Qualitätsjournalismus?

Geschäftsmodelle. Es geht um eine inhaltliche Auseinandersetzung zum Thema Journalismus, um eine Abgrenzung zu bestehenden kommerziellen Konzepten & um die Idee eines anderen Journalismus.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

..

Schreibhandwerk und Kommerz

Klassischer Journalismus ist ebenso sehr professionelles Handwerk (Schreibhandwerk) wie ein kommerzielles Geschäft. Gegen Ersteres ist nichts eizuwenden, denn es ergibt Sinn sich Gedanken darüber zu machen, wie Inhalte so in Worte gefasst werden, dass sie die Leser/innen auch erreichen. Zumindest solange die Form nicht über den Inhalt gestellt wird und die Journaille sich nicht zur allein bestimmenden Meinungsbildungsinstanz erhebt.

Die Funktion bestimmt die Form

In der Architektur gibt es den Satz, die Funktion bestimmt die Form. Nehmen wir an ein Kind oder ein/e Jugendliche/r aus einem Krisengebiet verfasst einen Blog, das Kind bzw. die/der Jugendliche/r kann ein bisschen Englisch, die Blogbeiträge halten sich weder an die Rechtschreib- und Grammatikregeln noch an stilistische und journalistische Regeln, dennoch wäre die Funktion: Menschen zu informieren und vielleicht auch an Verantwortliche zu appellieren (zum Beispiel ein Appell an die Politiker/innen bitte nach friedlichen Konfliktlösungswegen zu suchen) usw. voll erfüllt -- vielleicht sogar sehr viel mehr erfüllt als bei mit einem schlecht recherchierten professionellen journalistischen Beitrag – der über eine Situation und über Menschen schreibt.

Ich finde es wichtig, dass, wann immer möglich, nicht über Menschen geschrieben wird, sondern Menschen für sich selbst sprechen können.

Offenheit

Stellvertretungsansätze und repräsentative Ansätze sind ein Akt der Bevormundung. Das Internet bietet die Chance, dass Menschen für sich selbst sprechen können, diese Freiheit sollte nicht negiert werden dadurch, dass professionelle Journalisten/innen und etablierte Träger/innen der Meinungsmache ihre Felle davonschwimmen sehen und gegen die Offenheit des Internets intervenieren – z. B. durch Paywalls oder Bezahl-Ansätze wie bei den Krautreporter/innen.

No Walls und kein Kraut!

Paywalls schließen Benachteiligte und Arme aus. Andere Bezahlkonzepte – wie zum Beispiel der Ansatz der Krautreporter/innen weisen im übertragenen Sinne Parallelen auf zur Wiedereinführung eines Mehrklassenwahlrechts, da z. B. im Konzept der Krautreporter/innen vorgesehen ist, dass die Möglichkeit zu kommentieren und die Möglichkeit Themen auf die Agenda zu setzen – von Beitragszahlungen abhängt. Arme Menschen werden dadurch vom Meinungsbildungsprozess, von Mitgestaltungsmöglichkeiten usw. exkludiert, werden zu stummen Leser/innen, die serviert bekommen und schlucken müssen, was vorgesetzt wird. Das ist ein Rückschritt hinter die eigentlichen Möglichkeiten des Internetzeitalters und noch hinter das Zeitalter moderner Printmedien, weil selbst zu Zeiten als noch die Printmedien dominierten, hatte jede/r Mensch – unabhängig von einem Abo, die Möglichkeit Leser/innen-Briefe zu verfassen. Zum Beispiel weiß ich von der Sozialarbeit, dass Menschen, die sich selbst keine Zeitung leisten konnten, zum Beispiel bei Stadtteilprojekten Zeitung lasen und dann ggf. auch Leser/innen-Briefe verfassten und später zu Zeiten des Internets Computer von sozialen Einrichtungen nutzten, um zu kommentieren, beides Optionen, die Kraut nicht zulässt, weil kommentieren dürfen nur die, welche sich das Recht dazu erkauften. Das Krautreporter/innen-Konzept ist ein sozialer und gesellschaftlicher Rückschritt und benachteiligt systematisch Arme.

Kraut you! Es graut.

Auch personell könnte die Besetzung kaum reaktionärer sein!

Es finden sich in den Reihen der Krautreporter einige Journalisten/innen, die in der Vergangenheit vor allem durch reaktionäre, antifeministische und militaristische Ansätze auffielen. Die Mehrheit der Krautreporter ist männlich und weiß. Frauen machen die Krautreporter schon bereits in der Namensgebung vorsichtshalber erst gar nicht sichtbar, die weibliche Form muss der/die Leser/in gedanklich im Namen ebenso wie in Texten selbst ergänzen. Frauen sind bei den Krauts eine Randerscheinung, man/frau muss sie suchen und die wenigen, die sich zu den Krauts verirrten, sind sehr speziell, denn es finden sich in der Reihen der Krautreporter zum Beispiel zwar keine Feministinnen, dafür aber Chauvinistinnen, denen es etwas gibt (vermutlich Anerkennung bei den Macho-Kollegen) andere Frauen als Tussis zu bezeichnen und in antifeministische Schriften über Tussikratie lustig fröhlich und gedankenlos Chauvi-Sprüche wiederkäuend runterzurattern. Weshalb es Feminismus gibt und weshalb er nach wie vor bedeutet, beides interessiert die wohlstandssaturierten Karrieristinnen im patriarchalen System nicht wirklich. Mit von der Partie ist ein Ex-Focus-Autor, der Blogbetreiber von „Augen gerade aus“, er ist zwar kein Hardcore-Militarist und hat ab und an auch mal einen hellen Moment, in dem er kritisch über z. B. Rüstung schreibt, ist aber insgesamt dem Militär sehr zugetan, erfreut sich höchster Beliebtheit bei Bundeswehr und NATO. Pazifist ist er keiner. Die Krautreporter-Besatzung ist außerdem weder interkulturell noch interreligiös aufgestellt, sondern Versammlungsort der abendländischen reaktionären Christenheit usw.

Verkaufsmodell: Im Regal steht der Mensch

Menschen wie Produkte als Stars (Starjournalisten/innen) zu vermarkten und Exklusivveranstaltungen und soziale Nähe zu verkaufen wie ein Produkt aus dem Supermarktregal, so wie es bei den Krautreportern vorgesehen ist, ist schlichtweg unethisch. Dagegen ist jede Form konventionellen Starkkults geradezu ehrlich: da machen Leute einen Kinofilm oder schreiben einen Song, geben Autogrammstunden usw. – und das war es, aber die Idee sich selbst ins Regal zu setzen und sich vermeinungszuverprostitutieren, indem man/frau auf Bezahlung hin aktiv wird in der Meinungsmache beeinflusst von Leuten, die für die Punkte auf der Gliederung und für Gesprächsanlässe bei Premiumveranstaltungen Geld blechten, das ist echt neu. Dagegen ist selbst konventioneller Lobbyismus direkt unschuldig. Wer zahlt schafft an. Hirnleasing! Bezahlschreibe!

Journalismus ist und war immer auch ein Geschäft, aber so eines?! Ich finde es erstaunlich wie innerhalb kürzester Zeit so viel Geld gesammelt wird, wenn die Branche für sich selbst wirbt und das mit einem Konzept, von dem niemand genau wusste, wohin es geht, das vor allem eines war: konfus und nichtssagend – klar zur Aussage lediglich brachte, dass erst einmal alles um Kohle geht und ohne Moos nichts los ist und wer zahlt, auch anschaffen wird. Ansonsten einfach nur der Stempel „Qualitätsjournalismus“ und selbsternannte Stars und Exklusiv-Clubvorteile für Einkaufende genügten, ein detailliertes Konzept jedenfalls lag nicht vor, revolutionäre soziale oder gesellschaftliche Ideen auch nicht. Das, was mit den Krautreportern abging, ist erschütternd! Und zeigt eindeutig, das zwei Stunden Ethik in der Woche im Schulunterricht zu wenig sind!

Die Mär vom Qualitätsjournalismus

Was dem Journalismus viel besser stünde in der Krise (als der von der Branche hoch besungene Mythos vom Qualitätsjournalismus) -- wäre eine kritische Selbstreflexion: Der sogenannte Qualitätsjournalismus ist nämlich eine Marketing-Erfindung. Denn seit jeher konnten soziale und gesellschaftliche Revolutionen in den seltensten Fällen auf professionelle Journalisten/innen setzen. Weder z. B. die feministische Bewegung noch z. B. die schwarze Bürgerrechts- und Menschenrechtsbewegung usw. konnten anfangs auf die professionellen Medien setzen. Im Gegenteil die frühen Feministen/innen ebenso wie Martin Luther King und zahllose andere soziale und gesellschaftliche Revolutionäre/innen spürten Anfeindung von der konventionellen Presse und mussten weite Teile ihres Weges über Gegenöffentlichkeit gehen. Martin Luther King wurde von der bürgerlichen Presse sogar regelrecht angefeindet zum Beispiel für sein Engagement gegen den Vietnamkrieg und gegen Imperialismus. Die feministische Bewegung verlief (abgesehen von wenigen prominenten Ausnahmen bürgerlich angepasster braver Feministinnen) publizistisch betrachtet fast ausschließlich in der Gegenöffentlichkeit. Die Frauen könnten heute noch vor den Redaktionsräumen der bürgerliche Presse vergebens um Einlass rufen, hätten sie nicht eigene publikative Wege beschritten. (Courage und andere Zeitschriftenprojekte initiiert usw. )

sublim sublim

Statt selbstgerechtem Schulterklopfen der professionellen journalistischen Branche, wäre eine kritische Selbstreflexion der Branche angezeigt. Wären kritische Fragen angezeigt, inwieweit zum Bespiel durch die Abhängigkeit vom etablierten System (Werbekunden, Geldgeber/innen usw.) ein sublimer (vielleicht sogar unausgesprochenen) Anpassungsdruck an die herrschenden Verhältnisse gegeben war und ist? Oder inwieweit sozial-psychologische (zu einem vermutlich nicht unerheblichen Teil unbewusste) Momente eine Rolle spielen, die davon abhalten wirklich kritischen Journalismus zu machen? Der Druck ist sublim. Niemand wird wirklich etwas verboten, theoretisch existiert Freiheit, faktisch sind die Sendeplätze und Seiten limitiert. Es geht um Auflagen, um Einschaltquoten, der Marktmechanismus greift nicht in Form von direkter Zensur, es ist eher ein anonymer Marktprozess --- gesichtslos, namenlos. Es ist das (unbewusste oder halblaute) Wissen im Kopf, das bringt keine Einschaltquote, das Wissen im Kopf, das will keine/r lesen, der Redakteur will jetzt einen Beitrag zu einem Hypethema, das durch alle Medien geht (warum sind eigentlich die Themen so identisch? Alle Zeitungen berichten zeitgleich von fast den identischen Themen, wenn man / frau eine Tageszeitung gelesen hat, kann man/frau sich eigentlich fast schon ein Spiel daraus machen - die Themen durchzudeklinieren aus der Perspektive der anderen Zeitungen (wenn man/frau auch nur halbwegs vertraut ist mit der Schreibe und Denke der jeweiligen Journalisten/innen), d. h. wenn man/frau eine Zeitung gelesen hat, weiß man/frau zumindest tendenziell, was in allen Zeitungen steht. Mit den Themen ist es wie mit der Mode. Es gibt In-Themen, andere Themen fallen oft runter.

Markenjournalismus

In einem literarisch-philosophischen Seminar fragte jemand einmal, was macht einen Hemingway zu einem Hemingway, seinen Stil aus - und was sagt uns das zum Thema Sprachphilosophie?

Nichts, würde ich sagen. Hemingway ist nicht Hemingway, ist Hemingway, nicht Hemingway… Wenn er erst einmal festgeklopft ist auf „ist nicht Nicht-Hemingway“ und „ist Hemingway“, „ist Hemingway“, „ist Hemingway“ für alle Zeiten, ist er starre Hülse. Die wiedererkennbare Stilkiste bzw. Marke „Hemingway“ ist ein nicht-existentes künstliches Konstrukt, insofern Hemingway zu seinem eigenen Gespenst „Hemingway“ wird, einem von „Hemingway“ Verfolgten, weil er den Stempel „Hemingway“ aufgedrückt bekam, der ihm wie ein Schatten hinterherjagt, weil er veräußert in die Form „Hemingway“ gepresst und in Dosen und kleinen Fläschchen mit Aufschrift „Hemingway“ verkauft wird, die Marke „Hemingway“ erfunden ist und etabliert wird - wie ein Produkt. Hemingway wehrte sich dagegen – wie eine Marke gesehen zu werden.

Hemingway äußerte sich einst sehr verstört darüber, dass seine Geschichten lehrstoffmäßig in Sammelbänden einverleibt zur Pflichtlektüre wurden – und sagte, sie würden sich lesen wie Short-Stories, die er nie geschrieben hätte. Er wollte keinen Kult um seine Person, er wollte Menschen zum Nachdenken bringen.

Kultjournalismus?

Heutzutage bemühen sich die Journalisten/innen ganz im Unterschied zu Hemingway, den der Kult um seine Person aufregte, um ihre eigene Geschichtsschreibung und inszenieren den Kult geradezu und lassen ihren Fan-Club Clubbeiträge bezahlen für Clubvorteilsjournalismus. Und noch ein Unterschied: Hemingway schrieb kriegskritische Texte. Das kann man/frau von den neuen Qualitätsjournalisten/innen nicht behaupten.

Die Frage müsste doch lauten: Wird es als Mensch nicht furchtbar einsam um einen und langweilig, wenn man/frau sich selbst den Stempel Qualitätsjournalist/in oder welchen Stempel auch immer als Markenbezeichnung auf die Stirn drückt? Sind jetzt alle high? Kohl und Kraut besoffen? Zitat Kohl: „Ich der Kanzler der Geschichte“ -- die Krautreporter der journalistischen Qualitätsgeschichte. Gibt es noch Steigerungen? Oder Aussagen klopfen: wie Du „Tussi“ ich Tarzanin, ähm: Patriarchin. Das sind so die Kernaussagen des neuen Qualitätsjournalismus. Vegan ist doof. Und coole Erkenntnisse: Wie: Hilfe, Menschen altern! Überall alles überaltert. News aus Methusalem-City. Freut euch nicht, ärgert Euch grün und blau! Wieso? Ist doch wunderbar ein langes Leben? Nein, ärgert Euch wegen dem Geld, wegen der Rente! Gesellschaftskrise, Staatskrise! Muss her! Auflage! Ärgert Euch gefälligst! Wer platzt denn da in unsere schöne Rentenkrise? Schon wieder diese doofen Veganer/innen! Mit einer sinnlosen Öko-Krise, machen sie unsere ganze schöne Rentenkrise kaputt: Notfall: die doofen Veganer/innen bestehen aber darauf, dass Kühe klimaschädlich sind. Es lässt sich nicht weiter von der Hand weisen. Also, gut: Kühe sind klimaschädlich, lasst uns Maden und Insekten essen, Direktreportage aus unserem Konzern-Labor in Holland. Hauptsache Fleisch! Sonst wächst uns noch Salat aus den Ohren, wenn die doofen Veganer/innen sich durchsetzen! Salat essen – wo kommen wir denn da hin?! Und die doofen Pazifisten/innen! Alles so friedlich niedlich, das geht gar nicht. Die vermasseln uns noch die Afghanistan-Story! Zwischenmeldung: der Redaktionspraktikant im ersten Semester hat eine grandiose Idee. Was denn? Der Klimawandel ist eine Erfindung! Super Schlagzeile, dann sind wir sie auf einen Schlag los die Ökos und die Veganer/innen. Befördert ihn, der Junge ist gut! Er ist eine Sie, wir nennen sie nur er, weil Sie in einer Geschäftsanweisung die weibliche Form sprachlich ausgeschlossen haben, aber aber sie hat allem Feminismus abgesagt und schwört darauf, dass fast alle Frauen Tussis sind. Befördern, befördern, befördert sie trotzdem, das mit den Tussis wird Titelstroy! Chef, News: die haben gerade Laborkühe erfunden, die ganz ohne Verdauung in Nährlösungsbecken wie Kunstwale (auch ganz ohne Verdauung) schwimmen, man kippt die Zutaten in das Becken und die Kühe nehmen die gewünschte Geschmacksrichtung an, saugen alles auf wie ein Schwamm. Zum Beispiel gibt es jetzt Rindfleisch, das nach Kirsche und Zucchini schmeckt. Genial, genial, aber lasst das mit den Wal-Vergleich weg sonst werden die Walschützer/innen wieder aktiv! Wo isn der Chef jetzt hin? Der radiert gerade, ähm retuschiert! Was denn? Brüste weg und Hipp-Baby-Milch-Flaschen hin, gestern ging ein Werbeauftrag rein. Hat jemand noch ein noch cooleres Argument gegen Veganismus!? Mhm, dann muss man/frau beim Einkaufen Etiketten lesen, was drinnen is! Das ist anstrengend! Gigantisches Argument, dass ich da nicht selbst drauf kam! Lesen ist anstrengend, schreibt das! Ähm. Zwischenruf: Die Tussi-Stroy und die Klimalüge können nicht auf die Titelseite? Wieso? Da ist schon ganzseitig: Bin-doch-nicht-blöd-Werbung Mediamarkt. Und auf Seite zwei? Die neue Produktserie, auch schon voll. Zweiseitig. Chef, Markt-Studiendaten, Evaluationsbericht: Ein signifikant hoher Leseranteil beschwerte sich, dass im letzten halben Jahr nichts über Politik zu lesen war. Also, gut. Seite vier irgendwas über Demokratie. Haaaaallo? Jungs von der Action-Abteilung?! Haaaaaaaaaallo Jungs mit der Knarre, der gute Onkel mit der Tastatur aus der Militärschreibstube ist dran, schöner Wohnen in Afghanistan mit mehr Militär-Demokratie, der neue Truppen-Unterhaltungs-Comic ist raus: Titel: Augen geradeaus! Immer schön aufs Ziel und dann: Peng! Oh, die verkennen Euch zuhause alle so, Ihr Helden, die halten Euch für Mörder. Aber der gute Onkel von Augen gerade aus, der versteht Euch und hilft, dass auch die dummen Leute zuhause Euch besser verstehen. Und Augen gerade aus, wird eine richtig fesche Marke zum Kohle machen, Ihr schießt, lasst bluten und blutet, der gute Onkel schreibt, das bringt Klick-Zahlen.

