An der Außenseite

Diplomatie Auch die Kanzlerin fährt zum Champions-League-Finale. Deshalb fragen wir: Gibt es die größeren Hochstapler in der Politik oder im Sport?
Ausgabe 21/2013
An der Außenseite

Foto: Odd Andersen/ AFP/ Getty Images

Die Hochstapelei wird stets und ständig begleitet von Schauspielertum. Wann immer die Deutschen dazu gebracht werden sollten, wunschgemäß durchzudrehen, produzierten sich ihre Altvorderen als Komödianten. Jedwedes Unglück ist ein Zwilling, heißt es bei Kleist.

Aber eben nicht nur die Altvorderen. Zum Hotel Interconti in der Budapester Straße von Berlin muss die Bundeswehr eine Eskorte stellen. Zwei imposante Mercedes-Limousinen sind dafür aufgeboten, auf dem Blaulichtbalken über dem Dach steht der Name der Truppe: Feldjäger. Nobel, denkt man, sehr vornehm. Die Kettenhunde vor 80 Jahren kutschierten nicht in solchen Fahrzeugen herum.

Aber drinnen im Hotel begegnen dem arglosen Gast Soldaten im Kampfanzug, mit Tarnfarben gesprenkelt, als sollten sie sogleich im Affenkäfig im Zoo nebenan gegen einen Gorilla kämpfen. Auf der Straße wie die Millionäre, zu Fuß wie das dreckige Dutzend. Mit Kampfbereitschaft im Interesse der zu begleitenden Personen hat das nichts zu tun. Im Gegenteil. Bei einer bewaffneten Auseinandersetzung an diesem Ort oder überhaupt in der Innenstadt würden diese Feldjäger auffallen wie ein Weißer im 100-Meter-Finale bei den Olympischen Spielen. In der alten Bundeswehr war das Tragen von Kampfanzügen außerhalb des Truppengeländes nicht erlaubt. Für die Stadt gab es Ausgehanzug oder Dienstanzug.

Offenbar hat die militärische Führung dem Drang vieler Soldaten nachgegeben, als Bürger in Uniform das fortzusetzen, was sie als Kinder beim Indianerspielen schätzen gelernt hatten. Arbeitnehmer sind das, hat soeben erst wieder die SPD im Deutschen Bundestag verkündet. Wie sollten auch Generäle – von denen es in jeder Kantine des Bendler-Blocks mehr gibt als in Napoleons Armee – Arbeitnehmern etwas befehlen dürfen, zumal da sie selbst genug damit zu tun haben, mit ihrer Hochstapelei weiter und immer weiter machen zu können. Etwa bei dem Irrglauben, mit den Drohnen könne es schon irgendwie noch etwas werden. Man müsse nur verhindern, dass andere Wind von den Missständen bei dem Waffenprogramm kriegen.

Ein Rechnungshof ist bekanntlich für Hochstapelei das, was ein protestantischer Prediger für einen Karnevalsumzug ist. Jetzt herrscht Depression bei den Verantwortlichen, wie es im Sport heißen würde. Aber eben auch nur im Sport. Dort tobt sich die Hochstapelei bei den professionellen Beobachtern aus. Wer in diesen Tagen vor dem Champions-League-Finale zwischen Bayern und Borussen deutsche Zeitungen liest – keineswegs nur die mit den großen Buchstaben –, versteht, wie die Deutschen zweimal in einem Jahrhundert glauben konnten, einen Krieg gegen den Rest der Welt gewinnen zu können. Ob die Mundwerksburschen, die am lautesten von deutscher Fußball-Glorie krakelen, an die wirklich glauben, mag dahin gestellt sein. Hier berühren sich wahrscheinlich Hochstapelei und Schauspielerei am innigsten.

Die Kanzlerin fährt auch nach London. Sie wird im Wembley-Stadion allerdings nicht neben Uli Hoeneß sitzen – was kaum etwas mit seinen gegenwärtigen Blessuren zu tun hat –, sondern neben Michel Platini, dem einstigen französischen Fußball-Ass. Der ist Präsident der UEFA, des Europäischen Fußballverbandes. Gefragt, für wen sie denn sei, München oder Dortmund, antwortete Angela Merkel geschickt: für Deutschland. Das war nicht nur diplomatisch, sondern auch richtig, wenn man es mit Blick auf die Bundestagswahlen im Herbst betrachtet. Gewinnt Bayern München gegen das mit Peer Steinbrück verbundene Dortmund (Aufsichtsrat), dann verliert Steinbrück auch im September. Gewinnt aber Borussia Dortmund – na klar, dann gewinnt Schwarz-Gelb.

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