Kamera bei, die in außerordentlicher Bewegungsfreiheit den Helden und Heldinnen folgt, dabei lange Shots in einer Einstellung erzeugt – manchmal auch gefakt – und so eine besondere Art der immersiven Spannung generiert. Man befindet sich immer nah dran an den Figuren, teilt ihre Umgebung, ihr eingeschränktes Sichtfeld – und wird mit ihnen gemeinsam von dem überrascht, was da plötzlich aus dem Busch springt.

Über den Löwen und die Qualität seiner Erschaffung qua CGI (Computer-Generated Imagery) wurde bereits anhand des Trailers diskutiert. Darin war auch schon zu sehen, wie Elba ihm an einer Stelle einen Fausthieb versetzt. Experten aller Art merkten daraufhin an, dass das in der Realität erstens kaum möglich und zweitens wenig erfolgversprechend sei. Genau das aber ist doch ein guter Grund, ins Kino zu gehen: etwas zu sehen, bei dem man den eigenen Augen kaum trauen kann.

Info

Beast – Jäger ohne Gnade Baltasar Kormákur USA 2022, 93 Minuten

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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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