Zwei Kulturen - nur Antipoden?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Michael Angele schreibt im aktuellen FREITAG unter der Überschrift "Die zwei Kulturen" einen lesenswerten Beitrag über den deutschen Literaturbetrieb und seine Angst vor dem Netz und den Piraten.

www.freitag.de/kultur/1221-die-zwei-kulturen

Nun sind es tatsächlich zwei Kulturen, einerseits die etablierten, klassischen Verlage und deren ebenso etablierte Autoren und als Antipode dazu das Internet, welches immer mehr Independentautoren für sich nutzen.

Der klassische Vertriebsweg eines Autors läuft in vorgeprägten Schienen ab. Das fertige Werk bekommt der Verlag, dessen Lektoren, Korrektoren und Vertriebsprofis entscheiden, ob es gedruckt wird. In einem Autorenvertrag wird die Summe festgelegt, die der Autor pro verkauftem Exemplar erhält, außerdem werden weitere mögliche Verwertungsmöglichkeiten vertraglich vereinbart. Ob eine Nachauflage, ob als E-Book, als Ausgabe bei einem fremdsprachlichen Verlag mit der dafür notwendigen Übersetzung oder als Theaterstück auf der Bühne, an allem verdient der Autor mit. Sein Urheberrecht bleibt von all dem unberührt, hier geht es allein um Verwertungsrechte, die der Autor an den Verlag abgibt und von dem er aus den daraus generierten Einnahmen beteiligt wird.
Ein wesentlicher Vorteil gerade für den jungen Autor liegt in diesem Weg darin, dass er von der Zusammenarbeit mit erfahrenen Lektoren profitiert.

Wer bei Twitter sucht, wird schnell auf Autoren stoßen, die ihren eigenen Weg gehen. Self publishing nennt sich dieser Weg, die Autoren sind unabhängig von Verlagen, sie verwerten ihr kreatives Schaffen eigenständig. Über die künstlerische Qualität läßt sich natürlich streiten, genau so wie bei den Ausgaben klassischer Verlage. Selbst orthographische und grammatikalische Fehler sind bei diesen selbst publizierten Werken keine Seltenheit, dass sie nicht von Lektoren und Korrektoren gelesen und bearbeitet wurden, ist oftmals schnell zu erkennen.

Nur ist hier der Gegensatz erkennbar zu den Aussagen der etablierten Autoren wie Daniel Kehlmann, die den Aufruf von Sybille Lewitscharoff aus der FAZ unterzeichnet haben.

Im Kern ist es kein Streit um das Urheberrecht. Auch Sven Regener von Element of Crime ist nicht prinzipell gegen eine Veröffentlichung im Internet. Im Kern lautet auch seine Frage, wie in Zeiten des massenhaften Zugriffs auf Produkte kreativen Schaffens im WWW die Bezahlung der "Produzenten" dieser kreativen Werke geregelt wird..

Independent Autoren haben heute die Möglichkeit, für ein geringes Entgelt bei Plattformen wie beisspielsweise TRIBOX ihre Werke einzustellen und bei Amazon platzieren zu lassen. Dort sind sie als Download abrufbar und pro Download erhält der Autor ein Honorar. Er ist zwar immer noch abhängig von anderen, nur viel weniger als bei den klassischen Verlagen. Nun könnte man einwenden, ja, da publizieren Autoren ein wenig, verdienen etwas Geld und wie bekannt sind sie?
Hugh Howey hat mit Wool eine Story geschreiben, die nie in Printform veröffentlicht wurde.Via Self Publishing wurde er bekannt, sein postapokalyptischer Sci Fi Thriller war lediglich auf das Kindle downloadbar. Nun wollen die Brüder Ridley und Tony Scott es mit der Produktionsfirma 20th Century Fox bis 2014 verfilmen.
Amerikas Shooting-Star Amanda Hocking verkaufte die Vampirgeschichten der My Blood Approves-Serie mehr als eine Million mal elektronisch, bevor sie 2011 bei einem konventionellen Verlag unter Vertrag genommen wurde. Ende 2011 wurde sie Mitglied im erlauchten Club der Kindle-Auflagenmillionäre. Allerdings nicht als erste Self-Publishing-Vertreterin – kurz vor ihr schaffte es bereits Thriller-Autor John Locke mit seinen Donovan-Creed-Krimis. Dieser wiederum ist nun zumindest in gedruckter Form bei Simon&Schuster gelandet.
Mehr dazu hier:

http://www.e-book-news.de/vom-kindle-store-nach-hollywood-ridley-scott-verfilmt-self-publishing-roman-%E2%80%9Ewool%E2%80%9C/

Und rührt die Aversion der konventionellen Verlage gege "das Netz" nicht auch daher, dass sie ihre Monopolstellung eingebüßt haben, dass sie für den Erfolg eines Schriftstellers nicht mehr zwingend erforderlich sind? Dass sie, offen gesagt, verstaubt wirken angesichts der Möglichkeiten, die das Internet heute Autoren bietet, schneller und effektiver zu publizieren. Und was die künstlerische Qualität betrifft, freiberufliche Lektoren finden sich bei Twitter und Facebook ebenfalls, die ein Werk unter die Lupe nehmen und ihm den letzten Feinschliff verpassen.

Noch einmal, es geht im Kern nicht um das Urheberrecht an sich, das immer beim Erschaffer kreativer Werke verbleibt. Es geht um neue Vertriebswege, um neue Möglichkeiten des Publizierens und damit um Einnahmequellen, die den konventionellen Verlagen verloren gehen. Die angemessene Bezahlung kreativ Schaffender muss bei aller Freiheit des Netzes weiterhin sicher gestellt werden. Und hier lohnt sich eine Diskussion, die sachlich und konstruktiv zu neuen Varianten führen muss.
Und dass Literaturinteressierte, die politisch den Piraten nahestehen, vielleicht eher Literatur auf ihr I-Pad downloaden, wo sie sowieso täglich Stunden im Internet verbringen, macht nur einen verschwindend geringen Teil des Konfliktes aus, der hier ausgetragen wird.
Und der um so schneller gelöst wird, je schneller die Verlage und die sie stützenden Autoren das Internet nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung sehen.

zuerst veröffentlicht unter mann -im-netz.blogspot.com

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

rolf netzmann

life is illusion, adventure, challenge...but not a dream

rolf netzmann

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden