Der journalistische Komplexitätsreduzierer

Terrible simplificateur Stefan Kornelius mag Linke nicht. Daher spannt er sie, für seine Leser, die überforderte Mitte, mit dem US-Stinkstiefel Donald Trump zusammen. So geht Vereinfachung.

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Der journalistische Komplexitätsreduzierer

Stefan Kornelius, Alpha- Mann der Süddeutschen Zeitung, hat wieder zugeschlagen. Es muss ihn furchtbar ärgern, dass offenbar andere, als eben nur seine eigenen Vereinfachungen, durchaus was zählen. Unter der Titelüberschrift Stunde der Großmäuler- Populisten in der Politik “, - ich nehme an, für die Kopfzeilen kann er nichts, auch wenn er verantwortlich ist -, warnt er vor Persönlichkeiten, die er aktuell für schreckliche Vereinfacher hält.

Es werden von ihm Yanis Varoufakis (Syriza und Grieche), Jeremy Corbyn (Labour und Brite) und Donald Trump (Republikaner und US-Amerikaner) namentlich genannt und gemeinsam an den medialen Marterpfahl gebunden. Die Südeutsche Zeitung bietet dazu drei absichtlich unvorteilhafte Porträt-Fotografien an.

Wie es sich gehört, wenn Vereinfacher mit Absicht was schreiben wollen, hilft die Vereinigung der Gegensätze ungemein. In diesem Falle, die der denkbar gegensätzlichsten Persönlichkeiten, zu dem Zweck, die Realität zu kürzen, wie einen simplen Bruch. Im Teaser zum Kommentar- Artikel heißt es, diese drei „Vereinfacher“ fielen über die politische Mitte her, die sich nicht mehr auskenne.

Auffällig, dass dies ausgerechnet einem Journalisten einfällt, der sich regelmäßig an genau diese Mitte wendet und sie, seinem Selbstbekunden nach, immer aufklärt. Stefan Kornelius hat regelmäßig Freischuss und kann seine Chance gegen jedermann und jede Frau ergreifen. Also flutet er mit seiner Meinung und seinen Thesen die imaginäre Mitte unseres Landes, die Kundschaft seiner immer noch populären Zeitung. Bis zu einem gewissen Grad, bestimmt seine Tätigkeit auch, wer sonst noch öffentlich sein darf, und welches Bild von diesen Personen für die Öffentlichkeit gezeichnet wird.

Das ist sein Geschäft. Man merkt Kornelius aber allzu sehr an, wie ungern er dabei an seine Verantwortung denkt, die ihm mit dem Privileg zufällt; andererseits, wie gerne er den genannten Personen pauschal populistische Unverantwortlichkeit vorwirft. Seinem Leserpublikum und ihrem potentiellen Wählerstamm attestiert er zugleich, zu erschöpft zu sein, seine gutgemeinten Warnungen, statt deren vermeintlich simpler Ansichten, aufzunehmen.

Etwas genauer:

I

Yanis Varoufakis wird zwar von seinen Kollegen der Wirtschaftswissenschaften durchaus verstanden und gelesen. Sie laden ihn zu Konferenzen und Tagungen, rund um den Globus, sie diskutieren seine Bücher und wissenschaftlichen Aufsätze, seit den 2000er Jahren.

Als er nun aber unter die Finanzminister der Euro- Group fiel und ein paar sachliche Erklärungen abgab, starrte man ihn an, als sei er ein Alien.

Das ist mittlerweile alles gut belegt und längst wurde auch von Beteiligten eingeräumt, wie sehr sie von Anfang an, mehrheitlich der Auffassung waren, diesem fachkundigen und gebildeten Griechen nicht die geringste Chance zu lassen.

Alles Mögliche mag man dem griechischen Ex- Finanzminister unterstellen. Aber „einfache Botschaften“, „Purismus“ hatte er mitnichten in die Verhandlungen eingebracht und auch absolut nicht vereinfachend in der Öffentlichkeit argumentiert. Ganz im Gegenteil: Für die einfachen Wahrheiten, die Stefan Kornelius, glaubt man seinen Worten, für schädlich hält, waren vor allem andere politische Persönlichkeiten zuständig. Die wurden dafür, trotz ihres bräsigen und hölzernen Auftretens, unter Deutschen und gerade in seiner Süddeutschen Zeitung der Mitte, noch populärer beschrieben, sie es sich nur in ihren kühnsten Träumen ausmalen konnten.

Zum Beispiel Wolfgang Schäuble, unser oberster Finanzbeamter, der jedem zweiten Gesprächspartner ungefragt mitteilt, vereinfachend und einfach gesprochen, dass er, Schäuble, nicht doof sei und er daher nicht mehr vom Gegenüber wissen wolle, als dessen Namen und ein Ja oder Nein zu seinen Forderungen.

