Bundespolitische Signale nach Mitte-Rechts

Landtagswahlen 2014 In Sachsen, Brandenburg und Thüringen wurde gewählt. Trotz geringer unmittelbarer Wirkung auf die Bundespolitik haben die Wahlen das Parteiensystem durchgeschüttelt.

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In den drei ostdeutschen Ländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg wurde im Abstand von zwei Wochen gewählt. In allen Landtagen bleibt die jeweils seit 1990 stärkste Partei unangefochten auf Platz 1. In Sachsen und Thüringen die CDU, in Brandenburg die SPD.

Während in Sachsen die CDU und in Brandenburg die SPD aus dieser Position heraus die nächste Regierung anführen werden und zwischen SPD und Grünen (Sachsen) bzw. CDU und Linkspartei (Brandenburg) wählen können, ist die künftige Regierungsbildung in Thüringen offen. Die CDU unter Christine Lieberknecht könnte dort nur dann weiter regieren, sollten sich DIE LINKE, SPD und Grüne nicht auf die erste rot-rot-grüne Landesregierung verständigen.

Den Thüringer Parteien stehen intensive Sondierungen bevor. Beide verbliebenen Regierungsmöglichkeiten verfügen über nur eine Stimme Mehrheit.

In Brandenburg verfügt die SPD gemeinsam mit der LINKEN oder mit der CDU über eine jeweils komfortable Mehrheit.

Die politischen Lager in Thüringen haben sich nach rechts verschoben. Die drei rot-rot-grünen Parteien erreichen rund 45% vor fünf Jahren waren es 52,4%. Das bürgerliche Lager umfasst mit der AfD bei nunmehr drei Parteien 46,2% gegenüber 38,8% von CDU und FDP im Jahre 2009.

In Brandenburg vereinigten CDU und FDP bei der Landtagswahl 2009 rund 47% der Stimmen, während rot-grün-rot sich auf einen Rückhalt von rund zwei Drittel der Wähler/-innen stützen konnte (65,8%). Nach dieser Landtagswahl vereinigen die Mitte-Rechts-Parteien (ohne NPD) 35,5%, während die rot-grün-roten Parteien von rund 58% der Wähler/-innen gewählt wurden.

In Sachsen lagen CDU und FDP bei der Landtagswahl 2009 mit 50,2% deutlich vor den Mitte-Links-Parteien, die 36,5% erreichten. Das neue bürgerliche Lager aus CDU, AfD und FDP lag bei der Wahl vor zwei Wochen mit einem Wert von knapp 53% weiterhin deutlich vor den rot-rot-grünen Parteien, die 37% erreichen.

Wie sich im Vergleich der drei Wahlen zeigt, kann von einem gesellschaftspolitischen Rechtsruck nicht die Rede sein, doch ebenso wenig stehen bundespolitisch die Weichen auf rot-rot oder rot-grün-rot.

Diese Koalitionsmodelle wären mit schwierigen Rahmenbedingungen konfrontiert. Scheitern müssten sie daran nicht. Trotz dieses Bundestrends wird immer noch knapp die Hälfte der Länder rot-grün regiert. Auf diesem Polster könnte rot-rot II in Brandenburg und rot-rot-grün I in Thüringen gesellschaftspolitisch aufbauen.

Niedergang der FDP – Entkopplung von Liberalismus und liberaler Partei

Nach Sachsen verliert die FDP zwei weitere Landtage und ist nunmehr nur noch in fünf Landesparlamenten vertreten. Eine derart geringe Repräsentanz der Partei gab es zuletzt nach den Wahlen der Jahre 1999/2000, als die Partei ebenfalls in 11 der 16 Landtage nicht vertreten war. Damals stellte sie jedoch immerhin Ministerinnen und Minister in drei Landesregierungen und verfügte über eine Bundestagsfraktion. Diese Rahmenbedingungen sind ebenfalls weggefallen.

Das Dilemma der FDP besteht in der Entkopplung zwischen dem normativen Bild, das Bürgerinnen und Bürger von einer liberalen Partei zeichnen und der Sichtweise auf die FDP. Die Niederlagen der FDP sind insoweit keine Momentaufnahme sondern Ausdruck einer langfristigen Entfremdung der Partei und ihrer Wähler/-innenschaft.

