Männer in Angst: Wenn das Gehirn in-doc-triniert denkt

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Eine US-Regierungskommission forderte kürzlich, den PSA-Test zur Feststellung von Prostatakrebs bei gesunden Männern wegen Nutzlosigkeit abzuschaffen. Urologen sind natürlich weltweit empört.

PSA, das „Prostata-spezifische Antigen“, ist ein Protein aus 237 Aminosäuren und wird von der Vorsteherdrüse als Begleitstoff zur Samenflüssigkeit produziert. Entdeckt wurde es vor 40 Jahren von Richard Ablin, der nach einer krebsspezifischen Substanz gesucht, aber nur eine prostataspezifische gefunden hatte. In der Urologie hat sich seitdem eine weltweite Screening-Epidemie entwickelt, mit einem Jahresumsatz von einigen Milliarden. In den USA haben 33 der 44 Millionen über 50-jährigen Männer PSA-Tests hinter sich. Hohe PSA-Werte können viele Ursachen haben können, darunter Fahrradfahren, Geschlechtsverkehr oder Prostataentzündungen. Auch bei niedrigen PSA-Werten kann man an Prostatakrebs erkrankt sein.Dennoch hält nicht nur die Deutsche Gesellschaft für Urologie den PSA-Test für eine „unverzichtbare Maßnahme“ zur Früherkennung des Prostatakarzinoms.

Richard Ablin sagt mittlerweile: „Ich hätte mir nie träumen lassen, dass meine Entdeckung vor 40 Jahren in eine derartige profitgetriebene Katastrophe für das Gesundheitswesen führen würde. Die Medizin sollte den unangemessenen Einsatz von PSA-Tests stoppen. Das würde Milliarden Dollar sparen und Millionen Männer vor unnötigen und beeinträchtigenden Behandlungen bewahren.“

Dr. Bernd Hontschik berichtet von dem Besuch eines langjährigen Freundes, der ihn wegen des PSA-Testes fragte (www.fr-online.de/wissenschaft/diagnose-maennerangst,1472788,11072168.html). Er übersetzte ihm PSA mit „Profit-spezifisches Antigen“ und erreichte statt Aufklärung das Gegenteil: Sein Freund meinte, jetzt wisse er gar nichts mehr. Sein Urologe habe ihm doch gesagt, das sei ein Krebstest. Und vor dem Ergebnis fürchte er sich immer noch.

Angst kann ein sinnvoller Schutzreflex sein, wenn Ärzte Angst machen, geht es öfters ums Geldverdienen und um die Angst vor fallenden Einnahmen: Wenn ein PSA-Test auch nur ca 30 € kostet (die Krankenkasse zahlt nicht !), es läppert sich doch, und wenn die Folgetherapien unterbleiben, die sich aus einem falsch positiven PSA-Wert (Wert ist hoch, dennoch kein Krebs da) ergeben, könnte es dramatischere Einkommensverluste geben.

Wenn der Verstand mit dem Hut an der Garderobe des freundlichen Medizinexperten abgegeben worden ist (Männer sind Gehorchen gewohnt, die Abschaffung der Bundeswehr wird nichts an jahrtausendelang trainierten Gehorsamsreflexen gegenüber Autoritätspersonen ändern, das Milgram-Experiment gilt auch hier), ist das Gehirn so in-doc-triniert, dass auch in guter Freundschaft gesprochene Worte im Bewusstseinsvakuum spurlos verschwinden.

Wenn eine Facharztdisziplin wie die Urologen sich dauerhaft komplett beratungs- und erkenntnisresistent zeigen sollten, ist das ein Hinweis darauf, dass das naturwissenschaftliche Medizinzeitalter der methodischen Reduzierung und Determinierung auf objektivierbare Parameter vorbei sein könnte. Dann wäre nicht nur die Suche nach dem spezifischen Ort der Krankheit sekundär geworden, der Verlust einer ganzheitlichen Sicht von Krankheit und Gesundheit uninteressante Nebensache, die Idee von der Einheit von Seele, Leib und Intellekt obsolet, und der Kranke als Objekt zum permanenten Gegenstand der Profitmaximierung gemacht, Medizin als Wirtschaftswissenschaft etabliert.

Wer sagt, dass das eine krisenhafte Entwicklung werden wird? Objektiv gesehen muss man doch anerkennen: Geld ist ein schlagkräftiges Argument. Gewissen kann man kaufen, Ethik kann man sich wünschen, aber nicht immer leisten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

bertamberg

Xundheit! Salut! o! genese! Aufs Ganze gehen, bei Erkennen & Tun, Diagnose & Therapie. Alles ist vollkommen, "wenn das nötige gemacht ist." (Goethe)

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