Bitte nicht das gesunde Volksempfinden!
Jürgen Trittin, erhält für dreißig Jahre zurückliegende Thesenpapiere zu Strafrechtsparagraphen öffentliche Prügel, die er mit unterschrieben und verantwortlich vertreten hat. Seine moralische und politische Integrität wird massiv in Zweifel gezogen.
Ein Teil der Presse, jener der weniger an Sachlichkeit, dafür aber mehr an Sächelchen Gefallen findet und längst nicht nur bei der BILD-Zeitung herumsitzt, mag dem Spitzenpolitiker der Grünen nicht vergeben, auch wenn der, wie seine Partei, schon 1989 die falsche Position längst revidiert hatte. Trittin ist zurecht zerknirscht, bekennt offen seinen Fehler, so spät die Selbstaufklärung betrieben zu haben, die es in anderen Parteien und zu ganz anderen Dimensionen an Verleugnung und Irrtümern, erst gar nicht gibt.
Es nutzt den Grünen weder ihr Mut, noch ihre Offenheit, in einer Gesellschaft, die derzeit auf Oberflächlichkeit unbedingt besteht. Es nutzen auch die lobenden Worte jener, die auf Geheiß der Partei aufklären und die des zuständigen Bundesbeauftragten nichts.
Bürger, die ihre Wahlentscheidung entlang von möglichst einfachen Sprachstilen und Gesten, entlang der Sprachgeschwindigkeit und der Zahl der Fremdworte letztlich fällen, haben da einen großen Teil der Presse an ihrer Seite, die dazu die Stichworte und die Pseudo-Events beisteuert, aber nicht einmal nachliest, warum damals, so massiv und auch überzogen gegen die entsprechenden StGB-Paragraphen vorgegangen wurde.
1981 tobte in diesem Land ein Kampf für die Entkriminalisierung in ehe- und familienrechtlichen Fragen. Die Auflösung der Strafwürdigkeit homosexuellen Partnerschaften, die Entkriminalisierung der alltäglich gelebten Sexualität, die unter Menschen nun einmal Fakt ist, war keineswegs gesichert. Es ging um die Aberkennung der Homosexualität als persönliche Besonderheit, die staatlich beaufsichtigt und rechtlich verfolgt werden müsse.
Die Fragen standen im Raume, ob das alles, was in den harten Paragraphen des StGB dazu stand, verfassungskonform ist, ob das in die offene und sich weiter öffnende Gesellschaft noch hinein passte.
1981 war der Gewinn an privater und öffentlicher Freiheit für eine andere sexuelle Orientierung immer noch gefährdet, weil nach den Paragraphen, die übrigens häufig auch noch ein bisschen strenger aussahen als heute, z.B. Homosexuelle zu deftigen Strafen verurteilt wurden, weil sie sich mit minderjährigen Strichern vergnügt hatten. Es bestand Einverständnis. Es floss häufig auch Geld, und diese ganze Szene war nicht das Geschrei wert, das damals von konservativer Seite um sie gemacht wurde. Als berüchtigte Städte galten, Düsseldorf, Hannover, Hamburg, München, Köln und Berlin.
Woran aber, kann man noch heute erkennen, worum es damals wirklich ging und was bis heute nicht ausreichend neu gefasst und verbessert wurde? Wo bestünde dringlich Reformbedarf, obwohl wir nun schon weit im 21. Jahrhundert leben? - Es bietet sich an, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und nun erneut die vielen, elendig geifernden und wütenden Diskussionsbeiträge um den Paragraphen 176 StGB aufzunehmen.
Längst, -seit Ende der 80er Jahre-, herrscht ein großer Konsens, dass sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen bis zum 14. Lebensjahr, sowie Sex mit Schutzbefohlenen, strafrechtlich verfolgt wird. - Auch einem geistig behinderten Erwachsenen geschieht Leid, wenn er sexuell missbraucht wird. Das geschieht selten, aber regelmäßig, weil wir Menschen sind, z.B. in einer der zahlreichen Einrichtungen, in denen Gesunde und vorgeblich Normale, daher Mächtige, eine Leitungs- und Führungsrolle für Kranke oder anders Begabte übernehmen müssen. Es geschieht in Familien, selten, aber ebenso regelmäßig, als Abhängigkeitsdrama in der klaren Rollen- und Machtverteilung dieser sozialen Urgruppe.
Inzest- Knastdrohung für Liebende ( Das ist §173, Beischlaf zwischen Verwandten)
Besser eignet sich ein Blick auf den aktuellen Paragraphen 173 StGB. Das ist ebenfalls einer, der schon damals, 1981, in vielen Flugblättern und in den Programmen der Grünen eine Rolle spielte.
Da geht es um die strafrechtliche Beurteilung von Inzest. Auch in der heute gültigen Fassung wirkt dieser Paragraph wie ein Relikt aus der Steinzeit und seine Anwendung erzeugt fast nur Fälle, in denen mit den Mitteln der Justiz, Leid über Menschen gebracht wird, die sich selbst untereinander kein Leid zufügen wollen und schon gar nicht beabsichtigen die Gesellschaft zu schädigen, sondern sich nur lieben. - Alles, was in solchen Beziehungen, wie in den heute legalen Formen auch, nicht nur schlecht, sondern gar kriminell ist, kann längst nach anderen Strafgesetzen beurteilt werden!
Er ist einfach ein sehr dumm gefasster Paragraph, dieser 173er. Er hält sich wohl deswegen eisern. Sicher stürzte er mehr Menschen mit dem Stigma der Kriminalität versehen oder bedroht, ins Unglück, als er je etwas zum Erhalt der Gesellschaft beitrug. Die Strafverfolgung kommt fast immer durch Fremdanzeigen zustande und es bestehen gar keine Zweifel, dass bei der übergroßen Mehrzahl der damit Beschuldigten und Verurteilten, Gewalt, Missbrauch oder Ausnutzung keine Rolle spielt.
Für den Beischlaf mit einem leiblichen Abkömmling gibt es bis zu 3 Jahren Haft oder eine Geldstrafe. - Man stelle sich vor: Beide Beteiligte, sofern sie volljährig sind, machen sich strafbar.
Wer mit Vater oder Mutter schläft, kann mit bis zu 2 Jahren Haft oder mit einer Geldstrafe auf den Pfad der Tugend gebracht werden. Für den Beischlaf von Geschwistern, hier ist die Strafdrohung und Verurteilung des Staates besonders rigide und zudem völlig realitätsblind, gibt es konsekutiv bis zu 2 Jahren Haft oder eine Geldstrafe.
