Religiöse Gefühle als Integrationsbremse

Asylsuchende. Die Tabuisierung von Glaubensfragen betrifft nicht nur die islamische Welt, sondern sie findet sich auch in der christlichen Kultur. Korrekturbedarf besteht für beide.

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Es ist weniger der Flüchtlingsstrom als solcher, der vielen Bürgern Angst macht, sondern der als fremd empfundene kulturelle Hintergrund der Asylsuchenden. Dieser ist durch den Islam geprägt, dessen Menschenbild sich nicht im Gleichschritt mit unserem abendländischen verändert hat, der aber desto stärker in das alltägliche Leben eingreift. Die für eine Lösungssuche unverzichtbare offene Debatte wird jedoch durch Tabus behindert, die von den christlichen Kirchen mit lanciert wurden.

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Wachsende Zweifel am „Wir schaffen das"

Auch wenn die Deutschen bislang mehrheitlich hinter der Willkommenskultur stehen, häufen sich die kritischen Stellungnahmen.

Auslöser für eine sich verändernde Stimmungslage sind meist schockierende Ereignisse, wie vor ein paar Monaten die Situation vor den ägäischen Inseln und kürzlich die Silvesternacht in Köln. Argwohn und Angst der Bevölkerung finden ihren Widerhall in den Medien wie auch bei Politikern, die sich genötigt sehen, Merkels „Wir schaffen das“ zu relativieren. So werden fortwährend neue Modelle vorgestellt, wie das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen sei, vielfach nur um daraufhin von anderer Stelle torpediert zu werden.

Zugleich wird wiederholt darauf verwiesen, dass in der deutschen Vergangenheit noch größere Flüchtlingsströme bewältigt wurden. In diesem Zusammenhang könnten Politiker und Medienvertreter erwähnen, dass der überwältigende Teil der syrischen Flüchtlinge im Herrschaftsbereich von Assad lebt, wo sie gegenwärtig fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung stellen. Aber dies passt nicht zu dem von den Medien geschaffenen Bild eines tyrannischen Systems. Vermutlich würde auch geantwortet werden, dass dort wegen der kulturellen Nähe eine Integration leichter möglich sei. Dasselbe träfe auf die Nachbarstaaten Libanon, Jordanien und Türkei zu, weshalb ja die Hilfsgelder für die Unterbringung von Flüchtlingen in diesen Ländern aufgestockt würden.

Augenscheinlich ist es vor allem der durch den Islam geprägte kulturelle Hintergrund der Asylsuchenden, der Kritiker auf den Plan ruft. Dieser Aspekt wird ebenfalls in der ablehnenden Haltung unserer östlichen Nachbarn hervorgehoben. Tatsächlich werden in den moslemischen Ländern Moral, Rechtsemfinden und soziale Beziehungen durch die islamische Religion weitgehend konditioniert. Einen ähnlich großen Einfluss auf die Gläubigen hatten allerdings auch die christlichen Kirchen bis weit in die Neuzeit. In ländlichen Regionen sowie außerhalb Europas finden sich vielerorts noch Relikte davon.

Erzwungener Wandel der christlichen Kirchen

Noch vor einigen Jahrhunderten war das Christentum von einem Sendungsbewusstsein geprägt, das keinen Platz für alternative Denkansätze bot. Es gründet sich auf eine in frühhistorischer Zeit entstandene und seitdem mehrfach modifizierte Ideologie, die für sich Unfehlbarkeit reklamierte. Dies erinnert an den Marxismus-Leninismus, aber auch an nationalistische Strömungen, die rassisch oder kulturell begründete Überlegenheit beanspruchen. Für die Attraktivität einer absolutistischen Ideologie gibt es reale Gründe: Erreichung eines Lebenszwecks, Stärkung des Gemeingefühls, Bereitschaft zu Opfern, Unterstützung der Schwächeren. Gleichzeitig werden jene angefeindet und ausgegrenzt, die entweder die Ideologie ablehnen oder nicht zu den „Auserwählten“ gehören.

In der Gegenwart haben die christlichen Konfessionen ihren Absolutheitsanspruch weitgehend aufgegeben. Es waren vor allem wissenschaftliche Fortschritte und zivilisatorische Errungenschaften, welche die Kirchenväter trotz erbitterten Widerstands zur Anpassung zwangen. Von Dogmen musste Abschied genommen werden, Lehrsätze wurden verändert und die Bibel wurde uminterpretiert. Bei jedem Konflikt mit der Realität sank der Einfluss der Kirchen, und gleichzeitig wurde ihre Existenzberechtigung um ein weiteres Stück in Frage gestellt.