Laut dem Institut für Demoskopie sehen zwar 27% der wahlberechtigten Bürger die Existenzberechtigung einer liberalen Partei, doch nur 19% sehen eine Existenzberechtigung der FDP (Hoff 2013).

Die FDP war in den vergangenen Jahren der eigenen Legende aufgesessen, dass die in Wählerstimmen ausgedrückte Zustimmung zur Partei gleichbedeutend sei mit Zustimmung zu ihrem politischen Programm. Für den Kern ihrer Wählerschaft mag dies sicherlich zustimmen. Doch ist dieser Kern ersichtlich nicht umfangreich genug, die liberale parlamentarische Existenz abzusichern.

Die weiteren Wählerinnen und Wähler geben der Partei ihre Stimme aus koalitionstaktischen Erwägungen. Bei der Bundestagswahl 2013 nannten 51% der am Wahltag befragten Wähler als Grund, die FDP gewählt zu haben, weil es sich um die bevorzugte Partei handelte. Aus taktischen Erwägungen stimmten 46% der Wähler.

Im Fünfparteiensystem, in dem die Chance »kleinstmöglicher Gewinnkoalitionen«, bestehend aus einer großen und einer kleinen Partei abnimmt, wurde die FDP für die CDU von der Westentaschenreserve zum Risiko. Angesichts einer volatiler werdenden Wähler/-innenschaft und absinkenden Zustimmungswerte für die Großparteien bei zunehmender Gefahr von rechts durch die AfD kann sich die Union eine Zweitstimmenkampagne zugunsten der FDP nicht mehr leisten. In Niedersachsen raubte die CDU-Zweitstimmenkampagne zugunsten der FDP der Union die Mehrheitsfähigkeit.

In Sachsen verweigerte die CDU deshalb der FDP den Wunsch nach Unterstützung drastisch und machte auf eigene Rechnung Wahlkampf. Zudem öffnet sie sich anderen Koalitionsoptionen, vor allen den Grünen aber mittelfristig wird sie die AfD in den Blick nehmen.

Aufstieg der AfD – Nachholender Trend europäischer Nachbarländer

Die Alternative für Deutschland (AfD) hingegen ist nach den ostdeutschen Landtagswahlen in die Nähe der FDP-Parlamentsrepräsentanz gerückt. Sie ist im Europaparlament mit 7 und in drei Landtagen mit 36 Abgeordneten vertreten. Die FDP stellt im Europaparlament nur noch 3 und in 5 Landtagen (BW, HE, NI, NW, SH) mit 55 Mandatsträger/-innen.

Der in kurzem Abstand vollzogene Einzug einer Partei in mehrere Landesparlamente ist, wie u.a. das Beispiel der Piratenpartei aber auch der Republikaner zeigt, eine Möglichkeit aber keine Garantie dauerhaften politischen Erfolgs.

Vieles spricht zwar dafür, dass es der AfD aufgrund sozialer Zusammensetzung und Habitus gelingen könnte, die notorisch schwierige Phase der Parteigründung mit dem überproportional destruktiven Einfluss von Parteinomaden und »Glücksrittern« zu überwinden und sich zumindest für einige Jahre im Parteienspektrum zu verankern.

Es ist gleichwohl noch nicht ausgemacht, ob die AfD eher eine temporäre Erscheinung oder tatsächlich langfristiger Ausdruck einer tektonischen Verschiebung im liberal-konservativen Parteienspektrum, vergleichbar mit den Verschiebungen im Mitte-Links-Lager, die zur Gründung der Grünen und später der LINKEN führten.

Die Annahme, dass die AfD nach den Piraten zeitweiliger Profiteur eines dauerhaft in der Wähler/-innenschaft bestehenden Bedürfnisses nach einer Wahlalternative sei, kann zwar eine gewisse Plausibilität beanspruchen, reicht jedoch zur Erklärung des Phänomens AfD nicht aus.

Sie repräsentiert vielmehr als wertkonservativ-nationalliberale und rechtspopulistische Partei ein politisches Spektrum, das sich im europäischen Ausland bereits seit Jahren in Parteien wie der britischen UKIP, der österreichischen FPÖ bzw. dem BZÖ, der italienischen Lega Nord, den skandinavischen Parteien Wahre Finnen, Dänische Volkspartei bzw. Schwedendemokraten, der schweizerischen SVP, der niederländischen Partei der Freiheit von Geert Wilders sowie dem französischen Front National äußert.