Man stelle sich zudem vor, dass mit dem Urteil erwartet wird, die Liebespartner beendeten ihre Beziehung! - Das alles ist zwar juristisches Faktum und, im Namen des Volkes, der Wunsch des Staates, aber unter dem Gesichtspunkt von individueller Psychologie und Humanität durchaus fragwürdig. Das könnte doch mittlerweile deutlich mehr Wahlbürgern einleuchten, als noch 1981 oder gar 1968.
Noch einmal, es geht beim §173er StGB nicht um Missbrauch, Gewalt in der Beziehung, Abhängigkeit, z.B. durch Erpressung in einem Nähe- oder Abhängigkeitsverhältnis. - Allenfalls die Androhung Dritter, die Beziehung behördlich bekannt zu machen, könnte ein selbst wiederum strafwürdiges Drohpotenzial abgeben.
Sozialschädlich, gefährlich, unerträglich
Trotzdem hat das Bundesverfassungsgericht, 2008, gegen die Einzelmeinung des Richters Hassemer, die Rechtspraxis für verfassungsmäßig erklärt und dies u.a. folgendermaßen, zunächst mit Leitsätzen, dann mit einer ausführlichen Begründung, die ich hier weder fachlich noch wenigstens ausführlich genug vorbringen kann, aus der sogenannten „Rechtsgutlehre“ untermauert.
Ich zitiere aus den vorangestellten BVerfG- Leitlinien des Urteils, die man sich als Richtschnur für die eigentliche Urteilsbegründung vorstellen soll:
„Der Einzelne muss, soweit nicht in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung eingegriffen wird, staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots ergriffen werden“.
Gar nicht so leicht, dieses „überwiegende Interesse“ der Allgemeinheit, in den immer noch gültigen Strafnormen für den Inzest zu entdecken. Gar nicht so leicht, eine Schädigung der „grundgesetzlich geschützten Interessen Dritter“, aus dem Liebesverhältnis zweier Verwandter zu begründen, finde ich.
„Das Strafrecht wird als "ultima ratio" des Rechtsgüterschutzes eingesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist. Es ist aber grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, den Bereich strafbaren Handelns unter Berücksichtigung der jeweiligen Lage festzulegen. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich darüber zu wachen, dass die Strafvorschrift materiell in Einklang mit den Bestimmungen der Verfassung steht und den ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen sowie Grundentscheidungen des Grundgesetzes entspricht (vgl. BVerfGE 27, 18, 30; 96, 10, 25 f.). (Bearbeiter)“
Klarer geht es nicht. Die Einschätzung lautet immer noch „in besonderer Weise sozialschädlich“.
Einmal von der Wortwahl abgesehen, woran macht sich die besondere Art und Weise fest? Woran misst man hier besondere Sozialschädlichkeit? Wenn einer Bilanzen fälscht oder durch Betriebsentnahmen seine Firma schädigt, wenn einer Steuern hinterzieht, dann ist das eventuell "sozialschädlich" und die besondere Weise wird in langwierigen Prozessen oder aber in „Deals“ festgestellt, meist aber gar nicht erst verfolgt. Beim Inzest steht das, zumindest bis zum heutigen Tage, schon in Paragraphen gegossen, fest.
„Das Verbot des Beischlafs zwischen Geschwistern rechtfertigt sich in der Zusammenfassung nachvollziehbarer Strafzwecke vor dem Hintergrund einer kulturhistorisch begründeten, nach wie vor wirkkräftigen gesellschaftlichen Überzeugung von der Strafwürdigkeit des Inzestes. Als Instrument zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung, der Gesundheit der Bevölkerung und insbesondere der Familie erfüllt die Strafnorm - auch durch ihre Ausstrahlungswirkungen über den tatbestandlich eng umgrenzten strafbewehrten Bereich hinaus - eine appellative, normstabilisierende und damit generalpräventive Funktion, die die Wertsetzungen des Gesetzgebers verdeutlicht und damit zu ihrem Erhalt beiträgt. (Bearbeiter)“.
„Das Bundesverfassungsgericht kann nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden und dem Gesetzgeber entgegentreten, wenn für eine von ihm getroffene Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe schlechterdings nicht mehr erkennbar sind (vgl. BVerfGE 50, 142, 162 m.w.N., 166). So kann eine strafrechtliche Norm grundsätzlich nicht deshalb als verfassungswidrig angesehen werden, weil bestimmte besonders gelagerte Sachverhalte, die einen entsprechenden Unrechtsgehalt aufweisen, von ihr nicht erfasst werden (vgl. bereitsBVerfGE 50, 142,166). (Bearbeiter)“
In diesen Leitsätzen tritt zu Tage, mit welchem Schwurbel geurteilt werden muss und warum es Jahrzehnte braucht, in diesen Dingen einen politischen Reformfortschritt zu erzielen. Nebenbefund: Juristen haben das Geschäft immer im Griff, selbst wenn ihnen die Realität entgleitet. Ein gewisser „Unrechtsgehalt“ muss, geht es um solche kolossalen Grundlagen des Gemeinwesens, akzeptiert werden, so der Tenor des Bundesverfassungsgerichts.
Fazit
Ich hoffe, es ist klar geworden, dass über die strafgesetzlichen Paragraphen, die die Partnerschaften und Beziehungen betreffen, nicht nur erneut und viel mehr in der Gesellschaft diskutiert werden müsste, so wie 1981, sondern, dass es dazu auch Mut braucht, solche Themen in der Smoothie-Trinkernation am Spreebogen und Prenzlberg, die nur hintenrum und unentdeckt gerne und mit Lust eine wenig brutal wird, anzugehen. Dabei ist der Irrtum nie ausgeschlossen.
Jürgen Trittin war damals in einer Sache im Unrecht, aber er nahm wenigstens an einer notwendigen Debatte teil und bewegte sich nicht in der gähnenden geistigen Leere und im allgemeinen Zynismus der Art von Mehrheit, die man heute, wie einst, die „Silent majority“ nennen kann.
Christoph Leusch
Wer sehr viel mehr lesen mag, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, von der auch sonst höchst nützlichen Seite, hrr-Strafrecht.de:
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/bverfg/07/2-bvr-392-07-1.php
Kommentare 31
Schon mal in Erwägung gezogen, dass das Gesetz unter sozialschädlich auch die medizinischen und genetischen Risiken verstehen könnte?
Ei, klar! Wären wir alle (viele) zu den Verwandten hingezogen, dann wäre es riskant. Aber heute und da wo die Liebe einschlägt?
