Jüngst verschickte die SPD Einladungen mit wohl ungewollter Komik: Bundesbauministerin Klara Geywitz „unterstützt im Landtagswahlkampf Berlin“, hieß es. Ausgerechnet Geywitz, „das Gesicht zur aktuellen Baukrise“, wie sie selbst treffend im Spiegel bemerkt hatte. 400.000 neue Wohnungen sollten unter der Ampel-Koalition pro Jahr gebaut werden. 2022 waren es wohl nicht einmal 300.000, 2023 wird sie das Ziel wohl wieder verfehlen. 2024 will sich Geywitz „der Zahl annähern“.
Es gibt Gründe für die Lage. Die Zinsen steigen, die Preise für Material und Energie explodieren infolge von Corona-Krise und Ukraine-Krieg. Stahl etwa kostete 2022 bis zu 40 Prozent mehr als 2021. Die Baubranche spricht schon von Kurzarbeit – und b
2023 wird sie das Ziel wohl wieder verfehlen. 2024 will sich Geywitz „der Zahl annähern“.Es gibt Gründe für die Lage. Die Zinsen steigen, die Preise für Material und Energie explodieren infolge von Corona-Krise und Ukraine-Krieg. Stahl etwa kostete 2022 bis zu 40 Prozent mehr als 2021. Die Baubranche spricht schon von Kurzarbeit – und baut weniger. Im November 2022 sind im Wohnungsbau knapp 30 Prozent weniger Aufträge eingegangen als im November 2021.Diese Baukrise ist in der Konsequenz eine Mietenkrise, war doch das Mantra „Bauen, Bauen, Bauen“ die Antwort auf den fehlenden und darum viel zu teuren Wohnraum in Ballungszentren. Nun werden es absehbar noch weniger Wohnungen werden – und gleichzeitig mehr Bewerber:innen. Denn mit den steigenden Zinsen strömen Menschen auf den Mietmarkt, die in Zeiten niedriger Zinsen gekauft oder gebaut hätten. Es fehlen 700.000 bezahlbare Wohnungen – so hat es das Pestel-Institut errechnet. „So laut wie jetzt haben die Alarmglocken des Wohnungsmangels lange nicht mehr geschrillt“, sagte der Präsident des Mieterbunds, Lukas Siebenkotten.Mietpreisbremse, Vorkaufsrecht, KappungsgrenzeIn Berlin standen die Zeichen nach der Wahl 2021 auf Hoffnung. Damals hatte eine Mehrheit für die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne gestimmt und schon im Vorfeld die Parteien vor sich hergetrieben. Das „Gespenst Enteignung“ brachte Fahrt in die Debatte, etwa um den Mietendeckel, den am Ende jedoch das Bundesverfassungsgericht erst mal verhinderte.Die Vergesellschaftung ist zwar noch nicht vom Tisch, wurde unter Federführung der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) aber in eine Expertenkommission vertagt. Giffey setzte auf ein „Bündnis für Wohnungsbau und bezahlbares Wohnen“, doch die Kooperation mit der privaten Wohnungswirtschaft führte kaum zu Ergebnissen. Der börsennotierte Wohnungskonzern Vonovia hat zuletzt angekündigt, den Neubau von 1.500 Wohnungen in der Hauptstadt auf Eis zu legen – zu teuer angesichts von Inflation und Materialengpässen. Die Mieten, so ein Vonovia-Vorstand, müssten sonst bei 20 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter liegen, was völlig unrealistisch sei. Damit hat er recht. Doch Vonovia muss eben gegenüber seinen Aktionär:innen liefern – 2021 schüttete der Konzern insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro an Dividenden aus.Der Mietmarkt regelt offensichtlich nur sehr schlecht. Etwas so Wesentliches wie Wohnraum sollte wohl besser der Staat lenken. Ideen dazu gibt es, sie stehen sogar im Koalitionsvertrag auf Bundesebene – umgesetzt werden sie nicht. Mietpreisbremse, Vorkaufsrecht oder die Kappungsgrenze, die den Anstieg von Mieten begrenzen soll – bei alldem blockiert wohl vor allem FDP-Justizminister Marco Buschmann, auch beim Verbot oder wenigstens der Regulierung von Indexmieten.Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte sogar noch Größeres geplant: die Wohnungsgemeinnützigkeit. Sie würde es dem Staat ermöglichen, Grundstücke vergünstigt an gemeinnützige Wohnungsunternehmen zu vergeben und das Bauen durch Steuererleichterungen bezahlbarer zu machen. Bedingung: Es müssen dauerhaft bezahlbare Wohnungen entstehen. So würde gebaut, ohne übermäßige Profiterwartungen befriedigen zu müssen. Passiert ist seit dem Koalitionsvertrag nichts mehr.Interessen von Mietern zählen nichtDiese Haltung verrät viel über den Blick der Politik auf die Mieter:innen im Land. Am Ende zählen sie nicht. Mietenpolitik in Deutschland heißt: Laut tönen, wenig tun. Mit großer Geste wird eine Erhöhung des Wohngeldes verkündet, die dann aber erst drei Monate später rückwirkend gezahlt werden soll. Was ist mit denen, deren Konten am Monatsende leer sind? Egal. Die Vermieter:innen indes freuen sich, dass die Mieterhöhungen durch staatliche Gelder gedeckt sind. Gleichzeitig geben Hausbesitzer die Grundsteuererklärung reihenweise nicht fristgerecht ab – von einer Meuterei ist die Rede –, und zumindest Bayern lässt ihnen auch das durchgehen. Wer hat, kann sich so einiges erlauben.Die Baukrise hat einschneidende Folgen für noch andere gesellschaftliche Debatten. Wo etwa sollen all die Menschen wohnen, die in Deutschland Schutz suchen? Wie ist zu verhindern, dass die sich abzeichnende Geflüchteten-Diskussion voller Ressentiments völlig überkocht? Wo finden all die Fachkräfte, die Erzieher:innen und Pflegenden ein Dach über dem Kopf, wenn es keine bezahlbaren Wohnungen gibt? Wer die Mietenkrise löst, ist bei diesen Themen schon einen großen Schritt weiter.In Berlin wirbt die SPD dagegen spaßig mit einer „Dönerpreisbremse“. Kann man machen – wenn man kaum mietenpolitische Visionen hat. Ob es die nach der nun anstehenden Wahl in Berlin geben wird, ist fraglich. Wenn nicht nur der Markt, sondern auch die Politik versagt, ist eine starke Mietenbewegung die einzige Hoffnung. Sie hat es schon mehr als einmal geschafft, spürbaren Druck auf die Politik auszuüben. Angesichts der Zustände wird sie aber wohl die Dosis erhöhen müssen.