Wie blöd ist das denn? Überall Quoten

TED-Formatierung Scheindemokratische Meinungsabfrage in den Medien: Der tägliche TED der Meinungen und der "Musts" formiert uns mehr, als wir zugeben. Welcher Unsinn wird dadurch real?

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Wie blöd ist das denn? Überall Quoten. - Ein privater Medienkongress

(Blogeintrag, angeregt durch einen Kommentar Magdas und einen klugen Kommentar Kurt Kisters in der SZ (www.sueddeutsche.de/kultur/deutscher-alltag-liebe-deinen-leser-1.1080261 ), einmal nach innen horchend, feststelltend, furchtbar müde zu sein und, dass mir lange schon nichts mehr einfällt, was vor meinen Augen rechten Bestand hätte. Denkpause)

Im Zirkus soll es keine Elefanten mehr geben. Auch Tiger und Löwen und alles andere, sehenswerte Getier, das größer als ein Floh geraten könnte, darf nur noch in der freie Wildbahn wesen, umkreist von Westlern und Asiaten mit Portfeuille.

Der Floh, klar, der wird mit Permethrin gekillt und danach gut ausgekämmt, auf weißes Papier. Zu Hause und im Gewerbe gilt es das Klo täglich zu desinfizieren, damit keine Amöbe aus der Schüssel kriecht. Es stehen die Staubsauger bereit für den Tod des Spinnentiers, und lustlos kreiseln die Tropenfische in so manchem Selbstbau-Riffaquarium. - Zu Hause, an der Heimatfront, quält es sich einfach besser. Zum Silberfisch!

Im Zoo sterben derzeit Knuts aller Arten, die von ihren Müttern und Vätern, in der freien Wildbahn oder im Gehege, längst liegen gelassen und verstoßen wurden, am Pol und am Pool, auch zu Kigali.

Wo es kalt ist, unter Druck, von schmelzender Scholle zu Scholle, hier, in der Wärme, ohne Mutter, nicht schwimmend, gehen die Bärchen baden oder werden einfach von Mutti verspeist.

Böse wird der Mensch, hört er das und schimpft, „Diese schrecklichen Zoos heut´ überall.“ - Vor allem aber, hasst er, der Mensch, hohe Eintrittspreise und geistige Anstrengungen.

Derweil sitzt zu Hause der Kater Murr mit eingesunkenem Kreuz und Hängebauch über seiner Dose Premium-Lachs, häppchenweise, zuckercouleuriert. Diese Portion finden Herrchen und Frauchen gut, weil sie ihnen auch schmecken würde. Sie haben getestet. Die Stiftung die hierzulande fast alles testet, ebenso.

Ein Tier merkt sowas doch, und es beißt nicht nur aus tierischer Gewohnheit und zu Freude seiner menschlichen Alphas da hinein. Später fängt es, ihnen zum Dank, igitt, oh Gott, auch einmal eine Maus, zu Spaß und Spiel, als Anerkennung für so viel treue Pflegschaft. Da zeigt sich die Natur, die weiß was für sie gut ist.

Nebenan bei Mustermanns quält sich der auf fallende Linie getrimmte Rasseschäfer über die Vollfliese. So quält man dezent. Derweil sein Frauchen böse Tweetgewitter an den Zoodirektor schreibt, der leider so unvorsichtig war, aus dem Web und den publizierenden Medien nur Zuneigung zu erwarten, als es Knut und Shaina Pali, dem Elefäntchen, noch ganz prima ging. - Nun verfollowen sie ihn.

Siebentausend Bürger fallen jährlich dem eigenen Haushalt zum Opfer, weil sie beim Putzen zu viel Wasser mit Strom verbanden und die Scheiben auch einmal außen richtig sauber sehen wollten. So sauber, wie das Gewissen nimmer werden kann, blinkt die Republik. Im Frühjahr auf die Leiter oder gleich aus dem Fenster, das ist heute revolutionär!

Sobald es dunkel wird, über der A3, fahren dort Leute plötzlich schneller, die bei Lichte betrachtet zu viel Angst hätten. So kriegen Sie wenigstens kaum mit, was wegen ihnen und hinter ihnen so passiert.

Zeitungen und Webmagazine launchen sich regelmäßig. Manche schaffen diesen Countdown nur knapp vor dem eigenen Untergang oder sogar noch kurz nach der Havarie, als letztes, trotziges Aufbegehren im Tabloid. Andere erledigen das, wie es die Geschäftsführung mit ihrem Haarschnitt hält, alle Jahre, modisch, immer wieder, ganz neu. Kaum einer denkt daran, wie selten die gelaunchten Raketen aus dem All zurück kehren. Wenn sie es tun, dann als Trümmerfragment, das partout beim Wiedereintritt nicht verglühen wollte.

Ein richtiger, meist auch absolut bösartiger Launch, kommt häufig mit einem neuen Chef und kostet so viel, wie das, was dreizehn Journalisten, ein ganzes Jahr zur Arbeitsleistung in der Redaktion eingesperrt, an Lohn verschlängen, fürs täglich neue Zeilenfukushima.

Öffentliche Sender gehen dazu über, das Volk jeden Tag und jede Nacht und auf jedem der verrechtlichten Kanäle, zu allen Themen über seinen TED aufzuklären. Nur so weiß das Volk was es noch denken soll, sonst wäre das allzu anstrengend. Die Panels der Befrager sind die digitalen Dachlatten, mit denen brutal heimgewunken wird. „Sie haben gerade über sich abgestimmt“, lautet die geheime Botschaft, die Message aus der Kohorte. Gedacht wird aber, „Unsere Meinung ist gefragt.“ - Das ist tückisch.

Eigentlich hilft da nur konsequente Verweigerung jeglicher Befragung und selbst die Meinungsäußerung in jedem Medienorgan, um nicht weiter als geduldiges Alibi dienen zu können, für die 300 die ihre Meinung nicht nur täglich sagen, sondern sogar meinen, das sei so vollkommen richtig.

Christoph Leusch

PS : Lag mein aktueller Pessimismusanfall nun darin begründet, Alexander Kluge beim Digitalisieren dessen, was meist nur in Bücher gut hinein passt, sehr "verbittet" gesehen zu haben ( http://www.dctp.tv/filme/auswege-aus-der-gegenwart/ )? Ich glaube aber doch immer noch an seine Vasentheorie! Es muss ja nicht gleich eine romantische, eine griechische Vase sein, die man anbetet, Bauhaus geht auch. Oder war es doch das nächtliche Fahrn auf der Autobahn?

Dazu und zum Kongresswesen, einfühlsam männlich, Klaus Raab (dF):

www.freitag.de/community/blogs/medienkongress2011/bilanz-ziehen-wir-spaeter

Es darf hoffentlich getanzt werden.

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