Beste Grüße
Christoph Leusch
Den Blog mit dem Schlagwort "Liebe & Strafgesetz " mit der Legalisierung von Kindesmissbrauch zu eröffnen ist schon ein ziemlicher Lapsus, soferns einer war.
Ich denke nicht, dass alle Menschen, die Verantwortlichkeit auch in dem was man vertritt, für wichtig halten, zum einen unwissend über die Gründungszeit der Grünen sind und daneben auch noch zu doof längere Sätze zu lesen, wie der Blog unterstellt.
Was den Inzestparagraphen und Ihr Unverständnis über die richterliche Begründung angeht: Es wird normiert, der gesellschaftliche Konsens ist nicht so, dass Familiengründungen zwischen Verwandten als Normalfall akzeptiert würden. Das ist korrekt. Gleichzeitig wird damit gesagt, dass der § sehr wohl zumindest teilweise dem gesellschaftlichen Konsens unterliegt. Heißt das kann sich ändern. Auch dem kann man nur zustimmen, dass beim Inzestverbot kein so hochrangiges Rechtsgut wie beispielsweise das Leben betroffen ist, das auch dann kaum durch eine gesellschaftliche Debatte zur Disposition stünde, wenn völlige Einigkeit herrschen würde (und sogar das hatte man schon bei der Abtreibung.)
Also die Richter eröffnen hier mehr als sie verschließen. Sie sagen, die Öffentlichkeit und ihre mangelnde Akzeptanz zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Rechtsgut, das durch den Paragraphen geschützt wird und sagen damit gleichzeitig, das muss aber nicht immer so bleiben. Das ist an sich nicht empörend, sondern zutreffender status quo.
Ich fands relativ unerträglich den Blog zu lesen. Man merkt deutlich, dass sie kein Jurist sind, und dann finde ich eine Betrachtung, die juristisch an die Frage herangeht, sehr schwierig.
Viele Grüße
Moin, lieber Columbus,
die fehlende Sachlichkeit in der Debatte ist schon immer ein Problem gewesen, es ist eben einfacher empört auf jemanden zu prügeln, dann muss man sich auch erst gar nicht mit der Materie befassen. Der 173er spielt da sicher ein Schattendasein, aber auch bei den Mißbrauchstatbeständen tut man sich bis heute schwer, die nötige Sachlichkeit und Differenzierung walten zu lassen. Letzlich ist dies aber nicht dem Wohle der Opfer dienlich, es schadet ihnen eher, weil einer falschen oder mangelhaften Analyse nur sehr selten und eher als Zufallsprodukt die richtige Lösung folgt. Exemplatisch hierfür die Vermengung der unterschiedlichen Arten des Mißbrauchs und die sinnlose Stopp-Schild-Aktion.
Beste Grüße
Grabert
Da fürchte ich, machen Sie es sich doch ein wenig zu einfach.
Eine Strafrechtsnorm, wie zum Beispiel auch der § 173 ist grundsätzlich allgemein formuliert, Einzelfälle kann man da schlecht jeden für sich berücksichtigen.
Letztlich aber steht, kommt es zur Anwendung der Norm grundsätzlich der Einzelfall im Fokus und nicht die allgemeine Moralvorstellung einer Gesellschaft.
Es kommt also beim Inzest nicht darauf an, ob es viele machen, sondern, ob im Einzelfall das Risiko einer Schädigung angenommen werden muss.
Beim Inzest zwischen Geschwistern zum Beispiel liegt das Risiko der Weitergabe bei einem von einem Elternteil vererbten Gendefekt, den in diesem Fall beide in sich tragen, bei ca 25 - 30%.
Wer will das Risiko bewußt legalisieren und ist bereit, dafür die Verantwortung zu übernehmen? Die, die Inzest begehn, denken mit Sicherheit gar nicht an so etwas, wenn die Liebe irgendwo hinfällt.
Na, ich musste doch mit den Paragraphen anheben, die damals, 1981, in den Thesenpapieren und Foren einen Rolle spielten. Bitte, machen Sie nicht auch noch den Fehler, den viele machen die dem Trittin die böse Art Vorwürfe machen, ich hätte jetzt dem sexuellen Missbrauch an Kindern das Wort geredet.
"Den Blog mit dem Schlagwort "Liebe & Strafgesetz " mit der Legalisierung von Kindesmissbrauch zu eröffnen..." - Genau das habe ich nicht getan.
Was nun Recht und Gesetz angeht: Überlassen wir die Diskussion den Juristen nur weil sie vom Fache sind, so, wie wir die Krankheit, meinetwegen ohne die Gesundheit und die Salutogenese, den Ärzten wohlanständig übergeben und die Literatur den Philologen und die Chemie der Giftgase den 10 wichtigsten Experten? - Nein, ich glaube, das ist ein eher schwaches Argument gegen das Blog und seine Inhalte.
Sollte ich Sie aber in ihrer Standes-Ehre als Juristin verletzt haben, so mag das sein, denn ich wollte auch ein wenig polemisch sein. Dafür Entschuldigung.
"Gleichzeitig wird damit gesagt, dass der § sehr wohl zumindest teilweise dem gesellschaftlichen Konsens unterliegt. Heißt das kann sich ändern.", ff
Genau ihrer Meinung: Es muss und kann sich ändern und das ist auch der Tenor meines Blogs. Aber das setzt erstens ein Problembewusstsein voraus, das nicht tabu ist, zweitens eine Debatte, die man auch so nennen kann.
Der 173er ist umstritten, er war schon 1981 ebenfalls in der Kritik und angesichts der heiklen Materie, sie spüren ja, wie sie selbst emotional reagieren, ich spüre es auch, ist es eben nötig mehr Toleranz in der Frage was und wie diskutiert wird, zuzulassen.
Was ist "relativ unerträglich" ?
Beste Grüße
Christoph Leusch
Lieber G.v.G.
Ja, wenn Sie schon wissen, welche schlimmen Gendefekte von den Eltern vererbt werden, wie halten Sie es dann mit ihrer eigenen Fortpflanzung, selbst wenn Sie nun nicht Verwandte lieben?
Gendefekte, von denen Sie aus der Verwandtschaft nichts wissen, sie nicht sehen, fühlen, feststellen, geben sie auch in ihrem Erbe weiter.
Es ist doch so, dass tatsächlich der Gesetzgeber und das höchste Gericht immer noch davon ausgehen, dass massenhaft Kinder aus inzestuösen Beziehungen entstehen und sich dann der Genpool veränderte. Kann das wirklich noch ein ernst gemeintes Argument sein? - Sie sehen, mit dem biologischen Argument kommen sie nicht viel weiter, ob wohl es natürlich in den BVerG-Leitlinien mitschwingt.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Ich bin kein Mediziner, aber das nun Gendefekte übertragen werden, weiß nun jedes Kind mittlerweile. kann man auch nicht ausschließen.