Offen ist, ob und wie diese unterschiedlichen Strömungen sich dauerhaft zu gemeinsamen politischen Inhalten zusammenreifen können. Ebenso welchen Platz die AfD in den europäischen Parteifamilien einnimmt. Die Fraktionszusammensetzung im Europäischen Parlament ist dafür vermutlich ein nur schwacher Indikator, da diese taktischen Erwägungen unterlagen.

Bislang waren rechtspopulistische Parteien in Deutschland nur temporär und in der Regel auf der Ebene einzelner Bundesländer (Republikaner in Baden-Württemberg und Berlin, Statt-Partei und Schill-Partei in Hamburg) erfolgreich. Die Ursachen dafür sind vielfältig und basieren sowohl auf historisch begründeten Berührungsängsten gegenüber rechtspopulistischen Organisationen sowie organisationspolitisch schwierigen Rahmenbedingungen in Form des Föderalismus, der 5%-Klausel und Anforderungen des Parteien- und Wahlrechtes.

Paul Scheffer erklärte vor rund vier Jahren in der ZEIT (Nr. 44/2010) das Aufkommen des Rechtspopulismus in den Niederlanden damit, dass die gegenwärtige westeuropäische Moderne sich in einem Umbruch befinde, auf den die traditionellen Parteien keine angemessene Antwort kennen würden. Dafür gibt es aus seiner Sicht viele Gründe. „Einer dürfte sein, dass die klassischen emanzipatorischen Ziele zum größten Teil verwirklicht sind. So wie Ralf Dahrendorf einst vom »Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts« gesprochen hat, so könnte man auch vom Ende des christdemokratischen oder des liberalen Jahrhunderts sprechen.“

Scheffer erkennt darin den Schnittpunkt zwischen zwei Entwicklungen: „Die sozialen und kulturellen Spannungen haben zugenommen, während zugleich die Fähigkeit der klassischen Volksparteien abnimmt, diese Gegensätze zu überbrücken. In gewisser Weise ähneln die gegenwärtigen gesellschaftlichen Turbulenzen jenen der sechziger Jahre – mit einem großen Unterschied: Die damalige Rebellion stand im Zeichen der Suche nach mehr Freiheit, heute ist das Unbehagen vor allem ein Ausdruck der Sehnsucht nach mehr Sicherheit. Der Populismus lässt sich als eine Form des Protektionismus betrachten. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung sucht Schutz und Sicherheit. Es herrscht Angst vor dem sozialen Abstieg, eine Angst, die natürlich bei denen am größten ist, die gerade in die untere Mittelklasse aufgestiegen sind. Neben diesem sozialen Konservatismus gibt es einen kulturellen. Dabei geht es um den Erhalt dessen, was als »nationale Identität« betrachtet wird. Die gesamte Rechts-links-Einteilung ist durcheinandergeraten: Ist es links oder rechts, gegen die europäische Verfassung zu stimmen? Schwer zu sagen, denn Befürworter und Gegner gibt es in allen politischen Lagern. Ein anderes Beispiel: Bei einer Erhöhung des Renteneintrittsalters kann es sein, dass rechte Populisten und Gewerkschaften plötzlich auf derselben Seite stehen. Ähnliches gilt für die Einwanderungspolitik. Es gibt zu denken, dass die niederländischen Arbeitgeber über Geert Wilders‹ Erfolg besorgt sind (und das auch lautstark äußern), während die Gewerkschaften schweigen, weil sie fürchten, Mitglieder zu verlieren.

Die wachsenden gesellschaftlichen Gegensätze und die abnehmende Fähigkeit zur Integration bei den traditionellen Parteien verstärken einander. Aus Sicht Scheffers haben die politischen Parteien weder eine gesellschaftlich überzeugende Vorstellung von „Migration als dauerhaftem Teil der Gesellschaft“ noch „eine Vision, in der die europäische Integration als Schutz der nationalen Demokratien funktioniert. Diese Neuerfindung – bei der »Eigenheit« und »Offenheit« auf eine neue Weise miteinander verbunden werden – ist dringend notwendig“, schließt Scheffer sein Plädoyer.