So viel zum Thema Krautreporter. Diese Form des Journalismus wird auch nicht besser dadurch, dass Bürger/innen ihn nachahmen:

Es folgt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Bürger-Journalismus-Modell Costas und einem repräsentativen Stellvertretermodell Solotos und Costas.

Erste, zweite, dritte, vierte usw. Gewalt im Staat

Das Konzept Costas inszeniert Bürger-Journalismus als eine zusätzliche Gewalt zu den bereits bestehenden Gewalten des etablierten Systems mit seinen Herrschaftsstrukturen, bricht aber nicht aus dem Gewaltendenken aus, kommt zu keiner neuen Qualität.

Bürger/innen oder Menschen?

Er spricht von Bürger/innen, nicht von Menschen. Bürger/innen definieren sich durch Staatszugehörigkeit, damit verbunden sind Rechte, die nur Bürger/innen haben. Ich glaube aber daran, dass alle Menschen gleich sind und deshalb auch gleichberechtigt sein sollten. Ich glaube an Menschenrechte. Das Sterben an den Grenzen Europas muss ein Ende haben. Alle Menschen sind willkommen -- allein aufgrund ihres Menschseins haben sie ein Aufenthalts- und Bleiberecht. Die Mauern um Europa müssen fallen – wie die Berliner Mauer gefallen ist! Europa soll offen werden. Menschen begegnen Menschen in Freundschaft und Liebe.

