Commie Joods,Inder,Frauen& ein schwarzer Mann

Mandelas Regenbogen Die Anfänge des Revolutionärs und die Erinnerung an seine Mitstreiter offenbaren die notwendig utopische und ewige Botschaft an uns Zukünftige.

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Fokken Commie Joods“, Inder, Frauen und der schwarze Mann

Wie der Regenbogen seinen Anfang nahm. Ein Nachruf aus den Anfängen, für einen, der in Anzug und Weste genau so gut aussah, wie im Hawaii- Hemd oder Anstaltsdrillich.

Geburt eines versöhnlichen Revolutionärs

Am 18. Juli 1918 kommt „Rohlilahla“ Mandela, der „Astabbrecher“, der „Troublemaker“, so die einfache Übersetzung aus der Thembu- Xhosa-Sprache, in Mvezo /Ostkap-Provinz zur Welt. Keiner muss sich den unbedeutenden Ort merken. Die Eltern, wiewohl aus der Elite ihres Stammes, Teil des Madiba-Clans, blieben beide ohne formale Bildung, der Vater, ein „Polygamist“, wie viele Clan-Chiefs und Unterchefs zu dieser Zeit. Nelson Mandela wird es 1964, ganz schnörkellos, in einem fünfstündigen Statement vor dem Gericht in Pretoria aussagen, das ihn wegen Terrorismus und Hochverrat verurteilen möchte. Später, in seiner Biografie, „Long walk to freedom“ (1994, ghost- writer Richard Stengel) schreibt er es nieder.

Bald sitzt er, mit seinen engsten Mitstreitern, Freunden und Vertrauten auf Robben Island, der Gefängnisinsel des Apartheid-Staates. Häftling 466/64, der 466te im Jahr 1964. Das wird bis 1990 dauern: Auf Robben Island bis 1982, dann noch einmal Jahre unter erleichterten Bedingungen auf dem Festland. Das Regime will Mandela abhören, ausforschen und schließlich zum willigen Komplizen machen. - Das gelingt nicht.

Er musste sich nie für seine Herkunft schämen. Nur jene, die daraus viel Herabwürdigung ableiten, hätten allen Grund dazu. „Madiba“ wurde sein Ehrenname, der auf die alte und traditionelle Herkunft aus Thembu- und Xhosa Urgründen verweist. Weitere Namen kamen hinzu: „Dalibunga“, sein Initiationsnamen nach der Beschneidung, „Tata“, Vater, das Xhosa-Wort für den Vater der Regenbogennation und für den häufig untreuen Ehemann im engsten Familienkreis, der seine Liebsten oftmals wie ein Anhängsel der großen Taten und Zeiten behandelte, die sein politisches Leben prägten. - Die erste (Evelyn Mase), zweite (Winnie Madikizela) und dritte (Graça Marchel) Familie des ersten schwarzen Südafrikanischen Präsidenten, trägt diese Vernachlässigungen bis heute aus. Die Zeichen in der Öffentlichkeit sind unschön, wie bei allem Familienstreit in der ganzen weiten Welt.

Lernen ist das Wichtigste, neben Lieben

Nelson“ nannten ihn die Methodisten in Qunu, die systematisch jedem afrikanischen Kind ihrer Schule einen klingenden Britennamen, z.B. den des Admirals, oder andere Namen aus der Christentaufe verpassten. Die Schule wird, mit oder ohne den Segen Gottes, das Heil für Nelson Mandela, denn er hat das Zeug und den Willen zu lernen. Seine tiefgläubige Mutter, Nosekeni Fanny, sorgte für den ersten Kontakt zu den Methodisten-Missionaren. So zog der Sohn der dritten Frau des polygamen Unterclanchiefs in die Schule.- Später ist das, nämlich die reguläre Schulbildung für jeden Südafrikaner, eines seiner wichtigsten Versprechen. Es wurde bis heute politisch und gesellschaftlich nicht ausreichend eingelöst!

Apartheid bevor sie Staatsziel wurde

1918, im Geburtsjahr Mandelas, ist die „Südafrikanische Union“ ein Dominion des Vereinigten Königreichs. 16 Jahre vorher hatten der „Oranje-Freistaat“ und „Transvaal“, die beiden „Burenrepubliken“, nach dem zweiten Krieg mit den Briten kapituliert, und 1910 war daraus der neue Britenstaat entstanden, der aber den Buren schnell die Verwaltungsmacht überließ. Seit 1912 gab es sogar schon einen unbeachteten Vorläufer des ANC, den South African Native National Congress!