Die Debatte über die AfD wird in den kommenden Wochen und Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Reihe weiterer Sichtweisen und empirisch untersetzter Annahmen hervorbringen. Diese Darstellung kann insoweit nur fragmentarischen Charakter haben.

AfD – Koalitionsoption gegen rot-grün-rot

Anders als die SPD im Umgang zunächst mit den Grünen und später der Partei DIE LINKE, sind die Berührungsängste der Union im Hinblick auf die AfD begrenzt. Bereits die Integration der Schill-Partei in das erste Kabinett von Beust in Hamburg war Beweis dessen.

Man mag dies politisch für fahrlässig halten. Doch muss diese Diskussion zunächst vor allem in den Unionsparteien zwischen Konservativen und liberalen Modernisierern, Euro-Skeptikern und EU-Befürwortern über das künftige Profil der Union geführt werden.

Machtpolitisch ist die Offenheit von Teilen der CDU erklärbar: Die Bereitschaft von SPD und Grünen mit der Linken zu regieren hat die Koalitionsoptionen der CDU nicht erhöht. Die AfD als koalitionsunfähig zu behandeln würde die Optionen der CDU, in den Ländern zu regieren, einschränken. Dies zu verhindern ist das Ziel entsprechender Aussagen wie denen des Thüringer CDU-Fraktionschefs Mike Mohring.

An diesem Spannungsverhältnis wird sich auch der Umgang mit der AfD in den ostdeutschen Landesparlamenten entscheiden. Gelang es im Hinblick auf die NPD – zum Teil auch nur mit Mühe – die CDU auf ein gemeinsames Vorgehen der demokratischen Parteien unter Einschluss der PDS bzw. Linkspartei zu gewinnen, dürfte ein an der NPD orientierter parlamentarischer Umgang von der Union abgelehnt werden.

Auch wenn AfD und NPD, wie am Beispiel des sächsischen Landtagswahlkampfes beobachtet werden konnte, inhaltliche Schnittmengen aufweisen, wird der adäquate Umgang mit dem Rechtspopulismus der AfD eine Herausforderung darstellen. Nicht zuletzt deshalb, weil er eine Türöffnungsfunktion für ähnliche Auffassungen in den Unionsparteien hat. Ein sich gegenseitig verstärkender Wettbewerb zwischen AfD und Union in populistischen Positionen gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten, Migrant/-innen, moderner Familien- und Geschlechterpolitik oder den Umfang staatlicher Leistungsgewährung dürfte einen nicht zu unterschätzenden destruktiven Einfluss auf die politische Kultur und den öffentlichen Diskurs in Deutschland haben.

DIE LINKE: Verfehlte Wahlziele und dennoch möglicher Einflussgewinn

Die Hoffnung der Partei DIE LINKE, aus den drei ostdeutschen Landtagswahlen selbst bei Stimmenverlusten gestärkt hervorzugehen, hat sich nicht erfüllt.

In Sachsen war abzusehen, dass die dortige Linkspartei trotz Verlusten die zweitstärkste politische Kraft und größte Oppositionskraft im Freistaat bleiben würde. Dass es ihr gelingen könnte, Gestaltungsverantwortung in der Landesregierung wahrzunehmen, hatte nach Bundestags- und Europawahlen niemand angenommen (vgl. Wahlnachtbericht zur LTW Sachsen).

DIE LINKE in Brandenburg hat ein Ergebnis von 19% erhalten. Das bedeutet im Vergleich zu 2009 einen Verlust von -8%. Angesichts von Umfragewerten über das Jahr 2014 von durchschnittlich 22,3% war ein solches Absacken nicht zu erwarten, auch wenn sich in den letzten Tagen vor der Wahl bereits ankündigte, dass die Partei nicht nur deutlich hinter ihren Ergebnissen von 2009 zurückbleiben, sondern ggf. ein ähnliches Ergebnis wie in Sachsen zu vergegenwärtigen haben würde.

Doch auch in der langfristigen Betrachtung relativiert sich das märkische Linkspartei-Ergebnis. Bereits unmittelbar nach der Wahlentscheidung von 2009 im Ergebnis der Auseinandersetzungen um die bis dahin unbekannte Stasi-Vergangenheit von einigen linken Abgeordneten war die Partei in den Umfragen abgerutscht.

