Werbung in eigener Sache, im übergeordneten Sinn und aus fremder Feder
"„Eigentlich ist bereits alles gesagt - nur nicht von jedem“. Karl Valentin hatte Recht, zumindest hat er heutzutage Recht, wenn man sich die unübersehbar vielen Vorschläge betrachtet, die auf die bitternötige, längst überfällige Reform der Schule zielen. Eltern klagen übers Schulsystem und die Lehrer, die Lehrer über die Eltern und die Schüler und die Schüler über annähernd alles. Aber auch die Verbandsvertreter der Industrie und neuerdings sogar die des Handwerks halten das, was in der Schule gegenwärtig vor sich geht, für altmodisch, realitätsfremd und dringend reformbedürftig. Aber an den parteipolitisch - ideologischen Einigelungen und an einem Föderalismus, der in der Schulpolitik seine beliebteste Spielwiese gefunden hat, prallen alle noch so intelligenten und sinnvollen Reformvorschläge ab. Man muss befürchten, dass das auch das Schicksal für Michael Millers kluge, fundierte und vernünftige Überlegungen gelten wird, die er in seiner amüsant geschriebenen Abhandlung zum „Lob der pädagogischen gastronomischen Vernunft“, vorgelegt hat. Gegen die heutzutage in Mode gekommene paradoxe Kombination von neoliberaler Freiheitsrhetorik und kaum mehr zu überbietenden Kontrolldichte, ist kaum anzukommen.
Da hetzt sich der engagierte bildungspolitische Hase die Zunge aus dem Hals, während die 16 Igel, einer pro Bundesland, darin einig sind, all noch so guten und sinnvollen Reformvorschläge mit dem Argument zu kontern, dass man all das bereits längst mache. Pustekuchen, nichts wird gemacht. Mit ein paar mickrigen Modellversuchen versucht man den Eindruck zu erwecken, die Reform wäre in vollem Gange. Doch die punktuellen Reförmchen haben den einzigen Zweck, dem rasenden Stillstand noch mehr Tempo zu verleihen. So wie der Naturschutzpark die Natur nicht rettet, sondern nur das Gewissen beruhigt, so rettet auch der Modellversuch letztlich nicht die Schule. Zumindest nicht die, die wir gegenwärtig haben. Mit dieser Hoffnung müssen wir leben, was anderes haben wir derzeit nicht. Und wenn Du glaubst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her. Und das ist das zu besprechende Buch von Michael Miller.
Miller, promovierter Pädagoge, ehemals Lehrer, zuweilen sogar gutachterlich für die Kultusbürokratie tätig, „daneben“ noch Vater von 5 Kindern, Schulkindern, hat sich vor einiger Zeit dazu entschlossen, in Frankfurt eine Kneipe aufzumachen und sein spürbar großes pädagogisches Engagement nicht mehr in der schule, sondern vor und hinter dem Tresen einzusetzen. Man muss ihn, hat man sein Buch gelesen, dafür nicht nur bewundern, sondern auch beneiden. Endlich mal einer, der die Wirtschaftspädagogik, das Fach seiner Promotion, wörtlich genommen hat. Seine intelligenten Vorschläge für einen Masterplan „Bildung bis 2016“ hat er in unzähligen Kneipengesprächen mit seinen Gästen geerdet. Das, was er schreibt und vorschlägt, sind also nicht irgendwelche Spinnereien eines realitätsenthobenen Schreibtischtäters, das sind konsequente und intelligente Schlüsse aus den vielen Anregungen und Unterhaltungen, die er in seine Cafe mit Schülern, Lehrern, Eltern und weiteren mehr oder weniger Betroffenen und Interessierten geführt hat. Dass er sich dabei auf die alte römische und von Hegel zitierte Weisheit verlassen hat, dass man im Wein die Wahrheit finden würde, (auf dem Etikett hingegen das Gegenteil), verleiht seinen Überlegungen eine äußerst sympathische Form der Leichtigkeit.
Millers Buch muss man selbst lesen.
Es macht wenig Sinn, in einer Buchbesprechung, wie dieser, einzelne seiner Vorschläge herauszugreifen um sie kritisch zu analysieren und zu diskutieren. Dazu greifen sie viel zu sehr ineinander, ergänzen sich und bilden ein Ganzes, ohne den Anspruch geltend zu machen, abgeschlossen und abgerundet oder gar perfekt zu sein.