So geht die anerkannte Vereinfachung, die unser Mann von der Säbener Straße, pardon, von der Hultschiner, niemals kritisieren und als solche darstellen würde. Sein Stil ähnelt auffällig jener ledrig- herben Klubatmosphäre, einer durchaus intimen und in sich gekehrten Öffentlichkeit, die sich für eine Elite hält und beständig zeigen möchte, wer wirklich das Sagen für die Öffentlichkeit hat. - Stefan Kornelius schreibt erkennbar nicht für eine imaginäre Mitte, sondern über sie. Er hält sie für überfordert und wendet sich doch zugleich an sie, obwohl doch dort nur Vereinfacher verstanden werden. Wie kann das sein?

II

Was hat nun der arme, intellektuelle und pazifistische „HinterbänklerJeremy Corbyn von der Labour Party angestellt, um den Vereinfachern und Populisten zugerechnet zu werden? - Nun, eigentlich gar nichts!

Corbyn kommt vom „linken Rand“ und will Labour-Parteichef werden, was weniger vereinfacht heißt, er mag die Politik von New Labour, nach dem Muster Tony Blairs nicht, und schon einmal gar nicht, was David Cameron als Politik anzubieten hat.

New Labour bekam zuletzt eine deftige Wahl- Watschen, weil es politisch ununterscheidbar zu den regierenden Tories auftrat. Warum sollten Briten einen Labour- Mann wählen, der die gleichen Maßnahmen ergriffen hätte, die gleichen politischen Schwerpunkte setzen wollte, wie sein nun erneut im Amt bestätigter, konservativer Konkurrent? Daran scheiterer Ed Milliband, der Gegenkandidat, und darauf reagiert nun die abgewirtschaftete, erneuerungsbedürftige Arbeiterpartei auf der britischen Insel und somit auch Jeremy Corbyn vom „linken Rand“.

Sowas Komplexes könnte man, ohne Polemik, unserer Mitte, der Bürgerfrau und dem Bürgermann, erläutern. Weil das aber zu kompliziert wäre, dies der SZ- lesenden Mitte, die sich still und schweigsam doch für Elite hält, zu erklären, muss der Chefredakteur Leiter des Außenpolitikressorts (korr.,01.08.15), ran. Er hat ausreichend Erfahrung in der Erfindung gefährlicher Gespenster. - So geht Vereinfachung!

III

Der dritte im Bunde der Verdächtigen, ist ausgrechnet Donald Trump, ein geradezu antikes Idealbild von „Masse gegen Elite“! Der gilt aber, anders als die beiden vorgenannten Persönlichkeiten, die Stefan Kornelius zu elenden Vereinfachern erklärte, als Konservativer und dazu, seit Jahrzehnten, nicht gerade als Leuchtturm des Intellekts und der Aufklärung.

Der US- Milliardär will US-Präsident werden. Bisher trat er nur mit kruden Beleidigungen gegen den schwarzen Präsidenten, gegen Mexikaner und gegnerische Parteifreunde (McCain), sowie mit simplem Sprachmüll, öffentlich in Erscheinung. Das hat im kurzfristig, -es sei dem politischen Chefredakteur der Südeutschen unbekannter Weise mitgeteilt-, einige Zustimmung unter demjenigen notorischen Wahlvolk der Republikaner eingebracht, das schon immer so denkt, wie ihr Vorwahlkandidat Trump im Porzellanladen, diese kritische Masse von ganz oben.

Wie so ein Typ trotzdem wirkt, müsste Stefan Kornelius jedoch aus Bayern, dem Stammverbreitungsgebiet seiner Zeitung und des Bieres, bestens kennen.

Anzeichen von Bildung und Wissen, das unterscheidet ihn von den Vorgenannten, sind bei Donald Trump bisher nicht aufgefallen. Dafür aber, hat er ein Dollar- Vermögen auf seiner Seite. Das ist etwas, was der sogenannnten Mitte, in den Vereinigten Staaten, hierzulande, immer Respekt abnötigt.

Es verhält sich damit, wie bei dem ungleich feinsinnigeren Alexander Otto, der praktisch alle größeren deutschen Städte mit ECE- Centern zukleistern durfte und nun von seiner Stiftung „lebendige Stadt“, diese Geschäftstaten als gute und großartige Kultur schönreden und schönschreiben lässt. Es verhält sich damit so, wie mit den beiden, derzeit wichtigen Verlegerwitwen, die Deutschlands politische Meinung fast vereinen. Es verhält sich, wie mit den üblichen Vereinfachern aus der bayrischen Landespolitik, die den Staat erbgepachtet haben.

Da schaut die Mitte, zu der unser Journalist zweifellos gehört, gerne hin und ist seit langem angenehm wohlgesonnen.

Das mühsame Geschäft der Demokratie

Das „mühsame Geschäft der Demokratie“ überfordere die Bürger der Mitte, daher folgten sie Vereinfachern, so Stefan Kornelius. - Ja, so ist es!

Daraus ergab sich in Deutschland eine übergroße, große Koalition und eine machtlose Opposition. Daraus folgt eine Presse- und Medienlandschaft, die zunehmend diesen, eingetretenen Zustand der erstarrten und komplexitätsreduzierten Demokratie, nach Kräften weiter befördert und lobend bespricht. Jede Widerständigkeit oder Andersartigkeit, jedes Konkurrenzmodell, wird mit simplen Bezichtigungen und Zuschreibungen abgemeiert.