Was man ausschließen kann, ist eine wesentliche Erhöhung des Risikos der Vererbbarkeit und dieses wesentlich erhöhte Risiko besteht nun einmal bei inzestuösen Beziehungen.
Und da geht es nicht um die Masse, sondern es reicht das Bestehen des Risikos aus, ob es nun häufig auftritt oder seltener.
Ganz sicher soll man Wertedebatten nicht den Juristen überlassen, die verwalten die Werte nur. Wie gesagt ich finde es nur ausgesprochen schwierig, wenn als Nicht-Jurist anstatt mit Werten mit §§ und Urteilen hantiert wird. Hier zum Beispiel kommen Sie ja in Ihrer Antwort an mich zu dem gleichen Ergebnis, das in dem Urteil - überwiegend konkludent - enthalten war. In Ihrem Blog hört man aber vorwiegend Empörung über das Urteil.
Wir müssen das nicht vertiefen, ich habs gesagt, Sie habens zur Kenntnis genommen, mehr braucht es nicht ;-)
Das hat nichts mit Standesehre zu tun, da zieht sich nur physich etwas leicht schmerzhaft zusammen. Sie sind Mediziner, oder? Kennt man das da nicht, dass einem beim Lesen übers Fachgebiet leicht anders wird, weil jeder Satz so halb oder zwei Fünftel oder drei Achtel daneben ist? Ich wills irgendwie ausdrücken, ohne dass es verletzend ist, aber merk schon, dass das unter "versagt" laufen wird.
Also lassen wir auch das ^^ Jedenfalls war das der Grund für die Unerträglichkeit, neben der unglücklichen Kombi aus Schlagwort und Beginn. Der Leser denkt sich nunmal nicht, Herr Columbus meint es bestimmt nicht so, sondern er assoziiert und wenn unter "Liebe &.." Missbrauch kommt, ist das einfach unglücklich. Und doch eigentlich unnötig.
Ne ich hab thematisch keine Emotionen und finds völlig richtig, wenn Sie eine Wertedebatte eröffnen, das Thema wird total unausgegoren in der Gesellschaft behandelt bzw. totgeschwiegen. Das Unwohlsein lag nur an der Umsetzung.
Danke für die aufgeschlossene Reaktion! Und Grüße :-)
Ist angekommen und auch die Kritik. Ich muss sowieso dringend ´mal wieder was Schönes ins Blog schreiben und nerve mich selbst.
Das nächte ernsthafte Blog, nach dem Schönen, das ist dann vielleicht wieder präziser und mit mehr Hintergrund. Ich versuche dran zu denken. Knoten in die Bits.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Neeee, hallo, das war nicht der Aufruf sich doch bitte lieber ins Banale zu begeben. Ich hab ernst gemeint, dass das eine wichtige Debatte ist und in dem Urteil kommt ja genau auch raus, dass neben der "Volksgesundheit", die wie Sie sehr richtig sagen nur unbestimmt mitschwingt (bevor sich ein Gericht da festlegen würde, kommen die Mediziner zum Einsatz ^^) ein wichtiger Aspekt also betroffenes Rechtsgut der gesellschaftliche Konsens ist, also hier der Mangel an Konsens.
Das ist nicht banal, weil es darum geht, dass man keine Spaltung, Ausgrenzung usw. der Gesellschaft durch eine Legalisierung vorantreiben möchte. Also es geht um sowas wie das friedliche Zusammenleben... das Urteil hat mit im Blick, dass am Schluss nicht die Familien und die Kinder ausgegrenzt werden usw.
Also das Gericht traut der Gesellschaft diesen Schritt der friedlichen Koexistenz (noch) nicht zu, und ich würde ihm darin zustimmen.
Bei diesen Werten, die quasi, wie hier zumindest teilweise, für den gesellschaftlichen Konsens "freigegeben" werden, geht es nicht darum, dass die Gesellschaft sich einig ist, aber wie Sie auch anmahnen, braucht man mindestens ein Bewusstsein. Bei der Abtreibung kippte der Gesetzgeber - obwohl das geschützte Rechtsgut viel höher war, also das Leben des Ungeborenen - bei einer zwei Drittel Mehrheit pro Abtreibung. Da stand natürlich auch die Selbstbestimmung der Frau auf der anderen Seite der Waagschale bei der Interessenabwägung, aber dennoch, es war eine juristische Sensation, dass so ein hochrangiges Rechtsgut überhaupt durch gesellschaftliche Meinungsbildung beeinflussbar ist. Hat den Hardlinern natürlich nicht gefallen, die den door-opener-effekt fürchteten... ;-)
Jedenfalls sieht man daran, dass eine Debatte sehr viel bewirkt und dass bei dem Thema die Gerichte sicher nicht warten werden bis sich eine zwei Drittel-Mehrheit gebildet hat, sondern schon lang davor etwas ändern werden. Ich denke wenn Inzestbeziehungen zwar als exotisch aber natürlich angesehen werden, kippt das Gesetz. Dann hat das Selbstbestimmungsrecht mehr Gewicht.
Bleibt natürlich der medizinische Aspekt. Aber da müssen Sie was zu sagen. Wie ist der Stand der Dinge?
Tja, dieses Argument mit der Genetik, es hätte nur volksgesundheitlich Kraft und damit Macht, betrieben wir molekulargenetische Eugenik, die wir privat und still, bei denen die es sich leisten können und wollen, längst haben, nach den Grundsätzen der Verfassung aber nicht betreiben sollten.
So aber schwebt diese "Sozialschädlichkeit", ein Wort welches ja immer noch gebraucht wird, wie der Leitlinientext aus dem BVerfG-Urteil zeigt, über allem, weil offenbar viele Bürger, das Volk, noch ein "Bewusstsein", sollte ich nicht lieber sagen, Unterbewusstsein, hat.
Sie wissen doch, wie kläglich wissenschaftlich alle Fragen der humanen Erbbiologie scheitern, wenn es um die Gesellschaft und nicht um das Individuum geht.
Noch einmal deutlich: Aus ärztlicher oder biologischer Sicht kann nicht viel für die These beigebracht werden. Schon einmal gar nicht, wenn sich der biologische Horizont, so wie das derzeit der Fall ist, durch die Globalisierung hin zu einem weltweiten Einheitsgenpool der Menschheit, aufweitet und damit ja erst der entscheidende Vorteil von Sapiens sapiens richtig zum 'Tragen kommt.
