Auch wenn es zunächst wie ein Scherz klang: Es stimmt. Zumindest fürs Erste eröffnet Google keinen Start-up-Campus in Berlin-Kreuzberg. Stattdessen soll eine Begegnungsstätte für die Zivilgesellschaft entstehen, inhaltlich gestaltet von der Online-Spendenplattform betterplace und dem gemeinnützigen Verein Karuna, der in Berlin unter anderem eine Straßenzeitung herausgibt. Google trägt Kosten für Umbau, Ausstattung, Miete und Nebenkosten des alten Umspannwerks am Landwehrkanal für fünf Jahre.
Dieses Einlenken ist bemerkenswert. Denn schon jetzt ist das von Gentrifizierung gebeutelte Kreuzberg in vielen Ecken tatsächlich so, wie sich Google selbst gern gibt. Urban, hip, clean – eine Bubble neuen Lifestyles mit Coffee-Shops voller Designermöbel – so, wie man sich eben auch die Headquarter der Tech-Konzerne von Google über Facebook bis Apple vorstellt. Das Kiez gewordene Image quasi. Darauf verstehen sich solche Unternehmen besonders.
Doch hinter dieser schicken Fassade wohnen immer noch Menschen, die die Aufwertung des Viertels fürchten, weil die Miete zu teuer wird, weil das mehr oder weniger gewachsene soziale Netzwerk verdrängt wird, weil kleine Geschäfte schließen müssen. Sie haben lange und laut gegen Googles Start-up-Campus protestiert, der in ihren Augen eine Verschärfung dieser Entwicklung bedeutet hätte.
Unabhängig davon, wie man den vorläufigen „Rückzug“ von Google bewertet, bleibt eine Erkenntnis über geeignete Mittel in der Auseinandersetzung mit Tech-Konzernen. Jahrelang haben sie das Lob der Oberfläche gesungen, in einer Gesellschaft, in der Influencer ein Beruf sein kann, ein Mac-Computer Statussymbol ist und die Nutzung von oder Kooperation mit Google für „modernes Entrepreneurship“ steht. Doch wenn das Image alles ist, dann ist der Imageschaden der GAU.
Hier kann man bei weiteren Auseinandersetzungen ansetzen – gerade, wenn der Protest so physisch sichtbar wird wie in Kreuzberg. Dies ist ein Unterschied zum Imageschaden, den Facebook im Zuge der Cambridge-Analytica-Affäre erlitt. Wut im Netz und selbst in Parlamenten lässt sich doch leichter ausblenden als Wut auf der Straße.
Die Maßnahme von Google kann man denn auch als cleveres „greenwashing“ empfinden: Auf Zeit zeigt man sich sozial und offen für die Anliegen der Nachbarschaft. Was danach folgt? Gut möglich, das es wieder zu Konflikten kommen wird. Doch die Proteste haben gezeigt, wie man damit umgehen kann.
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