Ab 1913 regelte der „Natives Land Act“ und eine Serie von Folgegesetzen, nun unter britischer Oberherrschaft, wie Weiße sich das Land der Stämme aneignen und die eingeborene Bevölkerung auf Reservate zurückdrängen konnten. Das Unrecht, auch gegen die Inder und die Coloured People des Landes (San, Koi-Koi, Kapmischlinge), wurde schrittweise ausgeweitet und legalisiert, lange bevor es den Apartheid-Staat gab. Enteignung und Segregation, rassengetrennte Wohnorte, Gemeindeeinrichtungen und Öffentlichkeiten waren Alltag am Kap. Den Natives blieben ca. 10 % der Landesfläche in speziellen Siedlungszonen nahe bei den Arbeits- und Ausbeuterorten und in den Pseudostaaten, den „Bantustans“.

Erst 1914 gründete sich die burische „National Party“, die offen das Konzept der Rassendiskriminierung und der Vorherrschaft der Weißen proklamierte. Sie sollte 1948 tatsächlich an die Macht gelangen und 1961 die neuformierte Republik Südafrika aus dem Commonwealth führen. Bis 1990 herrschte dieser Unrechtsstaat aus Angst, Gewalt, Dünkel und den Gesetzen der Unmenschlichkeit. Er erntete in Wellen Gewalt von jenen, die er fortgesetzt unterdrückte, die er völlig hoffnungslos machte, denn ein wirkliches Nachgeben, auch nur in einem Punkt, gab es nicht.

Es kann nicht verschwiegen werden, dass die sogenannte freie Welt dem lange tatenlos zusah und im kalten Krieg, aus Gründen der Machtbalance, lieber die eiskalten Burenkrieger am Kap an der Macht sah. Ab und an gab es ein paar kritische Worte und auch wirtschaftliche Sanktionen. Zum ANC, der offiziell als Terrororganisation galt, gab es nur informelle Kontakte.

Die Welt der Schwarzen, ihrer Stämme und Gebiete, befanden sich 1918 lange unter der Kontrolle der Kolonialverwaltung und Mandelas Vater diente ihr elf Jahre als lokaler Verwaltungschef, denn die Thembu-Stämme hatten sich bereits 1872 unter den Schutz der Briten begeben, weil ihre Anführer für eigene Übergriffe die Rache anderer Stämme fürchteten. Korruption und Vetternwirtschaft gehörten ebenso zum Alltag, wie die allfällige Beschuldigung der schwarzen Verwaltungshelfer, die durch ihre Stellung privilegiert waren. Dazu gehörte, dass der Vater Nelson Mandelas, aufgrund solcher Anschuldigungen, 1926/27 seine Position einbüßte.

Ein gelungenes Leben braucht menschliche Schutzengel auf dem langen Marsch

U-buntu“: „Ich bin, weil ihr seid und ihr seid, weil ich bin.“

Irgendwann in den drei Jahren bis zur Vollendung des dritten Jahrzehnts des Jahrhunderts verstarb der Vater, ohne Amt, ohne Würden und ohne ausreichende Dokumente für die sichere Legendenbildung der Nachwelt. Mandela hatte Glück, denn der Chief des Thembu-Stammes, zu dessen Linie linker Hand er irgendwie doch gehörte, nahm ihn an seinen Hof. Sieben Rundhütten, zwei gemauerte Rechteckhäuser, mehrere Kraale und, als Gipfel des Reichtums in den späten 1920er Jahren, ein alter Ford V8, waren Jongintaba Dalindyebos königliche Insignien in der „Hauptstadt“ des Stammes, der Hüttenstadt Mqhekezweni.

Mandela erwies sich als geborener Zuhörer und wissbegieriger Jugendlicher. Dafür schickte ihn der Stammeschef weiter, von den Missionaren in Qunu, zur methodistischen High-School nach Clarkebury, dann zum College in Fort Beaufort, das mit seinen Tausend Schülern, einem gemischtrassigen Lehrerkollegium und seinem Headmaster Dr. Wellington, einem entfernten Verwandten des Siegers von Waterloo, wie eine Insel Englands am Kap wirkte. Mandela interessierte sich für Englisch, Anthropologie, Recht und Eingeborenen-Verwaltung und studierte in Fort Hare, dem führenden College schottischer Methodisten, an dem auch Kenneth Kaunda und Robert Mugabe ausgebildet wurden.

