Liebeslied zum Jahresanfang 2015

15. August 1987 Es geschah während des Bürgerkrieges in Mosambik (1978 bis 1992)

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

http://picload.org/image/ccrdrac/2014-12-3017.38.32.jpg

Foto: Eigene Fotosammlung, Irgendwo in Mosambik 1987, Autor unbekannt

- - -

Erinnerst Du Dich an die Opfer des Krieges?

Wir trafen Tausende, Hunderttausende über die Jahre.

Todmüde Menschen auf der Flucht,

zum Sterben bereit,

mit nichts mehr auf dem Leib

als Haut und Flechten.

Warum dann sinnlos weiterleben?

Schlächter in Präsidenten- und Ministergestalt,

in Generalsgestalt, in Soldaten- und Guerillagestalt,

machtgierig, unmenschlich.

Dürstend nach Blut in ihrer Wut

stürzten sie sich auf den Feind im Kalten Stellvertreterkrieg,

im sinnlosen Bruderkrieg,

geschürt von auswärtigen Kapitalisten und Sozialisten.

Was blieb uns in dieser Hölle?

Der Versuch, Leben zu retten.

Immer wieder packte uns die Verzweiflung über das Wenige,

was wir zu tun vermochten.

Nicht selten hatten wir Angst um uns selbst.

Doch auch nicht selten überkam uns die Freude,

dem Sensenmann die allzeit bereite Sense aus der Hand geschlagen zu haben.

Die Schlächter gieren weiter, auch im Frieden,

lechzen nach Macht und nach Geld,

jetzt scheinbar friedlich, freundlich,

ob in der Stadt, ob im Feld,

ob auf Staatsbesuch in der weiten Welt.

Es treibt sie das Fressen, das Saugen.

Der Lebenssaft ihrer Völker schmeckt warm und reich.

Das ist ihr irdisch Himmelreich.

- - -

Dein langes schwarzes Haar war nass und zerzaust.

Zu morgendlicher Stund‘ kamst Du zu spät aus dem Haus.

Die Verlegenheit stand Dir gut zu Gesicht.

Alle warteten auf Dich, die Du doch immer pünktlich bist.

Flugzeuge standen bereit.

Du hattest die Delegierten auf die Plätze verteilt.

Ich war neugierig auf Dich,

Doch inmitten der Ausländerschar

war es schwierig, Dir nahe zu kommen.

Lange Stunden von Süden nach Norden

saß ich Dir gegenüber.

Du dachtest, hoffentlich ist der Flug bald vorüber!

Flüchtige Blicke, verstecktes Interesse unter Helfern in Not

ist oft das Einzige neben der Pflicht,

das aufrecht erhält in sterbender Welt.

Endlose Besuche in Lagern,

randvoll gefüllt mit verlorenen Menschen und halben Leichen.

Nimmt Elend, verursacht durch Krieg, durch Mörder, die nicht weichen,

denn nie ein Ende?

Gibt es eine Wende

zum Guten, zum Menschlichen, hoffentlich bald?

Wir waren erschlagen wie so oft in diesen Tagen.

Wir sehnten uns nach menschlicher Wärme.

Bloß weg vom Krieg!

Und sei es nur für wenige Augenblicke vor der Nacht,

bis Morgen ein neuer Tag mit neuer Pflicht erwacht.

Die einzige, brüchige Bar

mit melancholischer Musik in tiefschwarzer Nacht rief uns herein:

Hier gibt’s noch Bier und etwas Wein.

Lasst uns vergessen die schrecklichen Bilder!

Lasst uns tanzen, lasst uns Nähe suchen!

Zum ersten Mal fühlte ich Deine Hand,

fühlte ich Deinen Atem.

Flüsternd, mit trockenem Mund tauschten wir scheue Worte.

Dein Körper zitterte, als er sich erstmals an den meinen schmiegte und wiegte.

Nur Sekunden entschieden über unser Schicksal.

Hatte ein fremder Zauber uns verzaubert?

Gab es auf dem Schlachtfeld von Geburt und Tod auch unsere Liebe?

Vielleicht ist das die ew‘ge Wiege allen Lebens:

Geburt, Tod und mittendrin die Liebe?

Der Flug zurück gen Süden war voller Ahnung:

Ein neues Leben tat sich auf:

So wie die Kirschblüte Kriegen widersteht,

werden wir gemeinsam Schlächtern und Bürokraten widersteh’n.

Liebe und Freiheit werden immer wieder aufersteh’n.

- - -

http://picload.org/image/ccrdroi/2014-12-3017.24.44.jpg

Foto: Eigene Bildersammlung, Kirschblüte, Autor: unsere japanische "Sensei"

- - -

LG aus Panamá zum Jahresanfang 2015,

CE

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden