Demos und Demo

Der Anfang ist gemacht Was sich am Wochenende als erfreulich zahlreiche Empörung gezeigt hat, ist aber noch keine Antwort auf den Rechtsruck

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Sonntag. 100.000 in München, 70.000 in Köln ... in allen Städten treibt der Kampf gegen rechts und für eine offene Gesellschaft Hunderttausende auf die Straßen. Tausende auch in Jena, Halle, Erfurt und Leipzig, angeblich die größten Kundgebungen seit der Wende. Bin sehr froh und erleichtert darüber. In letzter Zeit quält mich oft so ein depri Zukunftskopfkino, was die Stabilität unserer Demokratie und unsere individuellen Freiheiten angeht.

In Russland verschwinden über Nacht Menschen, in Saudi Arabien und im Iran werden Straftäter*innen und Religionskritiker*innen öffentlich verprügelt und hingerichtet, in China werden Menschen wg. Fehlverhaltens sanktioniert oder direkt kaltgestellt. Ich will nichts davon. Niemand will das. Dass in HH und München wegen der überbordenden Menschenmassen die Anti-Faschismus-Veranstaltungen aus Sicherheitsgründen sogar abgebrochen werden müssen, ist ein gutes Zeichen. Ein noch besseres, dass man trotz der Ausmaße der Proteste nichts von Tumulten und gewalttätigen Übergriffen hört, das ist wie ein Wunder.

Leider auch wahr: Namhafte Spitzenpolitiker*innen hängen sich jetzt an die Demos und sind vor lauter Begeisterung ganz aus dem Häuschen, dass andere ihre Arbeit erledigen. Sie nutzen die Proteste als Wahlkampf, anstatt dem rechten Aufschwung durch bessere Politik Paroli zu bieten. Sie überspielen damit, dass sie selbst zu dem Rechtsruck beigetragen haben. Kampf gegen rechts muss auch bedeuten: Kampf gegen den importierten arabischen und türkischen Rechtsextremismus und Rassismus, gegen den implementierten Hass auf westliche Demokratien, gegen antidemokratische, antipluralistische Machismen gegenüber Minderheiten.

Am Samstag gab es in Berlin noch eine Demo: gegen die aktuelle deutsche Rüstungspolitik (z.B. Kampfjets nach Saudi-Arabien). Auch sie ist gegen rechts. Aufgerufen haben u.a. Sahra Wagenknecht, die Linke und die Gewerkschaften. Unter dem Motto "Nein zu Kriegen - Rüstungswahnsinn stoppen - Zukunft friedlich und gerecht gestalten" ziehen Zehntausende durch Berlins Regierungsviertel. Ihre Motivation und ihre Ausrichtung sind konkret, keine Politiker*innen ruhen sich darauf aus: Die Botschaft dieser Demo ist pazifistisch.

Es ist eine Friedensdemo.
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Geschrieben von

C. Juliane Vieregge

Autorin, Bloggerin. Am 13. März 2019 ist ihr neues erzählendes Sachbuch "Lass uns über den Tod reden" im Ch. Links Verlag, Berlin, erschienen.

C. Juliane Vieregge

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