Selbstbestimmung? Für die SPD keine Option

§219a Beim Schwangerschaftsabbruch und der dritten Option glänzt die SPD derzeit wieder mit Rückgratlosigkeit
Ausgabe 03/2019
„No uterus, no opinion“ – bei einer Mahnwache vor dem Berliner Justizministerium im Dezember fordern Demonstranten die Abschaffung des Paragraphen 219a
„No uterus, no opinion“ – bei einer Mahnwache vor dem Berliner Justizministerium im Dezember fordern Demonstranten die Abschaffung des Paragraphen 219a

Foto: Imago/Snapshot

In der letzten Sitzung des Jahres 2018 hat der Bundestag zwei Entscheidungen getroffen, die uns in diesem Jahr Ärger machen werden. Eine zum Schwangerschaftsabbruch-Paragrafen 219a und eine zur sogenannten dritten Option. Auf den ersten Blick wirken beide ganz gut, dann folgt das große Aber. Ja, es gibt weiter ein straffreies Angebot zum Schwangerschaftsabbruch. Ja, es gibt neuerdings einen dritten Geschlechtseintrag. Aber der Zugang zu beidem wird nach Kräften erschwert. Menschen, die eine Schwangerschaft abbrechen wollen, dürfen sich darüber nicht von ihren Ärztinnen informieren lassen – das wäre ja Werbung! Menschen, die ihren Geschlechtseintrag ändern lassen wollen, dürfen das nicht selbst entscheiden – wo kämen wir denn da hin?

Wer eine Abtreibung vornehmen lassen will, muss sich einer Zwangsberatung unterziehen. Wer die dritte Option in Anspruch nehmen oder auch nur zwischen den anderen beiden wechseln will, muss sich einer diskriminierenden und oft retraumatisierenden Zwangsuntersuchung unterziehen. Über ihren Geschlechtseintrag sollen nicht die Menschen selbst entscheiden, sondern Medizinerinnen oder Psychiater. Der Effekt: Es gibt offiziell drei Geschlechter (von denen das dritte – divers – viele umfasst). Nur werden viele Menschen auf die Korrektur des Eintrags verzichten, weil die Anforderungen dafür nicht mit ihrer Würde vereinbar sind.

Der neue Geschlechtseintrag, geschaffen um eine bestehende Diskriminierung abzuschaffen, ist selbst diskriminierend. Beide Gesetze werden uns 2019 beschäftigen, weil die Bundesregierung das sogenannte Transsexualitätsgesetz ändern will und weil weitere Gerichtsverfahren gegen Ärztinnen anstehen, die über Schwangerschaftsabbrüche informieren. Zu beiden Gesetzen hatte die SPD mal bessere Vorschläge unterbreitet. Dann aber tat sie, was sie am besten kann: Früher wurde es Verrat genannt, später verwässern und aktuell einfach verschwinden. Beim Paragrafen 219a dürfte sie von der CDU/CSU Gegenwind bekommen haben. Aber beim Geschlechtseintrag? Viele Christdemokraten wussten bis zum Schluss nicht einmal, worum es dabei geht. Im Ergebnis folgen beide Gesetze dem gleichen Grundsatz: Für staatliche Kontrolle und Bevormundung, gegen reproduktive und geschlechtliche Selbstbestimmung.

Bini Adamczak ist Autorin in Berlin. Zuletzt erschien ihr Buch Beziehungsweise Revolution im Suhrkamp Verlag

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