„Alle reden von Schule – Was ist zu tun? Ansichten eines Kneipenbesitzers“, so der Untertitel seiner pädagogisch-gastronomischen Vernunft. Das klingt nach Kneipengeschwätz und Stammtischgeplauder. Genau das sind Millers Ausführungen aber nicht. Zuweilen hat man den Eindruck, Miller bemühe sich, an diejenigen Zeiten anzuknüpfen, in denen die gesellschaftlichen Umstürze noch in den Hinterzimmer von Kneipen geplant wurden. Warum eigentlich nicht?
Mir hat das, was Miller da schreibt, sehr gut gefallen und ich habe mich bei der Lektüre auch öfters mal amüsiert. Daher auch habe ich mir fest vorgenommen, bei meinem nächsten Aufenthalt in Frankfurt Millers Kulturcafe Odyssee auf einen Plausch vorbeizuschauen. Ich hab nämlich auch noch ein paar gute Ideen, was man aus der Schule so alles Vernünftige machen könnte, und einen guten Wein mag ich auch. Und dass man ihn dort bekommt, steht auch in Millers Buch. Also, nichts wie hin, das zumindest sagt mir meine noch etwas unterentwickelte pädagogisch-gastronomische Vernunft.
Und noch etwas: Das Buch wird laufend fortgeschrieben."
(Autor: Karlheinz Geißler, München)
Diese Buchbesprechung ist erschienen in der Zeitschrift UNIVERSITAS, Orientierung in der Wissenswelt, Juli 2009
Weitere Infos zum Buch des Bildungswirts / Michael Miller hier
Allgemein: www.bildungswirt.de
Karlheinz Geißler ist einer der bekanntesten Zeitforscher Europas. Näheres auf seiner Homepage timesandmore.com/
Kommentare 5
Mensch, Bildungswirt, nun mach es doch auch konsequent weiter. Du bist doch bestimmt im Amazon Partnerprogramm. Generier einen Link mit Bild und stell ihn hier ein. Dann sehen bestimmte Transusen von derFreitag mal wie Werbung zielgerecht geschaltet wird. Die muss man ja regelrecht zum Saufen tragen ;)
Danke für den Tipp. Dennoch: Zum Saufen trage ich niemand. Ich lade, nach Lust und Laune, zum politischen Gespräch ein. Dabei sollte der Hals nicht all zu trocken bleiben.
Konsequent heißt es im Epilog meines Buches: "Als Kneipenbesitzer und diskussionsfreudiger Mensch schließe ich mich zum Abschluss der weisen Meinung Jean Pauls an: "Was alles Böses gegen das Bier bei Philosophen gesagt wird, gilt nicht bei mir.""
Inzwischen sorgt mein Geschäftspartner Michael Kubala, dass der Laden läuft. Ich reduziere mich operativ auf Notfeuerwehraufgaben, verfolge genügend andere Projekte.
Gern mal auf die alte Homepage schauen (für eine neue fehlt der Elan), auf der Startseite mit der Maus über den roten Mund fahren und anschließend den kleinen Flashfilm anschauen.
www.odyssee-frankfurt.de
Komm doch einfach mal nach Frankfurt.
Gruß BW
PS. Das bildungspolitische Geblubber der Parteien geht einfach weiter - deshalb: Lob der pädagogisch-gastronomischen Venunft.
Ein Streitgespräch im FREITAG mit sog. bildungspolitischen Sprechern aus den Landtagen gegen den Bildungswirt wäre mal ne Hausnummer.
Die Diskutanten stimmen zu, dass das Video bei You tube eingestellt wird.
Hallo Bildungswirt,
danke für die Einladung.
Für dich hab ich extra noch zwei Musikstücke eingestellt :)
www.freitag.de/community/blogs/streifzug/gitarrenmusik
Danke. Der alten Garde ist immer noch zwischen durch erfrischend zuzuhören. Und Sandborn 1984 war für Pop/Rock/Blues eine echte Bereicherung.
2009: Der Frankfurter Saxophonist Gernot Dechert - "Yellow monda soul pool" - hat ein schönes Erstlingswerk im Blues/Funk-Bereich eingespielt. Live ist er noch besser.
Jazz: Neben den vielen jungen, sehr guten Nachwuchsleuten, ist für mich immer noch Bob Mintzer DER Saxophonist. Für die meisten Leute allerdings nur schwer nachvollziehbar.
Was ist dagegen die Dumpfbackenmusik in der Bildungspolitik?
pardon, leider keine Korrekturfunktion:
Soll heißen:
Yellow monday soul pool