Das Risiko für grobe Missbildungen oder eine der bekannten, häufig diagnostizierbaren, genetischen Defekt steigt durch Inzest nicht wesentlich an, solange das Verhalten selbst nicht ein Standard in recht homogenen Gruppen ist (Bei Cousinen und Cousinehen, die nicht nur weltweit verbreitet sind, sondern sogar in realativ kleinen sozialen Gruppen ethisch zulässig sind (Ashkenasim), kann ein Effekt beobachtet werden, der aber weder zu einer weniger erfolgreichen und glücklichen Sozialität führte, noch verhinderte, dass gerade solche Gruppen Gegenstrategien entwickeln, das Leid, das für seltene Stoffwechselkrankheiten und einige Leukämien tatsächlich bersteht, durch genetisches Screening zu minimieren.
Davon ist aber nicht auszugehen, weil viele soziale und psychologische Gründe meist entschieden gegen eine wenig spannende Beziehung mit einer Person sprechen, die man lange kennt, zu deren Familie man gehört und mit der man unter Umständen aufwächst.
Zu viele Eigenidentitätszüge in der geliebten Person erzeugen gar kein intimes Nähegefühl, das auch erotisch genährt werden kann. Ausnahmen bleiben Ausnahmen und es steht die Frage offen, ob wir die dann krininalisieren müssen.
Bleibt die Frage nach den Sitten und Gebräuchen. Da gilt dann die Frage, inwieweit den die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt, ein Verhalten im Binnen- und Intimverhältnis mit einem möglichen Strafrahmen zu belegen, obwohl für dieses Verhalten kein schwerwiegender Schaden an der Gesellschaft oder an Dritten nachgewiesen oder angenommen werden kann.
Ich las, dass die Kanzlerin Merkel vor ein paar Tagen in einer Fernsehshow zum Wahlkampf wohl meinte, sie könne das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare nicht vertreten und einführen, weil ihr das ein ungutes Gefühl vermittle. Sie werde nichts tun, sie warte auf Entscheidungen des EU-GH. Die Karlsruher haben in der Sache Inzest genau anders herum argumentiert und gesagt, der Gesetzgeber besitze einen Spielraum, auch Ungerechtigkeit gegenüber den intimsten Dingen zwischen Personen in ein Gesetz zu bringen, wenn dadurch sehr hohe andere Ziele verwirklicht würden.
Der Nachweis oder zumindest der Versuch, dies ausführlich am Beispiel des 173er zu begründen, unterblieb jedoch. Ich finde, man kann als aufgeklärter Bürger eine saubere Begründung für diesen Fall verlangen.
Ein wenig erinnert das an die Haltung der Regierung zum NSA-Skandal und dem Umgang der Öffentlicheit damit. Wir wissen alle, dass stimmt was Edward Snowden bekannt machte. NGOs in den Staaten hatten lange schon, seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, immer wieder Indizien zusammengetragen, aber die europäischen Regierungen, besonders die Deutsche, sagen da ist nichts, es ist alles in Ordnung.
Wir haben doch seit den Erfahrungen mit der braunen Ära und den Vorgängen in der Weimarer Republik, nach dem Kriege ein Verfassungsrecht, das sich nicht einfach dem Rechtspositivismus ergibt, der sagt, es werde jeweils ausgehandelt was Recht ist.
Das Prinzip der Freiheit und der absolute Schutz der persönlichen Intimität, er wird doch in dieser Form des §173 StGB hart angegangen, durch den vermeintlichen Volkswillen zur Strafe und Bestrafung für eine unübliche, aber nicht ungewöhnliche, intime Beziehung, die gar keinen Geschädigten kennt.
Daher ist doch auch der Leitlinienrahmen so schwammig und unsicher, so bombastisch. Er lässt Spielraum, aber eben einen, der es der großen Mehrheit erlaubt, mit dem Recht in die Intimität der persönlichen Beziehung einzugreifen.
Wohlgemerkt: Das Urteil des BVerfG wurde vom EUGH bestätigt.
Also, von richterlicher Seite gibt es keinen Anstoß etwas zu ändern, sondern es ist Aufgabe der Politik.
Hierum geht es mir: Die Grünen haben 1981 nicht aus Jux und Tollheit diesen sehr radikalen Parolen Raum gegeben. Einige Gesetze die vor allem in die intime Moral der Bürger eingriffen, sind später geändert worden. Derzeit hat eine Welle von Grundrechtsurteilen die Ehe und eheähnliche Partnerschaften gleichgestellt.
Heute bräuchten wir dringlich Menschen und Organisationen, die zumindest den Mut aufbringen zu diskutieren, statt sich der Mehrheit, die, wir wissen es doch, aus Unsicherheit, Angst und durchaus auch persönlichem Wohlgefühl, die Fortsetzung des Ewiggleichen vorstellt und erwählt, und dabei gerne einmal bei Minderheiten und Ausnahmen den Sitten- und Moralwächter spielt.
Also nur jene, die durchaus den Preis dafür zahlen, in einer zunehmend gnadenlos oberflächlichen Diskurskultur, wegen jedes radikalen Gedankens gebrandmarkt zu werden, bringen überhaupt Veränderung ein. Daher ist es ja auch so verheerend, nun über Trittin herzufallen.
Beste Grüße
Christoph Leusch
>>Was man ausschließen kann, ist eine wesentliche Erhöhung des Risikos der Vererbbarkeit und dieses wesentlich erhöhte Risiko besteht nun einmal bei inzestuösen Beziehungen.<<
Mit dem gleichen Argument müsste auch GV in fortgeschrittenem Alter verboten (oder mit einer Sterilisationspflicht verbunden) werden.
Ich will damit nicht in jedes Bett einen Genkommissar setzen, sondern darauf hin weisen, dass die mögliche Weitergabe von Gendefekten sich nicht auf den Inzest beschränken lässt.
Hier in Australien gibts derzeit einen "Royal Commision", die den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in allen Institutionen untersucht. Es zeigt sich bereits jetzt, wie wichtig die oeffentlich Aufklaerung. Die Schuldigen und die Vertuscher muessen genannt werden.
Dazu ist es notwendig, dass die Betroffenen endlich zu Wort kommen und geschuetzt werden.
