Sommer, Sonne, Grillen, Bier, diese Gleichung scheint immer weniger aufzugehen. Auch in der Hopfen-und-Malz-Gott-erhalts-Nation geht der Konsum stetig zurück, zwischen 1993 und 2021 um ein Viertel. Im Gegensatz zu alkoholfreiem Wein und Sekt stößt promillefreies Bier auf große Akzeptanz. Jeder und jede zweite trinkt es zumindest gelegentlich und auch die neuesten Zahlen des Deutschen Brauer-Bundes sprechen für sich: Seit 2007 hat sich die Produktion mehr als verdoppelt, auf rund 670 Millionen Liter im Jahr. Bald könnte jedes zehnte in Deutschland konsumierte Bier eines ohne Alkohol sein.
In manchen Brauereien ist es sogar jedes vierte. „Langfristig“, so Jens Reineke-Lautenbacher, Leiter Forschung und Entwicklung in der Störtebeker-Braumanufaktu
umanufaktur, „bewegen wir uns auf die fünfzig Prozent zu.“ Vereinfacht gesagt, gibt es zwei Möglichkeiten zur Herstellung von alkoholfreiem Bier. Entweder man entzieht den Alkohol nachträglich oder lässt ihn gar nicht erst entstehen. Drei alkoholfreie Sorten hat der in Stralsund ansässige Betrieb im Programm, ein Weizen, ein Pils und ein Pale Ale, nach Vorbild amerikanischer Craft-Beer-Brauereien.Ein Ersatzgetränk aus Ost-BerlinViel hat sich getan seit Erfindung des Aubi, kurz für Autofahrerbier, ein im Jahr 1972 in Ost-Berlin lanciertes Ersatzgetränk, das sich wohl kaum jemand aus Genussgründen bestellt haben dürfte. Ende der Siebziger zogen dann westdeutsche Marken wie beispielsweise Clausthaler nach, seit den Zweitausendern explodiert der Markt geradezu. Von den rund 7.000 deutschen Biermarken sind aktuell etwa 700 alkoholfrei. Dabei erfolgte deren Entwicklung in drei Wellen. Erst kam die hierzulande beliebteste Biersorte Pils, dann das besonders in Bayern beliebte Weizen, ein dank seiner isotonischen Eigenschaften perfektes Sportlergetränk. Die dritte Welle widmet sich nun dem Craft Beer. Dessen Aromahopfen erlaubt es besonders gut, den fehlenden Alkohol, der immer auch Geschmacksträger ist, auszugleichen. Wobei, Stichwort Reinheitsgebot, deutsches Bier auch in der alkoholfreien Version ausschließlich Hopfen, Hefe, Wasser und Malz enthalten darf.Als Südtirolerin ist Elisabeth-Maria Laimer davon nicht betroffen. Gemeinsam mit ihrem Bruder Max hat sie 2019 in der Nähe von Meran das erste alkoholfreie Craft Beer Italiens entwickelt. „Anfangs wurden wir für unsere Idee belächelt“, sagt sie. Nach zwei Wochen war die erste Charge ausverkauft. Spezielle Hefen sorgen bei Freedl dafür, dass die drei Endprodukte auch ohne Entalkoholisierung bei 0,4 Volumenprozent liegen. Zusätzlich kommen unter anderem Zitronenzeste und alpine Kräuter zum Einsatz, wie das auf 1.500 Meter wachsende Bergbasilikum für jene Sorte, die bei einem Produkttest gerade als Sieger ausgezeichnet wurde. „Für uns war klar: Alkoholfrei soll kein Nebenprodukt sein, sondern der Fokus. Gleichzeitig kommunizieren wir das nicht direkt, sondern richten uns an eine feinkostaffine Zielgruppe.“ Auch in Italien sei der Alkoholfrei-Trend stark im Kommen.Taugt auch für die GrillmarinadeDass das Thema gekommen ist, um zu bleiben, davon ist auch Lisa Wiedemuth überzeugt. Die Biermarke Quartiermeister, deren dazugehörige gemeinnützige Stiftung sie leitet, sieht den Zweck ihres Produkts in erster Linie darin, wirtschaftliche Erlöse umzuverteilen. Sieben teilweise bio-zertifizierte Biere hat das 2010 gegründete Unternehmen im Programm. Das Etikett der alkoholfreien Variante ziert die Zeichnung einer realen Person, nämlich Emilene Wopana Mudimu, Leiterin eines Aachener Jugendzentrums. Im Juni war diese „Quartiermeister*in“ im Berliner Einzelhandel die zweitstärkste Sorte des Unternehmens. Für die Zukunft könne man sich einiges vorstellen, alkoholfreies Radler ebenso wie eine entsprechende Berliner Weiße.Das nächste große Ding dürfte die Nullkommanull-Variante werden. Entgegen der Annahme ist nämlich trotz Alkoholfrei-Etikett oft Alkohol drin, bis zu einem halben Promille sind in Deutschland erlaubt. Andere Länder haben andere Grenzwerte – Spanien und Frankreich zum Beispiel die doppelte Menge – und das macht die Sache kompliziert. Es stimmt zwar, dass manche Lebensmittel wie Kombucha oder überreife Bananen aufgrund natürlicher Gärung mehr Alkohol enthalten als so ein Bier, was aber nicht bedeutet, dass jenes halbe Prozent nicht schon ein halbes zu viel ist, für Schwangere, ehemals Alkoholabhängige oder Menschen, die aus religiösen Gründen verzichten. Kein Wunder, dass inzwischen viele der Big Player eine Nullprozent-Variante im Sortiment haben, von Becks über Corona bis hin zu Heineken. Die eignet sich übrigens für eine Grillmarinade genauso gut wie normales Bier.