Zwischen Frühjahr und Herbst 2010 erzielte sie wieder Ergebnisse um 27%, doch ging es nach diesem Zwischenhoch für DIE LINKE in Brandenburg wie für die Linkspartei in Ostdeutschland insgesamt bergab. In Folge der innerparteilichen Kontroversen des Jahres 2011 (Göttinger Parteitag) verlor die Partei in den Umfragen ihre Position als stärkste Partei in Ostdeutschland und fiel auf Platz 3. Die Wirkungen dessen spürten die wahlkämpfenden Landesverbände in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern 2011.

Seither erhielt die Linkspartei in Brandenburg Umfrageergebnisse von durchschnittlich 22%; bei der Bundestagswahl 2013 erreichte sie 22,4% und bei der diesjährigen Europawahl 19,7%. Stellt man diese Ausgangslage in Rechnung, ist das Ergebnis der Brandenburger LINKEN bitter aber nicht dramatisch.

DIE LINKE in Thüringen kann entgegen dem Parteitrend das Wahlergebnis von 2009 halten. Dies ist dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren geschuldet: Der Präsenz des Spitzenkandidaten Bodo Ramelow, der Glaubhaftigkeit einer tatsächlichen Gestaltungsoption und einem Wahlkampf von SPD und Grünen, bei denen diejenigen Wählerinnen und Wähler, die tatsächlich eine Ablösung der CDU in Thüringen wünschten, nur die Chance hatten, für DIE LINKE zu stimmen, wollten sie sich dessen sicher sein.

Unter diesem Gesichtspunkt bleibt festzuhalten:

  • Weder gewinnt DIE LINKE naturgemäß in der Opposition, noch verliert sie gesetzmäßig in Regierungsbeteiligungen – sofern sie tatsächlich regieren will.
  • Berlin 2001, Thüringen 2014 sind Beispiele für einen Swing zugunsten der Linken. Den Anspruch, Gestaltungspolitik betreiben zu wollen honorieren Wählerinnen und Wähler – ohne dass daraus eine Garantie erwächst, fünf Jahre später nicht dennoch auch mal eine Niederlage einstecken zu müssen.
  • Die Opposition ist kein natürlicher Humus einer erfolgreichen Linkspartei. Nötig für linke Wahlerfolge sind entsprechende Themen, die von links besetzt werden können und zur Mobilisierung führen oder eine Gestaltungsperspektive, wie beispielsweise eine Regierungsbeteiligung. In Sachsen wurden bei der diesjährigen Landtagswahl die Nicht- und Protestwähler/-innen von anderen politischen Formationen »abgeholt« - der AfD. Nicht allein zu Lasten der Linkspartei, sondern aller Parteien. Dies gilt ebenfalls für die Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen, bei denen die AfD mit dem Rückenwind des sächsischen Ergebnisses zweistellige Ergebnisse erzielte.
  • Das Ergebnis der brandenburgischen Linken 2014 dürfte durchaus mit der verbreiteten Einschätzung bei den Wähler/-innen zusammengehangen haben, die Wahl sei ohnehin schon entschieden, es gehe um nichts mehr. Die faktische Ankündigung des Ministerpräsidenten etwa 14 Tage vor der Wahl, die Koalition mit der LINKEN fortsetzen zu wollen, hat ihren Teil dazu beigetragen.
  • DIE LINKE in Brandenburg hat nicht wegen aber auch nicht trotz ihrer Regierungsbeteiligung an Stimmen verloren. Sie befindet sich vielmehr im Geleitzug der Gesamtpartei. Die PDS bzw. Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern verlor bei der Landtagswahl 2002 insgesamt 8 Prozentpunkte und legte 2006 leicht zu. In beiden Fällen war sie an der Regierung beteiligt. Im Jahre 2002 verlor die PDS parallel zur Landtagswahl die Bundestagswahl. In Berlin verlor die PDS bei der Abgeordnetenhauswahl 2006 insgesamt 9,2 Prozentpunkte und unter den schwierigen Rahmenbedingungen des Jahres 2011 noch einmal 1,7%.

