Kapitaler Fehler

Trend Das Engagement von Unternehmen für zeitgenössische Kunst ist zweifelhaft. Und doch verkaufen sich die Museen klaglos an das Kapital
Ausgabe 44/2014
Im Inneren der Fondation Louis Vuitton von Frank Gehry
Im Inneren der Fondation Louis Vuitton von Frank Gehry

Foto: Bertrand Guay / Getty Images

„Endlich ist es geschafft“, kommentierte Direktorin Susanne Gaensheimer kürzlich einen geglückten Deal: Rund 2.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche kann ihr Haus, das Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt am Main, im Wolkenkratzer Taunusturm zwischen Bahnhofs- und Bankenviertel nun 15 Jahre lang miet- und nebenkostenfrei nutzen. Ende Oktober wurde die Dependance MMK2 im zweiten Stock des Bürohochhauses eröffnet. Gaensheimers Vertrags-partner sind die Commerz Real AG – eine hundertprozentige Tochter der Commerzbank – und der amerikanische Immobiliengigant Tishman Speyer. Mehr Platz für die Kunst gegen ... ja, gegen was eigentlich?

Kulturschaffende, die Verträge mit privatwirtschaftlichen Unternehmen eingehen, betonen immer wieder, es gebe keine inhaltliche Mitsprache seitens der Geldgeber. Nur unter dieser Voraussetzung könne eine solche Kooperation funktionieren. Sie verschweigen, dass es einer direkten Einmischung gar nicht bedarf. Zeitgenössische Kunst stellt sich durch eine solche Allianz freiwillig in den Dienst von Unternehmen und wird zur Corporate Art. „Corporate Art“, so erläutert es eine Kunstberatungsagentur auf ihrer Internetseite, „ist die Visualisierung von Unternehmenswerten durch Kunst.“

Gründe für das Engagement im Kunstbereich gibt es von der Aufwertung einer Immobilie bis zum Imagegewinn bekanntlich genug. Auch die Leihgaben der Bank an Museumswänden lassen sich im eigenen Haus vergolden. Mit selbstlosem Mäzenatentum hat das wenig zu tun. Und sollten im Taunusturm demnächst Werke von Kapitalismuskritikern wie Joseph Beuys oder Santiago Sierra ausgestellt werden – beide sind in der Sammlung des MMK vertreten –, so fungierten auch sie als Marketinginstrument einer Bank. Je subversiver die Kunst, umso besser fürs Geschäft. Denn schließlich atmet der Besucher ihren Geist dann unfreiwillig unter dem Dach eines Unternehmens, dessen Logo sich gleichzeitig ins Bewusstsein schleicht.

Das MMK2 ist nur ein besonders plastisches Beispiel dafür, wie weit die Zusammenarbeit von Staat und Privatwirtschaft bei der Museumsarbeit gediehen ist. Auch in Frankreich lässt sich das dieser Tage schön beobachten. Hier wurde vergangenen Montag die über 100 Millionen Euro teure Fondation Louis Vuitton eröffnet – und zwar von Frankreichs Staatspräsident François Hollande, der sich über dieses neue, privat finanzierte Pariser Highlight freut.

Der spektakuläre Bau von Frank Gehry wird die Kunstsammlung des französischen Milliardärs Bernard Arnault beherbergen. Arnault ist Chef des französischen Luxushauses LVMH, zu dem die Marke Louis Vuitton gehört. Gebaut auf öffentlichem Grund mit privaten Mitteln, soll das Museum in 50 Jahren in den Besitz der Stadt übergehen. Der Standort war jedoch nicht unumstritten, denn im Pariser Stadtpark Bois de Boulogne darf offiziell nur einstöckig gebaut werden. Gerichtliche Klagen von Anwohnern scheiterten trotz 50 Metern Bauhöhe.

„Die Angst vor der Abhängigkeit halte ich für naiv“, sagte Susanne Gaensheimer neulich in einem 3Sat-Interview. Die sei schließlich auch bei rein staatlicher Förderung gegeben, Besucherzahlen beispielsweise interessierten Politiker sehr. Aber darf man den gemeinnützigen Museumsraum deshalb klaglos kommerziellen Zwecken opfern? Die Diskussion über die Konsequenzen muss offen geführt werden. Und laut!

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Geschrieben von

Cara Wuchold

Kulturjournalistin

Cara Wuchold

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