Ihre Festellung:
Auch einem geistig behinderten Erwachsenen geschieht Leid, wenn er sexuell missbraucht wird. Das geschieht selten, aber regelmäßig, weil wir Menschen sind, z.B. in einer der zahlreichen Einrichtungen, in denen Gesunde und vorgeblich Normale, daher Mächtige, eine Leitungs- und Führungsrolle für Kranke oder anders Begabte übernehmen müssen. Es geschieht in Familien, selten, aber ebenso regelmäßig, als Abhängigkeitsdrama in der klaren Rollen- und Machtverteilung dieser sozialen Urgruppe.
ist schlicht falsch. Der massenhafte Missbrauch von geistig behinderten Menschen war jahrzehnte lang eine kaum verdeckte Realitaet in vielen "Betreuungs"einrichtungen. Die Betroffenen konnten sich kaum wehren, weil man ihnen ohnehin nicht glaubte.
Durch die oeffentliche Diskussion vergroessert sich (endlich) das Risiko der Taeter.
Indem Sie diesen Sachverhalt als "selten" bezeichnen, uebernehmen Sie die verniedlichende Taeterperspektive.
Es geht nicht um die Weitergabe als solche, die sich nicht ausschließen läßt, sondern darum, das bei inzestuösen Beziehungen das Risiko der Weitergabe sich drastisch erhöht. Letztlich stehen dieser Form von Beziehungen mittlerweile weniger die ethisch moralischen Bedenken entgegen, sondern eindeutig wissenschaftlich bewiesene medizinische.
Ich finde, es geht gar nicht die Missbrauchsdebatte unter den gleichen Hintergrund wie die Inzestdebatte zu subsumieren, ich versteh Ihren Gedankengang, aber es ist wichtig die Dinge klar voneinander zu trennen. Beim Missbrauch gibt es geschädigte Einzelpersonen, beim Inzest ist das, wenn überhaupt, erst sauber herauszuarbeiten.
Klarheit im begrifflichen Denken ist je diffziler das Thema unerlässlich. Wir kommen da fürcht ich überhaupt nicht zusammen. Macht aber nichts.
Ich kann Ihnen auch ganz und gar nicht darin folgen, dass man, weil viele Debatten auf der Strecke bleiben, grundsätzlich Menschen, die Tabus brechen von ihrer Verantwortung freizusprechen hat, wenn sie sich in unverantwortlicher Weise geirrt haben.
Sie schmeißen alles in einen Topf, behandeln jeden einzelnen Aspekt äußerst vage, trennen Fakten nicht von Wertung (ich hab jetzt nicht das Gefühl, dass ich medizinsich schlauer bin als vorher, wie hoch ist das Risiko durch Inzest welcher Krankhheiten?) und finden währenddessen alles scheiße, das Gesetz, die Gerichte, die Gesellschaft... ich kann da nicht mitgehen... ;-)
Wie gesagt macht nichts, wir sind da einfach zu unterschiedlich, hat nichts mit Sympathie oder so zu tun, wir gehen bei dem Beispiel nur zu unterschiedlich an die Dinge ran.
maybe next time :-)
Viele Grüße
Moin, liebe Christine Quindeau,
das mit dem Verquicken mag auch daran liegen, dass der Auslöser oder Aufhänger der Vorwurf gegen Tririn und die Grünen war, dass es von 30 Jahren dieses Programmheft einer grünen Untergruppierung in Göttingen gab, in dem unisono die Abschaffung aller der genannten Paragrafen gab.
Ein solcherm und nur dem Wahlkampf geschuldeter Vorwurf kann sicher nicht die Grundlage für eine objektive Debatte über einzelne Tatbestände und die heutige Betrachtungsweise sein.
Vielleicht sollte erst einmal gewartet werden, bis sich der "Pulverdampf" gelegt hat. Unglücklicher finde ich allerdings, dass sich die Psychiatrie-Debatte so sang-und-klanglos erledigt zu haben scheint. Die wäre aus meiner Sicht drängender und nicht so emotional überladen.
Beste Grüße
Grabert
Ja, Sie denken an autosomal-rezessiv vererbte Krankheiten? Aber, Herr v. Grote, die nach Mendel vererbten Krankheiten sind selten. Die die Probleme machen, kennen doch jene Gruppen, in denen sie, weil Verwandtenehen lange schon erlaubt sind und häufig stattfinden, schon lange (Inbreeding depression). - Die Ashkenasim, aber auch einige arabische Staaten oder Ägypten, haben doch daraus die passenden Schlüsse gezogen. Sie beraten genetisch und verlangen ein entsprechendes Attest.
In der Gesamtbevölkerung, aus der ja nur ein sehr kleiner Anteil Neigungen zu einer Verwandtenbeziehung verspürt, aus der dann auch noch Kinder entstehen, ist das Risiko denkbar gering.
Bestraft wird übrigens nicht die Zeugung eines eventuell genetisch höher belasteten Kindes, sondern der Beischlaf an sich. - Das ist doch unlogisch, oder? Zudem wäre dann auch jeder Kinderwunsch von Eltern mit bekannten Gendefekten, sofern sie nicht die geeigneten medizinschen Hilfen in Anspruch nehmen, sondern es darauf ankommen lassen, eine höchst strafwürdige Handlung.
Da machen Sie es sich aber sehr einfach, finde ich.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Eigentlich wollte ich ja nur darauf hinweisen, dass es nicht nur moralische, sondern auch medizinische Bedenken gibt. Wenn Sie die als unwesentlich bezeichnen und den Inzestparagraphen abschaffen möchten, auch gut.
Ich mache es mir noch viel einfacher, als Sie vielleicht glauben. Mir ist es nämlich völlig egal, ob im Nachbarhaus die Mutti mit dem Sohnemann, der Papi mit dem Töchterchen oder Schwesterchen mit Brüderchen in der Koje liegen. Solange alle Beteiligten volljährig sind und wissen, was sie machen. Meinetwegen mit ärztlichem Attest oder ohne :-)
Na, G.v.G., das Hauptthema ist doch, ob man solche rechtlichen Probleme dadurch löst, dass nun nur "Experten", meinetwegen sogar interdisziplinäre, miteinander reden, oder aber das "gesunde Volksempfinden", das ja meist eher dumpf und stumm dahin wabert, siegt, oder, ob eben Protagonisten einer solchen Diskussion heute das Risiko eingehen, dafür nicht nur lange rückwirkend, medial gesteinigt zu werden, um sie dann durch den jeweiligen politischen Gegner gleich zum Rücktritt aufzufordern, zur sicheren und völligen Ausgrenzung. - Sie selbst, ich lese ja noch mit, neigen manches Mal zu solchen Ausgrenzungen, auch wenn die hier ja völlig spielerisch bleiben und nicht auf einen böse Kritisierten in seiner Alltäglichkeit niederfahren.