Jongintaba zahlte Schulgeld und Verpflegung, sowie Mandelas erste Anzüge. Der Chief wurde Mandelas erster Pate, so, wie später viele weitere Paten den chronisch armen und und wenig geschäftstüchtigen, zukünftigen Präsidenten Südafrikas unterstützten, weil er zur rechten Zeit die rechten Worte fand, gerecht handelte, sich ohne eigenen Vorteil einsetzte und die gerechtesten Anliegen der Welt vertrat: Gleichheit, Respekt und Chancen für jeden, unabhängig von allen äußerlichen Merkmalen.

Walter Sisulu, Grundstücksmakler, Kommunist und führendes ANC-Mitglied in einer Person, sollte entscheidenden Einfluss darauf nehmen, dass Nelson Mandela nicht nur eine unpolitische, vielleicht erfolgreiche Anwaltskarriere einschlug, sondern sich im ANC politisch engagierte, nachdem er in Johannesburg Fuß fassen konnte.

Der spätere Exilführer des ANC, Oliver Tambo und Nelson Mandela, sie kannten sich schon aus den Schul- und Hochschultagen, eröffneten im heute wieder hergestellten Chancellor- House, in der Nähe des Johannesburger Stadtgerichts, die erste, nur von Schwarzen geführte Anwaltskanzlei des Landes. Immer überlaufen, wegen der legalistischen Schikanen um das Recht auf Eigentum schwarzer Südafrikaner, um die elenden Passgesetze, wegen der alltäglichen Böswilligkeiten und massiven Benachteiligungen am Arbeitsplatz, waren die beiden Anwälte zugleich die jungen politischen Antreiber des ANCYL, der Jugendbewegung des ANC.

Unter dem Friedensnobelpreisträger Albert Luthuli hatte sich der Einfluss des ANC immer mehr zugunsten radikalerer Kräfte, z. B. des PAC (Pan Africanist Congress) verringert. Passiver Widerstand, im Sinne des Gandhi-Konzeptes, Satyagraha, stieß an Grenzen, wenn ein Regime durch Schikane, den gefürchteten Bann und die Kontrolle über die Medien, jeden friedlichen Widerstand abwürgen konnte. Selbst der Christ und Pazifist Oliver Tambo wusste das und das Massaker von Sharpeville bewies es. Mandela und andere Apartheid-Gegner lasen es bei Nehru nach.

We few, we happy few, we band of brothers“ and sisters

Das Gedenken zum Tode Mandelas im 96. Lebensjahr, ist der passende Augenblick an jene wenigen Vielen zu denken, die auf diesem langen Weg schier unglaubliche Opfer brachten, zu Tarnung doppelte und dreifache Leben führten, trotz Widerspruchs in wichtigen Fragen, bis zur Selbstverleugnung halfen, damit Nelson Mandela und der ANC ans Ziel kamen. Eine einzigartig bunte Mischung aus „Cool cats“, naiv Mutigen, jenen die über Bildung zur höheren Einsicht gelangten, Anwälten und den Seltsamen, Schrägen und Verachteten des Burenstaates, vollbrachte über Jahrzehnte Akte größter Loyalität und höchsten Mutes.

Der ANC durfte nicht als kommunistisch unterwandert gelten, er durfte nicht die Afrikanisten und Pan-Afrikanisten verprellen, die sich an den Befreiungsbewegungen Schwarzafrikas und des Maghrebs orientierten (PAC und "Poqo", gewaltbereiter, militärischer Arm der PAC). Er durfte die Vorurteile der Schwarzen gegenüber den wirtschaftlich erfolgreicheren Indern und Muslimen, gegen Farbige anderer Herkunft, nicht schüren, aber auch nicht ignorieren, denn in den Shanty Towns und Townships herrschte das Vorurteil von unten. Er durfte den ursprünglichen Pazifismus und das Bekenntnis der Organisation zu passivem Widerstand nicht verraten, die Albert Luthuli den Friedensnobelpreis und dem ANC die internationale Anerkennung bis in die UNO hinein einbrachten. Er durfte nicht aus den unbarmherzigen Verfolgungen des Apartheidsregimes folgern, die Weißen des Landes dächten alle so. Er durfte nicht Revolution à la kubanischer Guerilla spielen und auch nicht ausländische Mächte zur Hilfe rufen oder eine Invasion aus dem Exil heraus planen.