Eine Fortsetzung der rot-roten Landesregierung in Brandenburg sowie die Bildung einer linksgeführten Regierung in Thüringen wären zweifellos ein wichtiger Entwicklungsschritt in der siebenjährigen Entwicklungsgeschichte des Zusammenschlusses aus PDS und WASG. Nicht weniger aber auch nicht mehr. In Thüringen könnte DIE LINKE zeigen, dass sie nicht nur mitregieren, sondern auch eine Regierung führen kann. Ob dies unter den Bedingungen einer einzigen Stimme Mehrheit möglich ist, werden die kommenden Tage, vielleicht Wochen zeigen.

Bundespolitische Bedeutung käme den beiden Landesregierungen aus sich selbst heraus nicht zu und es täte der Linkspartei in beiden möglichen Regierungen gut, sie nicht mit bundespolitischen Erwartungen zu überfrachten.

Strategisch würden beide möglichen Regierungen in 2016 wirken. Denn die beiden Landtagswahlen im kommenden Jahr in Bremen und Hamburg sind für die parlamentarische Repräsentanz der Partei in den westdeutschen Ländern zwar wichtig aber beide Stadtstaaten gelten als westliche Hochburgen und weniger vakant als Hessen 2013.

In Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin hingegen, wo im übernächsten Jahr die Landtage neben Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz neu bestimmt werden, könnten und sollten aus linker Perspektive Landesregierungen unter Beteiligung oder Führung der Linkspartei Sogwirkung auf die Zusammenarbeit von SPD, Linkspartei und Grünen entfalten. Dennoch ist bei aller Liebe zu parteistrategischen Höhenflügen zu konstatieren: Landtagswahlkämpfe werden im Regelfall im betreffenden Land selbst entschieden und Regierungsbeteiligungen in Potsdam und Erfurt sind dabei eine und gemeinhin nicht die entscheidende Variable.

Bundespolitische Relevanz bei geringer unmittelbarer Wirkung

Bundespolitisch haben die Landtagswahlen wenig bis keine unmittelbaren Auswirkungen. Die Bundespolitik spielte in den Wahlkämpfen keine Rolle – die Entscheidungen fielen aus landespolitischen Erwägungen. In diese wirkten die Bundestrends jedoch hinein. Die kleineren Koalitionspartner haben wenig Profilierungsmöglichkeit und das Stimmungspendel in der Wähler/-innen schwingt eher in Richtung Mitte-Rechts als Mitte-Links.

Die drei Landtagswahlen waren also keine Zwischenwahlen, mittels derer bundespolitische Signale gesetzt wurden, indem eine Regierungspartei im Bund gewonnen oder verloren hat bzw. die Opposition profitierte. Die Große Koalition im Bund steht nach den ostdeutschen Landtagswahlen unangefochten da. Allein die SPD kann bis auf eine mögliche neue Regierungsbeteiligung in Sachsen und ein mögliches neues Modell in Thüringen keine Geländegewinne verbuchen.

Wenn die Landtagswahlen ein Stimmungsbild wiederspiegeln, dann dass die politischen Lager seit der Bundestagswahl weitgehend unverändert sind. Der CDU ist der »natürliche« Koalitionspartner FDP abhanden gekommen, sie selbst liegt in den Umfragen bei rund 40%. Die SPD verharrt weiterhin im 25%-Turm, DIE LINKE und die Grünen liegen mit einem stabilen Wert von um die 9% weit abgeschlagen zurück.

Die Etablierung der AfD in drei ostdeutschen Ländern wird freilich ihre Wirkung hinterlassen und insbesondere die Union politisch unter Druck setzen. In dieser Hinsicht könnte die bundespolitische Relevanz insbesondere dann entfalten, wenn die AfD im kommenden Jahr in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen, die gemeinhin für eine wahlpolitische Überraschung gut sind, reüssieren sollte.

Im Bundesrat hätte nur für den Fall, dass in Sachsen und in Brandenburg neue Koalitionen aus CDU und SPD gebildet würden und die CDU in Thüringen weiterhin mit der SPD regierte, die Große Koalition eine absolute Mehrheit.

»Durchregieren« könnte sie erfahrungsgemäß dennoch nicht. Davor stehen in der Regel noch immer die Einzelinteressen der Länder in ihrer Vielfalt von Ost und West, Stadtstaat und Flächenland sowie Geber- und Nehmerstatus im Länderfinanzausgleich.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Benjamin-Immanuel Hoff

Chef der Staatskanzlei @thueringende; Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten. #r2g Twitter: @BenjaminHoff

Benjamin-Immanuel Hoff

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