Dass das nicht nur leicht durchschaubar ist, sondern sogar der Geburt der Wahrheit und Gerechtigkeit aus dem Geist des Diskurses entgegen steht, wollte ich für dFCler und eventuell ein paar versprengte Print-Leser, immer auch für die feminine Form derselben, ein wenig plausibler machen.
Beste Grüße
Christoph Leusch
PS: Diese Menschen risikieren aber, angezeigt zu werden und mit einem deftigen Strafrahmen bedroht zu werden, wenn es dem Nachbarn, in der Realität sind es allerdings meist wiederum Bekannte und Verwandte, nicht mehr egal ist, oder aber die Geburt eines Kindes, das vorgeblich gesellschaftlich nicht tragbare Privatverhalten ans öffentliche Licht befördert.
Das "gesunde" Volksempfinden war noch nie ein guter Ratgeber.
In diesem konkreten Fall sind aber auch die Verfassungsrichter die falschen Ansprechpartner. In dem Punkt muss ich Quindeau Recht geben. Momentan können die gar nicht anders, aber dieses Urteil gilt nicht für die Ewigkeit.
Insoweit wäre es wirklich eine Aufgabe von Experten, da interdisziplinär tragbare und auch vermittelbare Lösungen zu finden.
Und was soll nun mit dem Jürgen Trittin und dem Volker Beck, möglichst noch vor der Wahl, geschehen, geht es nach manchem Kritiker und Politiker?
Rücktritt oder dieses Mal, weil es eben eine politische Frage ist, die heute anders beurteilt wird als damals, mehr Gelassenheit? Trittin und Beck planten ja nicht ihre persönliches Vergnügen und Privatleben, oder ihre Karriere, indem sie diese politischen Forderungen damals unterstützten und heute noch, wie die Grüne Jugend mit viel Berechtigung z.B. gegen den §173 StGB angehen.
Es stimmt, wie Sie es sagen. In Erz gegossen, muss dieser Paragraph nicht bleiben.
Gutes WE
Christoph Leusch
Derzeit erarbeitet der Deutsche Ethikrat eine Stellungnahme zum Inzestverbot, die vorraussichtlich nächsten Donnerstag verabschiedet wird. Näheres dazu:
http://www.dradiowissen.de/nachrichten.59.de.html?drn:news_id=205772
Zitat: "Schon mal in Erwägung gezogen, dass das Gesetz unter sozialschädlich auch die medizinischen und genetischen Risiken verstehen könnte?"
Das könnte man in Erwägung ziehen, wenn das Gesetz das wirklich täte. Aber das tut es ja nicht. § 173 StGB verbietet lediglich den vaginalen Geschlechtverkehr zwischen Blutsverwandten, nicht das Zeugen von Kindern.
Was für ein Blödsinn!
Demnächst vielleicht dann auch noch etwa: § 211 StGB steht nur für Mord, aber nicht für das Herstellen einer Leiche?
Das ist in der Tat Blödsinn, aber kein Blödsinn, den ich mir ausgedacht habe. Der § 173 verbietet einzig und allein den vaginalen Geschlechtsverkehr zwischen Blutsverwandten. Dass andere Sexualpraktiken erlaubt sind, hat sogar das BVerfG in seinem Urteil zum Fall von Patrick S. bestätigt. Auch wenn es absurd klingt, ist es nicht Verboten ein Kind auf anderem Weg als durch Geschlechtsverkehr zu zeugen - andersherum ist der Geschlechtsverkehr ja auch dann verboten, wenn die Zeugung eines Kindes ausgeschlossen ist.
"Also das Gericht traut der Gesellschaft diesen Schritt der friedlichen Koexistenz (noch) nicht zu, und ich würde ihm darin zustimmen."
Das ist ein sehr merkwürdiges Argument dafür, Menschen ins Gefängnis zu stecken. Es ist vor allem deshalb merkwürdig, weil das Gesetz nur einen Teil der Handlungen sanktioniert, die in der Gesellschaft unter dem Begriff "Inzest" verstanden werden. Wenn Brüder eine homosexuelle Beziehung miteinander haben oder Geschwister Analverkehr betreiben, interessiert dass den 173er überhauapt nicht - wo bleibt da die Rücksicht auf die öffentliche Meinung? Noch merkwürdiger wird das Argument, wenn man bedenkt, dass der § 173 StGB gar nicht den Teil einer Liebesbeziehung verbietet, der öffentlich wahrnehmbar ist, sondern den, von dem die Öffentlichkeit i.d.R. überhaupt nichts mitbekommt. Dieses Gesetz ist strunzdumm und wird in seiner dummheit nur von der Begründung des BVerfG übertroffen. Das ist erschreckend.
Mit Interesse zur Kenntnis genommen. Vielleicht setzt ja das Gutachten des Ethikrates eine Initiative zur Gesetzesänderung in Gang.
Ich fürchte (;-))), im politischen Raum werden dafür aber noch ein paar Grüne gebraucht, die man nicht vor der wichtigsten Wahl für die nächsten vier Jahre medial notschlachtet.
Allrdings haben die Grünen sich mit dem Professor Franz Walter auch einen Popper der Politologie eingeladen und dessen Ehrenerklärung für Trittin kommt nun so spät und so klein geraten daher, dass bei der derzeitigen Skandalwut unserer weithin inhaltsscheuen Presse, davon die Wahl-Bürger mit dem meisten Schaum vor dem Mund kaum Kenntnis nehmen dürften.
Das wird sich vielleicht in Berlin nicht negativ auswirken, aber in Flächenländern mit deutlich konservativer Grundstruktur genügt schon der Anschein von "Schwulitäten", um linke Politiker zu erledigen, während Vorteilsnahme im Amt, Füherscheingeschichten und Verkehrsstraftaten, Falschaussagen und ausbeuterische Beschäftigung von Maßregelinsassen, Mauschelei und Begünstigung kaum je das Volk juckt.
Was das Adoptionsrecht angeht, habe ich nun nicht nachgeschaut, ob sich da ähnliche Vorstöße anbahnen, nicht mehr haltbare Bestimmungen, die ja eher Kinder von einem Wohl, in einer lang andauernden Beziehung zu leben und verlässliche Eltern zu haben, die sie sich auch wünschen, fern zu halten.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Es ging fast unter: Selbstverständlich ist das höchst wichtig, Aussie42, die Vergehen in Heimen staatlicher und kirchlicher Aufsicht aufzuklären, einen Fond für Opfer zu gründen und eventuell noch strafbare Täter vor ein ordentliches Gericht zu bringen.
Ich fand ihren Einwurf schon deswegen gut, weil ich natürlich gerne mehr Kenntnisse dazu hätte, wie es in anderen Ländern aussieht.
