Die linke Grenze

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Bernd Ulrich sieht im Leitartikel der Wochenzeitung DIE ZEIT von dieser Woche das linke Parteienspektrum an der Grenze ihrer politischen Handlungsfähigkeit. Er zieht Parallelen zur neoliberalen Politik von Rot-Grün bis 2005 und der Beinaheniederlage von Angela Merkel bei dem Versuch Gerhard Schröder rechts zu überholen. Die europäische Linke ist jenseits aller Wahlstrategie jetzt gefordert dem grassierenden Raubtierkapitalismus Einhalt zu gebieten.

Es gibt nur Fotoaufnahmen: es ist 18:00 Uhr, der 18.09.2005 im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin, als die ersten Prognosen bekannt gegeben werden. Verheerend für die Union und die damalige Kanzlerkandidatin Merkel, die zur Salzsäule erstarrt diesen Tag, diese Minuten als anitzipierten Richtungswechsel ihrer einige Wochen später einsetzenden Kanzlerschaft begreift . Ein mageres Prozentpünktchen vor der SPD und meilenweit entfernt von einer Koalitionsoption mit den Liberalen.

Dabei zog Angela Merkel im Sommer 2005 aus als Wiedergeburt Maggie Thatchers für ihr Leipziger Programm von 2003 eine komfortable Mehrheit in der deutschen Bevölkerung zu erreichen. Sie war sich nicht zu schade damals das Deutschland 2005 mit dem Deutschland von 1945 in ein Gleichnis zu setzen und sich als neoliberale Heilsbringerin zu inszenieren.

Die jüngere Geschichte hat gezeigt, dass sie tatsächlich mit der Politk der Vorgängerregierung gebrochen hat. Die Einführung der Rente mit 67 unter der Federführung vom damaligen Bundesarbeitsminister Franz Müntefering wurde ihr noch von der Agenda-SPD in der großen Koalition aufgezwungen. Angela Merkel ist damals einigermaßen überrascht gewesen, dass sich die Sozialdemokraten so offen ins Schwert gestürzt haben und das, obwohl allen Beteiligten klar gewesen ist, dass damit beim Wähler kein Blumentopf zu gewinnen gewesen ist.

Bekanntlich sind die Sozialdemokraten 2009 mit 22,9 % aus der Regierung geflogen und bis in die Gegenwart damit beschäftigt, die Agenda-Auswüchse auszubügeln und ihren inneren Kompass zu bestimmen. Die daraufhin einsetzende schwarz-gelbe Regierungskoalition hat schon zu Beginn alle weiteren neoliberalen Reformbemühungen aufgegeben und sich eher auf das Verwalten von Macht konzentriert, allen voran die Kanzlerin selbst.

Der Maßstab muss von der Politik gesetzt werden - der Genehmigungsvorbehalt liegt weiterhin beim Wähler

Da Angela Merkel im Herbst 2005 vom Wähler kein Mandat für ihren Neo-Thatcherismus erhalten hat, warnt Bernd Ulrich nun, dass es dem linken Parteienspektrum spiegelbildlich mit einer linken Version ähnlich ergehen könnte.

Dass der Wahlbevölkerung eine gewisse Launenhaftigkeit anhängt, ist unbestritten. Die Analyse Ulrichs greift jedoch zu kurz, aus Angst vor dem Wählervotum allzu linke Konzepte lieber im so genannten Giftschrank zu lassen. Das sich abzeichnende Versinken Griechenlands in Chaos und Anarchie, der Rollback der Finanzkrise zwingt die politische Linke jedoch, einen Schritt weiterzugehen und den Finanzmarktjongleuren die Zügel aus der Hand zu nehmen.

Es bedarf einer Richtungsvorgabe der politischen Linke in Europa den Primat der Politik, der spätestens in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts durch Reagon und Thatcher eleminiert worden ist, wiederherzustellen. Die SPD als linke Volkspartei in Deutschland muss beginnen in Teilen radikal anmutende politische Visionen und Konzepte aufzulegen, um die europäischen Staaten aus den Fesseln der Finanzmärkte zu befreien.

In Frankreich ist mit François Hollande als neuen französischen Präsidenten nun ein starker Partner in Europa vorhanden.

Zwischen Merkel 2005 und den linken Parteien in Deutschland 2012 besteht ein gewaltiger Untschied: Merkel war sich 2005 aufgrund des rot-grünen Siechtums nach dem Durchpeitschen der Agenda 2010 in Parteien und Fraktionen so sicher, dem Wähler ein für ihn selbst schmerzhaft anmutende Wahlkampagne präsentieren zu können und trotzdem ein schwarz-gelben Wählerauftrag zu erhalten. Demgegenüber zwingt schlicht die politische Realität des Jahres 2012 in Deutschland und Europa zum großen Wurf gegen die Finanzmärkte.

Die linken Parteien sind im Rahmen ihrer kommenden Wahlkampfstrategie aufgefordert den Wähler auf den schwierigen Pfad zur Bändigung des Raubtierkapitalismus mitzunehmen; die Grenze ist gegenwärtig nicht einmal im Ansatz erreicht.

Durch Aufklärung und Handreichung kann den linken Parteien in Deutschland das gelingen, was François Hollande gelungen ist, den Wählerauftrag zu erhalten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Martienssen

Enttarnung durch Analyse: ein privates Blog zu Demokratie und Rechtsstaat, Soziales und ein bisschen Kultur.

Daniel Martienssen

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