Als Sigmar Gabriel am Wochenende sein Banken-Positionspapier lancierte, ähnelte das ein wenig dem Wetteifern der Medien, wenn ein Großereignis ansteht und jeder der erste sein will, der es aufgreift. Manche Jahrestage tauchen deshalb schon Wochen oder Monate vorher in Zeitschriften und Zeitungen auf.
In diesem Fall wollte die SPD die erste Partei sein, die sich im Vorfeld des Wahlkampfs für die Bundestagswahl 2013 das Rennerthema sichert: die Exzesse der Banken. „Die Bundestagswahl 2013 muss zu einer Entscheidung über die Bändigung des Banken- und Finanzsektors werden“, schreibt Gabriel in dem Positionspapier.
Anfang Juli war bereits eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bekannt geworden, wonach eine Finanztransaktionssteuer mit 11,2 Milliarden Euro viel höhere Einnahmen brächte, als bisher gedacht. Auftraggeber war die SPD. Mit dem Positionspapier legt Gabriel jetzt nach.
Eine Minderheit an Bankmanagern schade ganzen Volkswirtschaften, Staaten würden „erpresst“, Politik „diktiert“ und Kunden „abgezockt“, heißt es in dem Text. Stattdessen sollten sich Banken wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, mehr Eigenkapital anlagern und auch Pleite gehen dürfen, „ohne dass ganze Volkswirtschaften zusammenbrechen“. Gabriel fordert ein europäisches Bankeninsolvenzrecht, einen Rettungsschirm, der von den großen Banken selbst getragen wird, und eine stärkere Regulierung.
Das Kalkül: Erstens soll die Regierung als Bremser in Sachen Bankenregulierung dargestellt werden, wenn nicht als Anwalt der Spekulanten. „Lüge“, „Frechheit“ und „Betrug“ lohnten sich derzeit mehr als Leistung. Das zeige auch der Kauf des Energieversorgers EnBW „durch CDU-Politik“, schreibt Gabriel. Noch 2009 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Wahlkampf selbst gegen Auswüchse der Finanzmärkte gewettert.
Lieber langweilig
Zweitens will die SPD der Linkspartei das Thema Bankenschelte abluchsen, was bisher eher das Metier etwa der Vizefraktionschefin der Linken Sahra Wagenknecht gewesen war. Manche ihrer Äußerungen finden sich nun fast wortgleich in Gabriels Positionspapier. Die SPD will so eigene Anhänger mobilisieren und die der Linken abspenstig machen. Das hat sie bereits mit dem Thema „Mindestlohn“ getan (das derzeit wiederum von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen besetzt wird).
Die frühe Phase der Themenplatzierung deutet auf einen Testballon: Der soll zeigen, ob die Partei mit dem Thema durchkommt, wenn es ernst wird.
Der Widerstand blieb denn auch nicht aus: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannte den Vorstoß „billigen Populismus“. Gegen die Exzesse des Bankensektors sei die Regierung schon vorgegangen, sagte er. Viel passiert ist allerdings noch nicht, abgesehen davon, dass das Kabinett beschlossen hat, einen Antrag auf Einführung der Transaktionssteuer bei der EU-Kommission einzureichen.
Linken-Chef Bernd Riexinger sprach von „politischer Schizophrenie“. Und spielt damit auf die Rolle der SPD als Regierungspartei unter Kanzler Gerhard Schröder an, als die Finanzmärkte dereguliert wurden. Auch kritisiert er, dass die SPD-Fraktion im Bundestag den Rettungsschirmen zugestimmt habe. Riexinger muss nun befürchten, dass seiner Partei das Thema abhandenkommt.
Einen Satz in dem Papier können aller Kritik zum Trotz wohl alle Parteien unterschreiben: „Banken müssen wieder langweilig werden.“
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