All´ dies wurde tatsächlich vielfach überlegt, gewendet, diskutiert und wieder verworfen, denn in Sachen Widerspruch und Diskussionen untereinander, ließ sich kaum eine andere politische Organisation Südafrikas benennen, die mit ebensolcher Leidenschaft, selbst wenn es ihr schadete und sie politisch ineffektiv werden ließ, diskutiert hätte.

Die Geburt der Regenbogennation unter der Führung des ANCs, konnte nur aus einem schier unglaublichen Versöhnungsprozess und allgemeiner Verzeihung geschehen, und durch ein Vertrauen in den höheren Kommunismus einer moralischen Menschheit, jenem „u-buntu“. - Doch was sich im Widerstand gegen das Unrecht als klare Linie zeigte, das zerbröselte leicht, nachdem der übermächtige Gegendruck des repressiven Staates wegfiel. - Südafrika muss sich heute besinnen, um die universelle Botschaft der ANC-Veteranen nicht zu verraten. Es gärt in der Gesellschaft, die sich nun nicht mehr vornehmlich rassisch aufteilt, sondern immer mehr nach arm und reich.

Es kann keine Frage sein, dass Juden und Kommunisten, genauer jüdische Kommunisten und indischstämmige Kommunisten, die treuesten und tapfersten Mitkämpfer Mandelas stellten, als es galt und wirklich gefährlich wurde. Fast alle zahlten dafür einen hohen, persönlichen Preis und zerstörten ihr Familien- und Berufsleben. Fast alle gaben ihr sichere, ungestörte Existenz im Mittelstand des Apartheid-Staates auf, wenn sich ihr bürgerlicher Status als Deckung nicht mehr nutzen ließ. - Diese Menschen wollten nicht weiter in der Lüge leben und lieber für ein anderes, damals ganz utopisches Südafrika sterben, so wie Madiba Mandela es im legendären Rivonia-Prozess für sich selbst und seine Brüder und Schwestern bekundete.

Fokken Joods“, „Commies“, Frauen, Inder, Gangster, Schwule

Mandela: „For decades, communists had been the only people prepared to treat Africans as human beings, as equals. The only people, who were prepared to eat with us, talk with us, live with us, and work with us.

Es gilt also, sich zum Tode Nelson Mandelas an Wolfie Kodesh („Guardian“ (SA)- Journalist, Weltkriegs-Soldat, Untergrundorganisator der Mandela versteckte, Kommunist, ANC-Mitglied), an Jack (Gründer der Springbok-Legion, Minen-Sprengmeister, Bombenbastler, Kommunist, ANC), Rita (Soldatin gegen Hitler, Mitglied der Springbok-Legion, Kommunistin, ANC, “Foot-Soldier for Freedom“, heißt ihr Erinnerungsbuch) und Spencer (jugendlicher Sohn der Ehepaares, Bombenbastler) Hodgeson , an Arthur (Südafrikanisch-israelischer Künstler, Mitglied des Palmach, Grundstein der israelischen Armee und Universitätsinstituts- Gründer in Israel, Antiapartheidskämpfer und Kritiker der israelischen Palästinenserpolitik, die er mit der Bantustanisierung im Apartheid-Südafrika verglich, Organisator des Untergrtundkampfes von Liliesleaf/Rivonia) und seine erste Frau Hazel Goldreich (führte zur Tarnung ein Familienleben auf der Liliesleaf-Farm), Cecil Williams (Soldat gegen Hitler, Chef der "Springbok Legion", Lehrer und Theaterdirektor, ein "Lord Jim" des Widerstandes gegen die Apartheid, Mitglied der MK des ANC, niemals mehr zu vergessen!), Denis Goldberg (Ingenieur,Kommunist,ANC-MK-Aktivist und technischer Spezialist, Führer des Congress of Democrats, Antirassist und Kritiker der Politik Israels gegen die Palästinenser, betrieb das Londoner Auslandsbüro des ANC), Ahmed Kathrada (Indischer Abstammung, Muslim, Kommunist, Mitglied des Indian und African Congress, des Umkhonto we Sizwe, langjährig gefangen auf Robben Island und Pollsmoor, allwissend, Weltreisender in Sachen Antirassismus und Befreiung), Bram Fischer (Afrikaner aus der weißen Oberschicht, bekannt und verwandt mit der Staatsführung, Staranwalt, Verteidiger und später Mitangeklagter Mandelas, führender Kommunist und ANC-Theoretiker, der tragisch alles, privat und öffentlich verlor; seine Pool- Parties waren Keimzelle und Tarnung des Widerstands), Lionel "Rusty" Bernstein (Soldat gegen Hitler, Guardian (SA) -Journalist, Kommmunist und ANC-Aktivist; organisierte die abertausend basisdemokratischen Eingaben zur Freedom-Charter, die er maßgeblich mitverfasste; sein Erinnerungsbuch „Memory against Forgetting“), Ruth First ( Journalistin, Kommunistin, überall die erste Frau gegen die Apartheid; auf Anordnung des südafrikanischen Staates, 1982, mit einer Briefbombe an ihrem Universitätschreibtisch in Maputo / Mozambique ermordet) und Yossel „Joe“ Mashel Slovo (Anwalt, Soldat gegen die Nazis, Mitglied der Springbok-Legion, Kommunist, der ANC- Mitglied, Untergrund-Führer der MK, das ist Umkhonto we Sizwe, der Speer der Nation, des bewaffneten ANC-Widerstands, Verhandler des Übergangs, Wohnungsbauminister in Mandelas Regierung, Ehemann Ruth Firsts) stellvertretend für viele andere, zu erinnern, die Kommunisten und zugleich ANC-Aktivisten oder einfach nur mutige Bürger eines Zukunftslandes waren, das es noch gar nicht, außer in ihrem persönlichen Leben, gab.