Gegenwärtig profilieren sich die christlichen Kirchen vornehmlich durch Rituale (Taufe, Hochzeit, Beerdigung), durch karitative Tätigkeiten und in der Rolle des Moralwächters, für die angesichts der breiten intuitiven Ablehnung der kapitalistischen Logik realer Bedarf besteht. Dagegen vermeiden sie Debatten über die Grundlagen des Glaubens. Zu viele Ungereimtheiten würden aufgedeckt werden, und die erhebliche Diskrepanz zum aktuellen Wissensstand könnte nur schwer kaschiert werden. So werden Fragen und Zweifel mit dem Vorwurf abgeschmettert, es würden religiöse Gefühle verletzt.

Gleiche Rechte für den Islam

Damit wird aber auch einer Kritik am Islam weitgehend die Basis entzogen. Was die Christen für sich beanspruchen, verlangen verständlicherweise auch die Moslems. Während sich die christliche Kirche jedoch über einen längeren Zeitraum an eine säkulare Umgebung angepasst hat, konnte der Islam vielerorts fundamentalistische Züge bewahren. So widersprechen manche Interpretationen des Koran dem Grundgesetz, darunter insbesondere den in Deutschland allgemein anerkannten und praktizierten Persönlichkeitsrechten. Eine offene Debatte wäre daher unbedingt nötig, aber sie wird weder von den Moslems gesucht noch von der deutschen Seite verlangt. Wenn religiöse Überzeugungen und Praktiken ein Tabuthema für Christen sind, dann muss den Moslems das gleiche Recht zugestanden werden.

Stattdessen findet sich Bereitschaft, auf materielle und rechtliche Forderungen einzugehen. Diese betreffen insbesondere staatlich geförderten Religionsunterricht samt Ausbildung der Lehrer wie auch eine Kirchensteuer für Moslems. Die Berieselung mit religiösen Inhalten im Kindesalter und eine gesicherte Finanzierung erweisen sich auch für christliche Gemeinden als wesentliche Garanten, dass die „Schäfchen“ nicht in Scharen davonlaufen. Anstatt islamischen Organisationen dieselben Sonderrechte zu gewähren, sollten diese vielmehr den christlichen Kirchen sukzessive entzogen werden, da Religionen sich substanziell nicht von anderen Ideologien unterscheiden.

Dass die Kirchen hartnäckig an ihrer privilegierten Stellung festhalten, ist durchaus verständlich. So zeigt etwa die jüngere Geschichte der beiden nördlichen baltischen Länder, dass bereits zwei Generationen ohne Religionsunterricht und kirchliche Rituale ausreichen, um die Menschen der Kirche auf Dauer zu entfremden. Trotz eines übersteigerten Bedürfnisses nach Übernahme westlicher Lebensweisen und trotz eines Agitationsmarathons hunderter US-amerikanischer Prediger seit der wiedererlangten Unabhängigkeit gehören drei Viertel der Bevölkerung Estlands und Lettlands keiner religiösen Gemeinschaft an.

Stehen auch die Konfessionen in Konkurrenz zueinander, so ziehen sie an einem Strang, wenn es darum geht, eine Thematisierung von Glaubensfragen zu verhindern. Dadurch werden aber Moslems implizit davon abgehalten, ihre Haltung zu den westlichen Grundrechten zu erklären. Anstatt in der Furcht zu verharren, es könnten menschliche Gefühle verletzt werden, sollten Debatten über religiöse Grundsätze zur allgemeinen Praxis werden. Diese müssten sachlich geführt werden, Polemik und Diffamierungen hätten zu unterbleiben. Nur auf diese Weise würden sich Moslems veranlasst sehen, Widersprüche zwischen manchen Koraninterpretationen und dem Grundgesetz einzugestehen und Konsequenzen zu ziehen.

Jeder Asylsuchende sollte mit den in Deutschland gültigen Grundrechten vertraut gemacht werden. Ist er nicht bereit, diese zu akzeptieren, etwa indem er den Koran über das Grundgesetz stellt, könnte ihm untersagt werden, sich frei im Land zu bewegen. Würde ihm Asyl gewährt werden, müsste er in einem abgegrenzten Bereich leben. Damit ließe sich auch der Einfluss fundamentalistischen Gedankenguts auf jene moslemischen Mitbürger vermindern, die prinzipiell zur Integration bereit sind.

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