Sexuellen Missbrauch möchte ich keinesfalls verharmlosen. Wenn das aus meiner Sprache abzulesen ist, dann muss ich mich beim nächsten Mal mehr mühen.
Nun zu Australien: Da gibt es diese ausführliche Seite zu Kindesmissbrauch ( http://www.aifs.gov.au/cfca/facts/protectingchildren.html ) und die öffnet dann auch den Zugang zu zahlreichen Studien. Unter anderem, erschienen mir die australischen Zahlen für Missbrauch in der Familie extrem hoch, die ja häufig den Grund liefern, ein Kind aus seiner Familie zu nehmen.
Es wäre aber wirklich überzogen, nun das Heimwesen in Deutschland oder Australien, das in beiden Ländern ja als letzte Möglichkeit gilt, so darzustellen, als sei Missbrauch die Regel. Sie können sich ja einmal die Zahlen dort ansehen und ich wäre wirklich gespannt auf ihr Urteil.
Ein großes Problem scheint die Lage der Kinder der Ureinwohner zu sein. Ähnlich wie z.B. bestimmte Milieus in unseren Großstädten, kulminieren da die Gewaltakte untereinander und in den Familienverbänden oder Kleinfamilien.
Mein Thema hier war nun vor allem, ob man öffentlich leichtfertig den Stab über jenen Politikern brechen sollte, die sich mit Mut und Ausdauer an Stellen um Gesetzesänderungen bemühen, die vielleicht in konservativen Milieus heftige Abwehrreaktionen auslösen.
Tatsächlich stand dann hier mehr der §173StGB als Beispiel im Vordergrund, um eben die Diskussion zu vermeiden, ab wann und mit welchen Worten oder Argumenten, man hier schon als Verharmloser oder gar Befürworter von sexuellem Missbrauch, insbesondere an Kindern, gilt. - Für eine solche Debatte, die auch geführt werden muss, habe ich derzeit weder die Zeit, noch die Kraft, es mir ohne Auftrag und Bezahlung anzutun. Die Profis können das Problem noch lösen, indem sie hoffentlich kluge Aufsätze und Artikel schreiben und dann einfach die Forendiskussionen und Leserbriefe ignorieren. Das ist Old school journalism und eher was für Chefredakteure und Leitartikler im Über- und Blindflug. Man könnte auch sagen "Einordnungsjournalismus", der mir sagt, was ich davon zu halten habe.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Ob ein paar Grüne mehr oder weniger daran etwas ändern? Tatsache ist, dass an höchster relevanter Stelle in den letzten Jahren eine Dame saß, die eine eindeutige Meinung zum § 173 StGB hat, aber das Thema für eine eigene Gesetzesinitiative dann wohl doch zu heikel fand, siehe http://www.verbotene-liebe.info/Fraktion-FDP-16-04-2008.pdf
Die Situation derjenigen, die vom § 173 betroffen sind, ist zwar - was die Einschränkungen betrifft - mit der der Homosexuellen vor Abschaffung des § 175 vergleichbar, aber die Relevanz dieses Themas ist gesamtgesellschaftlich gesehen viel niedriger. Es gibt sehr wenig Betroffene (selbst großzügige Schätzungen gehen von nicht mehr als 100 Paaren aus, siehe http://hundertdreiundsiebzig.de/2013/05/wie-viele-geschwisterpaare-gibt-es-in-deutschland/ ) und da diese Paare sich im Alltag für Aussenstehende von ganz normalen Heteropaaren nicht unterscheiden, gibt eskeine Inzest-Szene oder Subkultur und auch keine identitätsstiftende gemeinsame Veranlagung. Inzestuöse Paare sind nicht inzestuös veranlagt, sondern haben sich ganz normal in einen Menschen verliebt, den sie laut Gesetz nicht lieben dürfen.
Viele Grüße,
Oliver S.
Ich kann akzeptieren, Herr Leusch, dass Sie missverstaendlich formuliert haben. Wenn Sie vor allem an die 80er Debatte erinnern wollten um so die absurden Angriffe auf Trittin in einen angemessenen Rahmen zu ruecken, ok.
Sie haben leider einen zu unuebersichtlichen Eintopf hergestellt, in dem die grossen und die kleineren Probleme nebeneinandergestellt wurden. Es gibt schon Unterschiede in der Notwendigkeit Problem-Loesungen zu finden, denke ich.
Die australischen Verhaeltnisse, nach denen Sie fragen, sind unuebersichtlich, weil wir eine kulturell sehr gemischte Gesellschaft sind und viele ABCs (australien born chinese) beispielsweise, haeufig noch immer ihren traditionellen Vorstellungen folgen. Und akzeptables sexuelles Verhalten variiert bekanntlich zwischen den Kulturen.
Darum gibts hier viel Unsicherheit, Verschweigen etc.
Den veroeffentlichten Zahlen zum Sexualverhalten wuerde ich nicht glauben. Das Dunkelfeld ist kaum abzugrenzen (Das gilt auch fuer den Missbrauch von BewohnernInnen in deutschen Behinderteneinrichtungen. Damit hatte ich mal beruflich zu tun. Die Zahlen sind schlicht falsch. Wenns um Sex und Money geht, wird nur gelogen... )
Auch die indigenen Australier haben andere Sexualnormen als westliche Gesellschaften. Diese Australier haben zudem eine lange Geschichte von Ausbeutung, Verfolgung und Genozid, durch die ihre sozialen (Kontroll)Strukturen aufgeloest wurden. (Das rekonstruiert sich langsam wieder, wenn man einigen Berichten glauben kann.)
Derzeit bestimmt noch haeufig Entwurzelung, extreme Armut, Unwissenheit und Alkoholismus das Verhalten der aboriginal Australier. Die einschlaegigen gesellschaftlichen Institutionen haben keine konsistente Politik, sondern versuchen sich "durchwursteln". Nicht verwunderlich in dieser Situation.
Mit der Absicht die Kinder zu schuetzen, wurden sie jahrzehntelang aboriginal Familien wegenommen und erhielten eine "weisse" Erziehung usw. Das war natuerlich eine extrem menschenverachtende Politik fuer die sich die australische Regierung oeffentlich entschuldigt hat.
Insgesamt naehern sich die australischen Sexualnormen, dem der westlich-christlichen "Zivilisationen".
Nicht so bigott-puritanisch wie in usa, weniger katholisch wie in Deutschland oder Frankreich, eher britisch oder skandinavaisch.
Aber das sind nur punktuelle Eindruecke. Ich arbeite (gluecklicherweise) nicht mehr in diesem Bereich.