Professor: Sagen Sie mir, Müller, bestand bei den alten Wienern noch die Einrichtung der Folter?
Müller: Bitte, ja. Die wichtigste Foltermethode war der Amtsweg. Surminger nennt diese Einrichtung >peinliche und verflixte Marterei<.
Professor: Richtig. Ich habe ein Bild mitgebracht, welches genau nach den Angaben Surmingers gemalt wurde. Dem beklagenswerten Opfer wurde eine haarscharfe, verrostete und lebensgefährlich gespragelte Feder in die Hand gedrückt. Dann wurde er unter wüsten Drohungen gezwungen, seine Personalien auf einen Papierbogen niederzuschreiben, bis seine Muskel in Starrkrampf verfielen. Hierauf wurde er an den Schwanz eines wilden Pferdes, des sogenannten Amtsschimmels, gebunden und durch hundert Instanzen geschleift. Der Amtsmustang wurde von den verrohten Inquisitionsbütteln mit dem barbarischen Ruf >I bin net zuständig< zur Raserei getrieben. Das Bild zeigt uns einen alten Wiener nach Absolvierung des Amtsweges. Sie sehen, das gepeinigte Opfer hat sich die Füße in den Bauch gestanden und weiß nicht mehr, ob es ein Mandel oder ein Weibel ist. (...)
Professor: Der ganze Mensch wurde zum Laberl. (…) Na, Müller, noch eine Frage: Wovon ernährten sich die alten Wiener?
Müller: Die alten Wiener ernährten sich von Handel und Wandel, Ackerbau und Viehzucht, Kunst und Wissenschaft, Fischerei, Räuberei und Verkehr.
Professor: Genauer! Wer ernährte sich von Viehzucht ?
Müller: Die Politiker.
Professor: Von Räuberei ?
Müller : Die Komponisten und die Hoteliers.
Professor: Von Fischzügen ?
Müller: Die Bankdirektoren.
Professor: Wovon lebten die übrigen ?
Müller: Durch Kunst, denn es war ein Kunststück, damals zu leben.
Professor: Na, es ist genug, Müller. Brav wie immer.
Aus: Jura Soyfer: Szenen und Stücke, Europa Verlag Wien München Zürich 1984, S. 37-42 , geschrieben 1935
Österreichisch - Deutsch : a Laberl werd’n - wird verwendet wenn man umsonst auf etwas wartet; etwas nicht richtig funktionieren will
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