Vergangenes Wochenende hat die SPD wieder einmal eine Idee gehabt: Die Bundestagsfraktion hat einen Mietenstopp gefordert. Vor allem in Großstädten sollen die Mieten in den nächsten drei Jahren nur um maximal sechs Prozent steigen können. Vieles daran klingt nur allzu bekannt. Der Mietenstopp selbst, genauso wie die Reaktionen darauf. Die Immobilienwirtschaft ist schockiert, die FDP geißelt die „Ideologie“ und dann bringt wieder irgendjemand den findigen Einwand vor, dass von gedeckelten Mieten keine einzige neue Wohnung entsteht.
Derweil wird das eigentliche Problem immer größer. Laut einer Umfrage des Internetportals Immoscout 24 vom April stiegen die Angebotsmieten im Bestand innerhalb eines Jahres um bis zu 12,3 Prozent, beim Neubau sogar u
etportals Immoscout 24 vom April stiegen die Angebotsmieten im Bestand innerhalb eines Jahres um bis zu 12,3 Prozent, beim Neubau sogar um bis zu 19,9 Prozent. Gleichzeitig fallen immer mehr Wohnungen aus der Sozialbindung: 2006 gab es noch knapp 2,1 Millionen bezahlbare Sozialwohnungen, Ende 2022 waren es rund eine Million weniger. Und statt der von Bauministerin Klara Geywitz (SPD) anvisierten 400.000 neuen Wohnungen sind 2022 gerade einmal 295.300 Wohnungen entstanden. Im ersten Halbjahr diesen Jahres waren es sogar nur 111.500. Geywitz sagt dazu, der Bau bleibe „in der Krise stabil“. Richtiger wäre: Der Bau bleibt stabil in der Krise.Baufirmen stehen unter enormen DruckWas fehlt, sind neue, bezahlbare Wohnungen, und anstatt die Krise endlich anzugehen, spitzt sie sich immer weiter zu. Richtig ist, dass sich der Neubau angesichts gestiegener Zinsen sowie Energie- und Rohstoffkosten schwieriger gestaltet. In der Folge stehen nun Immobilienentwickler und Baufirmen unter enormem Druck, Insolvenzen nehmen zu. Die Krise der Branche – das ist eine neue Dimension der Wohnungsmisere, die die Lösungen nicht einfacher macht. Auch die großen Wohnungskonzerne werden von dieser neuen Realität gebeutelt, aus ihrer Verantwortung sollte man sie dennoch nicht entlassen: Jahrelang ging es für sie nur bergauf, vorgesorgt scheinen sie nicht zu haben. Am Ende leiden immer die Gleichen: Familien, Einkommensschwache, Alleinerziehende, Armutsbetroffene, Geflüchtete.Die politische Antwort darauf ist herausfordernd, gilt es doch, Mieter:innen und Wirtschaft gleichermaßen zufriedenzustellen. Ein Mietenstopp klingt da zwar gut und würde die Mieter:innen entlasten; aber er löst das Problem des fehlenden Neubaus nicht. Und obendrein ist der Vorschlag wohlfeil, weil das zuständige Justizministerium unter FDP-Führung ohnehin nie mitspielen wird.Stattdessen soll nun die Stärkung des Wohnungsbaus Teil des Wachstumschancengesetzes werden. Über sechs Jahre sollen sechs Prozent der Investitionskosten abgeschrieben werden können – solange die Gebäude einem gewissen Energiestandard entsprechen. „Zusammen mit weiteren Maßnahmen, wie der Förderung des sozialen Wohnungsbaus in Rekordhöhe und der Unterstützungsleistungen beim klimafreundlichen Neubau in Milliardenhöhe, können Bauvorhaben nun zügig umgesetzt werden“, sagt Geywitz. Es ist die Fortschreibung ähnlicher Maßnahmen, die sich das Bauministerium auf die Fahnen schreibt: eine Verdopplung der Neubauförderung auf zwei Milliarden Euro zum Beispiel. Oder die Digitalisierung und der Bürokratieabbau bei Planungs- und Genehmigungsverfahren.Ein Desaster für die DemokratieKeine dieser Maßnahmen ist falsch. Aber ein viel besserer Plan steht bereits im Koalitionsvertrag: die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit. Die sieht vor, dass Unternehmen Steuererleichterungen bekommen können und finanziell gefördert werden, wenn sie dauerhaft bezahlbare Wohnungen schaffen. Es ist ein Schritt weg vom Markt, und das ist richtig so. Denn die Marktwirtschaft erzeugt in diesem Sektor katastrophale Ergebnisse. Seit Juni existiert zu der Idee ein Eckpunktepapier aus dem Geywitz-Ministerium, das eigentlich schon im April hätte fertig sein sollen. Damit sei die Grundlage für die Diskussion im parlamentarischen Raum gelegt, lobt sich das Ministerium selbst. Doch es ist absehbar, dass sich das Vorhaben noch lange hinziehen wird. Wie immer bremst das Finanzministerium auch in diesem Fall, derzeit fehle die Finanzierungsgrundlage, heißt es lapidar.Das also ist der ernüchternde Status quo im Kampf gegen die sich immer weiter zuspitzende Mietenkrise. Das ist nicht nur wohnungspolitisch eine Katastrophe. Es ist auch ein Desaster für die Demokratie. Während sich alle Parteien die Köpfe zerbrechen, wie sie der AfD das Wasser abgraben könnten, lässt die Bundesregierung eines der ganz großen Themen brachliegen, bei dem sie den Menschen beweisen könnte, dass sie sich um ihre Zukunft und um gerechte soziale Verhältnisse sorgt. Mit einer guten und zupackenden Mietenpolitik könnte sie den durch rechte Parteien befeuerten Verlustängsten glaubwürdig etwas entgegensetzen. Und der kriselnden Baubranche wäre obendrein auch noch geholfen.Stattdessen wird das Elend von der Ampelkoalition routiniert verwaltet – mit immer gleichen Vorschlägen und immer gleichen Reaktionen, immer gleichen Kabbeleien. Da liegt Routine nah an Resignation und sendet vor allem ein Signal: So richtig kümmert das Thema offenbar niemand.