Es stand in der Süddeutschen Zeitung, es seien zu wenige Demonstranten bis vor die G7 zu Elmau gelangt. Spott quoll aus den Zeilen, der Protest sei daher nicht allzu ernst zu nehmen, zu viele Zeltplätze und Anfahrtwege seien leer geblieben. Es stand in dieser Intelligenzzeitung, die ATTAC- Proteste gegen die EZB in Frankfurt, seien nichts weiter, als völlig hilflos. Es stand in dem Blatt der Mitte, Streiks kleiner Gewerkschaften lähmten den Wirtschaftserfolg und hielten den Verkehr auf. Es stand in dieser Weltzeitung, Ulli Hoeneß sei einfach nur von einer Sucht zu spielen getrieben gewesen, keine Steuern zu zahlen, aber eigentlich sei er ein Pfundskerl. Usw.

Das mühsame Geschäft der Demokratie überforderte offensichtlich, neben Alpha-Journalisten, auch die Euro- Group und die aktuellen EU- Politiker. Daher schufen sie sich immer mehr Räte und Gremien, „Institutionen“ und „Erleicherungsmechanismen“, die sich gesetzlich und vertraglich abgesichert, einer öffentlichen und parlamentarisch- demokratischen Kontrolle entziehen können. Das ist gewollt.

Wahnsinnig oppositionell und ausdauernd, hat die Südeutsche Zeitung dagegen in den letzten Jahren angeschrieben. - Wer das glaubt, wird selig gesprochen!

Die heroischen Aufklärungsversuche in Sachen Demokratie, halten sich dort sehr in Grenzen. Es sind wenige Einzelstimmen, sie bestimmen nicht mehr die Hauptlinie des Blattes.

Über die letzten fünf Jahre hinweg, wurde die Öffentlichkeit zur Übernahme aller Finanzmarktrisiken aufgefordert und die EU- weite Sozialversicherung für großes Kapital, auf Kosten aller Bürger, nur milde und selten, wenn überhaupt, kritisiert. Ununterbrochen wird Austerität befürwortet. In Griechenland, sowie in anderen EU- Ländern, hat das zu einer, sonst nur in Kriegszeiten möglichen, Rezession und Verarmung, sowie zu massiver sozialer Ungleichheit geführt. - Das nenne ich schreckliche politische Vereinfachung und die Abschaltung des politischen Restverstandes.

An der derzeitigen Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise in Europa und an den innen- wie sicherheitspolitischen Fehlentscheidungen oder Nichtentscheidungen der letzten Jahre, trägt auch ein meinungsführendes Blatt ein gerüttetes Maß an Mitverantwortung, weil es zu diesen Themen die Stammtische der großen Mitte bediente und die regierende Politik kritiklos durchwinkte. Es dient eben nicht der Demokratie, ohne kritische Distanz zu einer übermächtigen Regierung und Wirtschaft zu agieren und Alternativen zu unterdrücken oder brutal abzuschreiben.

In der Mitte und im Gewohnten, wächst kein neuer und zugleich kluger Gedanke.

Der methodische und ideologische Starrsinn, medial verbreitet, führte sicherheitspolitisch, im Nahen und Mittleren Osten, in Nordafrika und in der Ostukraine zu flächendeckenden Desastern. Finanzpolitisch in den EU-Südländern und unter den sozial Abgehängten, z.B. auf der britischen Insel, -kaum woanders in der EU, ist das Gefälle arm- reich so drastisch-, sowie auf unserem Nachbarkontinent Afrika, zu weitläufigen Trümmer- und Hungerlandschaften.

Weil Leitmedien das politische Sein als unausweichlich und alternativlos hinstellen, sind sie für den Stillstand mitverantwortlich.

Die wenigen Querdenker, die dann auch noch als Terrible simplificateurs, aus dieser übergroßen medialen Mitte heraus, gebrandmarkt werden, erhalten nicht einmal eine faire Chance, zu mehr als ein paar Testimonials anzusetzen. Das wahrt zwar den Schein der medialen Offenheit, führt aber nicht zu einer spürbaren Änderung.

Soll man von Verdummung der Mitte durch Vereinfachung schreiben, wenn der Journalist die Aufgabe eines Regierungsprechers übernimmt? Vielleicht sollte man Stefan Kornelius, der auch schon einmal alle Bundesbürger als Dada- Bürger zu beschimpfen versuchte, weil er sich da nicht so gut auskennt, einen Chefposten bei der BILD oder BAMS anbieten? Da laufen solche Sachen, wie nun dieser aktuelle Kommentar aus seiner Tastatur oder seinem Diktat, unter Wagnerismus. Das Einfache, wird da immer verstanden.

Christoph Leusch

Dieses Blog bezieht sich auf Stefan Kornelius Kommentar- Artikel in der Süddeutschen Zeitung, vom 31.07.2015, "Stunde der Großmäuler-Populisten in der Politik". Er ist, unter dem folgenden Link, auch online erschienen:

http://www.sueddeutsche.de/politik/populisten-grossmaul-gegen-mitte-1.2588457 .

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