Viele sahen, wie Moses, nur die goldenen Gesetzestafeln einer gemischtrassigen und multikulturellen Gesellschaft und niemals das gelobte Land.

Sie halfen beim Kurswechsel des ANC, von der Politik der Defiance, des passiven Widerstands und der Streiks, nach dem Massaker von Sharpeville, am 21. März 1960, hin zum bewaffneten Widerstand. Sie arbeiteten an den wichtigsten programmatischen Dokumenten, insbesondere an der „Freedom Charter“, mit, und sie ermöglichten den Untergrundkampf der MK, des bewaffneten Arms des ANC, der öffentlich nicht damit verbunden werden durfte.

Die „Freedom Charter“ wurde zur heimlichen Präambel der späteren Verfassung der jungen Nation, ohne Rassenschranken und ohne Vorschriften für die privaten Lebensentwürfe der Menschen. Sie war von einem kleinen Kreis bekennender Linker verfasst, nicht von schwarzen Nationalisten, nicht von weißen Suprematisten, nicht von Kommunisten des doktrinären Zentralismus. - Aufgrund dieser Tradition kennt Südafrika z.B. seit 2006 die gleichgeschlechtliche Ehe, um die in Europa noch erbittert gerungen wird.

Mit „Wir, das Volk von Südafrika, erklären, unserem Land und der Welt zur Kenntnis: Südafrika gehört allen, die darin leben, Schwarzen und Weißen.“, beginnt nicht die Klassenherrschaft und nicht die schwarze Vorherrschaft. Woher der Sound of South Africa stammt, das ist eindeutig.

Das „linke Gemisch“ um die ANC-Führer im Untergrund sorgte für Verstecke, Fahrzeuge, Geld, Dokumente, Pässe, Tarnungen, für die Rhetorik in den Publikationen, für Kontakte zu nationalen und internationalen Medien und es betrieb, vielleicht zu amateurhaft und dilettantisch, die Konspiration und den bewaffneten Widerstand. Die „Fokken Joods“ (Verfickte Juden, burische Verunglimpfung), viele aus der „Springbok Legion“ des zweiten Weltkriegs, die linken Anwälte und ihre Familien, die indischen Anwälte und Geschäftsleute, die die Passgesetze umgingen und ihre Häuser für Unterschlupfe und geheime Büros zur Verfügung stellten, die Geld sammelten, deren aktivistische und mutige Frauen auch einmal für die Konspiration scharf kochten, was besonders Mandela sehr schätzte, sie waren das Salz und Brot in größter Not.

Nelson Mandela steht für sie alle und das Gedenken an ihn, sollte der Stein sein der uns an die vielen Steinchen erinnert, die an den Küsten des Kapstaates seit Menschengedenken klickern und klackern und auf jene Steine gelegt werden können, die ein ewiges Lied der Erinnerung singen.

Die weißen und indischen gebildeten Mittelschichtleute feierten legendäre Parties, als Ausgleich für die beständige Anspannung und Angst, als Tarnung, unter der schwarze Aktivisten als Dienstpersonal getarnt, in weißen Gegenden überhaupt sein konnten. Sie irrten sich manchmal tödlich und legten über Jahrzehnte Zeugnis von der Zähigkeit und Hartnäckigkeit des besseren Seins ab. Sie dürfen nicht vergessen sein.

Selbst die „Tsotsis“, die schwarzen Gangster der Townships Südafrikas, halfen Nelson Mandela, der sprichwörtlich mit einer äthiopischen Mauser und 200 Schuss in den Befreiungskampf ziehen wollte.

Christoph Leusch

-Viel besser und genauer erinnert David James Smiths „Young Mandela“ (London, 2010) an die Anfänge und Wurzeln Nelson Mandelas. Diesem Buch und Martin Papsts, „Südafrika“ (München,2.Auflage 2008), verdankt das Blog seine Inhalte und die Perspektive. Beide Werke sind stilistisch sehr unterschiedlich geschrieben.

Martin Papst liefert eine vielseitige, sehr dichte Länderkunde, die jeglichen Aspekt, von der Geologie und Natur bis zur Fußballweltmeisterschaft, von den Stämmen, bis zur vielfältigen Popular-Kultur des Landes am Kap, anspricht.

David James Smiths Biografie über die frühen Jahre Mandelas, seine Familien und politischen Weggefährten bis zum Ende des Rivonia- Prozesses, mit der Verurteilung und Inhaftierung auf Robben Island, glänzt mit biografischen Miniaturen der „Commies“, Schwulen und Inder, der gebildeten Anwältegesellschaft um Mandela, der politischen Führer des ANCs und seiner Widersacher, die, wie die tragischen Figuren, Anton Lembede, der Begründer der ANC- Jugend Liga (ANCYL), er verstarb 1947, oder der geniale Redner und Denker Robert Sobukwe, der Mitbegründer und erste Präsident des PAC (Pan Africanist Congress, „Afrika den schwarzen Afrikanern), der auf Robben Island als gefährlichster Staatsfeind nach dem Orlando Pass-law Defiance March und dem Sharpeville Massaker, von 1960-1969 isoliert gefangen gehalten wurde und den Rest seines Lebens unter Hausarrest und in Verbannung in Kimberley verbringen musste, genau so Berechtigung und Befähigung gehabt hätten, im zukünftigen Regenbogenstaat eine wichtige Rolle zu spielen.

Smiths Buch ist mit so vielen Anekdoten zum politischen und privaten Leben, mit so viel Spannung rund um die Hauptperson im Untergrund gefüllt, dass sich das gar nicht in einem Beitrag abbilden lässt. Der Autor ist nicht überheblich und erwähnt daher die zahlreichen Selbstzeugnisse der ANC-Leute und ihres Umfeldes, z.B. die epochale Biografie von Fatima Meer, „Higher Than Hope“, 1988, aber auch die dreibändige Geschichtsschreibung von Thomas Karis, Gwendolen Carter, Sheridan Johns und Gail Gerharts, „From Protest to Challenge“, 1972-1977, oder das enigmatische Buch Ruth Firsts, „117 Days“, 1980, über die U-Haft zum Rivonia-Prozess, oder Ahmed Kathradas, „Memoirs“(2004).

-Ein einmaliges und gelungenes Projekt ist die „South African History Online- towards a people´s history“. Hier finden sich thematische Blöcke zu jedem Aspekt der Geschichte Südafrikas und eine Menge guter Kurzbiografien zu den wesentlichen Akteuren. Selbstverständlich wird derzeit in würdiger und ehrenvoller Form des weltberühmten Toten gedacht.

http://www.sahistory.org.za/

Ich kann diese Seite, auch wenn sie sich manches Mal so langsam aufbaut, wie die unseres Leib- und Magenblattes dF, nur empfehlen. Es lohnt sich assoziativ und auch bei systematischer Recherche.

C.L.

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