Der Nationenbegriff ist ein künstliches und ideologisch aufgeladenes Konstrukt

Costa spricht von Nationen und von der Stärkung des Nationalitätsbegriffs und von Ansätzen wie Nation-Building usw. Nationen sind aber künstliche Konstrukte, die nichts als Konflikte und Kriege verursachen. Außerdem definiert sich ein großer Teil der indigenen Völker nicht über den Nationen-Begriff. Wirtschaftskonzerne verhandeln häufig auf nationalstaatlicher Ebene, sowohl die Nationalstaaten als auch die Konzerne ignorieren dabei häufig das Recht auf Selbstbestimmung indigener Völker. Gegen den Willen vieler indigener Völker wird Konzernen Zugriff auf ihr Land möglich, nach Ausschlachtung der Bodenschätze usw. ist das Land meist verwüstet. Der westliche Nationenbegriff in Verbindung mit Kapitalismus hat zur Folge, dass viele indigene Kulturen bedroht sind. Außerdem gehen viele Kriege weltweit um Grenzziehungsfragen, insofern durch imperialistischen Zugriff künstlich und willkürlich Grenzen gezogen wurden, an denen Konflikte entfachen. Der westliche Nationenbegriff gepaart mit Ideologien führt weltweit zu Konflikten und ideologisch verursachten Stellvertreterkriegen.

Costas Ansatz erinnert in Vielem an die Ansatzweise und das Vorgehen der UNO. Die Vereinten Nationen sind von einer Ideologie getragen, die viele Menschen und Kulturen benachteiligt.

Die UNO sollte sich wandeln!

Die UNO soll sich wandeln und ihre ideologischen Konzepte fallen lassen! Sie soll nicht länger Nationen, sondern Menschen und Kulturen in den Mittelpunkt stellen! Sie soll allen Menschen und allen Kulturen dienen! Sie soll allen Kindern weltweit gleichberechtigt eine Stimme geben! Es ist gut, dass sie zum Beispiel Malala eine Stimme gab, aber sie hätten zugleich auch Kindern eine Stimme geben müssen, die Opfer von Drohnenangriffen wurden.

Top-Down-Ansätze versus Graswurzelansätze

Costas Bürger/innen-Journalismus ist fernerhin ein methodenbasierter Top-Down-Ansatz. Angefangen von vorgeschalteten Feasibility-Studien bis hin zur Erfolgskontrolle ist der Bürger/innen-Journalismus Costas kein Graswurzelprojekt, sondern ein institutionell und wirtschaftlich ausgerichteter hierarchischer Ansatz.

Jugendliche sollen beschult werden und entsprechend des Menschenbildes des homo oeconomicus zu Träger/innen der regionalen Wirtschaft werden. Es geht in Costas Ansätzen vor allem um die Wirtschaft. Soziales und Kulturelles hat eine klar untergeordnete Stellung.

Die dahinterliegenden pädagogischen Ansätze sind zudem veraltet, da spätestens seit Margaret Mead in der Pädagogik klar ist, dass eben nicht mehr die junge Generation von der älteren Generation lernt. Lernen gestaltet sich in komplexe Austauschprozessen, die auf Wechselseitigkeit und Gleichberechtigung und Augenhöhe beruhen.

Sowohl Costa als auch Soloto sprechen sich für Stellvertreteransätze und repräsentative Konzepte aus. Costa zum Beispiel kritisiert zwar die Piraten als Teil des repräsentativen Parteiensystems, fordert in einem Blog sogar die Auflösung der Piratenpartei, will aber zugleich als Repräsentant anstelle von den Piraten in den Bundestag gewählt werden, also als Alleinrepräsentant in den Bundestag, eine Konzentration der Macht auf seine Person. Soloto sprach davon eine Community-Vertretung mit leitender Stellvertrerfunktion aufmachen zu wollen, zwischenzeitlich nur noch zum Spaß bzw. aus Marketinggründen für sein Buch, anfangs durchaus ernsthaft.

Ich lehne jede Form von Repräsentation und Stellvertretung ab. Ich bin der Meinung, dass Menschen für sich selbst sprechen sollten. Ich bin für direkte Demokratie und Basisdemokratie. Ich glaube an Freiheit und an das unpolitische Wort Liebe. Ich kann aus diesen Gründen weder Costas noch Solotos repräsentative Ansätze teilen -- und möchte in einem neuen Blog noch einmal herausarbeiten, worum es mir mit dem Treffen ging:

Einen Journalismus -- dem es um Begegnung geht und der etwas bewegen möchte:

--> Text: Eine andere Form des Journalismus

Liebe Grüße

Daniela Waldmann

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden