Der Fall Collini

Kino für Herz und Hirn Wer sich fortbilden, gleichzeitig gut unterhalten und großartige Schauspieler*innen genießen möchte, sollte sich den Fall Collini nicht entgehen lassen.

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"Der Fall Collini" ist ein Film, den man sich ansehen sollte, ohne vorher die Rezensionen zu lesen – was besonders für die maulige Kritik einer großen Frankfurter Zeitung gilt.

Der Gewinn ist ein ergreifendes Kinoerlebnis, das nachhaltig wirkt und vielleicht sogar zu eigenen Recherchen anregt. Im Kino darf geweint werden – an dem Grad der Ergriffenheit des Publikums wurde bei den antiken Dichter- und Tragödienwettkämpfen zu Athen die Qualität eines Bühnenstückes gemessen, galt doch die seelische und moralische Reinigung als eigentlicher Sinn und Zweck der frühen Theaterkunst.

Die Story selbst – nach dem gleichnamigen Buch von Ferdinand von Schirach – ist schon spannend genug. Mindestens ebenso überzeugend aber sind die Schauspieler, was für Kineasten ja nicht gerade unerheblich ist.

Franco Nero in der Rolle des Fabrizio Collini ist für mich eine echte Sensation. Sein versteinertes Gesicht, sein abgründiger Blick aus den berühmtesten Italo-Western-Stahlaugen der Welt - sorry, Henry! - sind dazu geeignet, die Zuschauerin zum Weinen zu bringen, lassen sich dahinter doch die ganze Tragik eines versauten Lebens, aber auch Stärke und Menschenwürde erahnen. Der Plot: Eine über Jahrzehnte phantasierte Racheaktion darf endlich konkret werden – mehr sei an der Stelle nicht verraten.

Neros Gesicht ist bewegte Unbeweglichkeit – es ist vor allem seine minimalistische Spielkunst, die den Film trägt. Dagegen hat Elyas M’Barek eine eher undankbare Rolle, da er als Anwalt und Pflichtverteidiger Collinis kaum private Seiten von sich zeigen darf. Ganz anders Heiner Lauterbach, der in der Antagonistenrolle des arrogant-erfolgreichen Star-Juristen (mein Haus, mein Boot, meine Frau) glänzt und einmal mehr beweisen darf, dass er ein richtig guter Schauspieler ist.

Der Kritiker der großen Frankfurter Zeitung Bert Rebhandl beklagt, dass Elyas M’Barek, nachdem er schon das System Schule auf den Kopf gestellt habe (gemeint ist: in seiner Rolle als Fack ju Göhte-Fake-Lehrer) nun auch noch „das Gerechtigkeitswesen in Deutschland auf Vordermann“ bringe. Kann es sein, dass Rebhandl M’Barek mit seiner Rolle verwechselt?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

C. Juliane Vieregge

Autorin, Bloggerin. Am 13. März 2019 ist ihr neues erzählendes Sachbuch "Lass uns über den Tod reden" im Ch. Links Verlag, Berlin, erschienen.

C. Juliane Vieregge

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