Der Herr im Haus

Ausstellung Eine Schau im Deutschen Architekturmuseum zeigt, wie Hugh Hefners „Playboy“ den städtischen Junggesellen erfand und mit ihm das moderne Wohnen
Ausgabe 08/2014

Wie aus einem Möbelstück eine Ikone werden kann, hat der Designer Werner Aisslinger kürzlich in einem Interview skizziert. Es hänge davon ab, ob es gelingt, diesen Gegenstand in eine Erzählung einzubinden. Dass der Lounge Chair von Charles und Ray Eames oder der Barcelona Chair von Mies van der Rohe bis heute als Chiffren für moderne Urbanität stehen, ist also womöglich nicht nur der gestalterischen Vision dieser Architekten und Designer geschuldet, sondern auch dem Playboy-Erfinder Hugh Hefner.

Welch zentrale Rolle das Männermagazin in der Zeit des Kalten Krieges für die Verbreitung und Förderung von vorzugsweise europäischer Avantgarde-Architektur und Design spielte, zeigt die Ausstellung Playboy Architektur 1953 bis 1979 im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main. Von seiner Erstausgabe 1953 an war der Playboy, der erotische Frauenfotografien mit Interviews von Intellektuellen und Politikern, literarischen Beiträgen von Jack Kerouac bis Erica Jong und designorientierten Fotostrecken mischte, als „indoor magazine“ konzipiert.

Nietzsche, Jazz und Sex

Dank der geschickten Themenmischung gelang es Hefners Magazin, eine breite, gebildete und kaufkräftige Leserschaft anzusprechen und ein alternatives männliches Rollenmodell zum treu sorgenden Familienvater der Nachkriegszeit zu erfinden: Der Typus des städtischen Junggesellen, als Playboy Titelgeber und Protagonist des Magazins, verbrachte wie sein Erfinder Hugh Hefner den guten Teil des Tages im Bett und diskutierte über „Picasso, Nietzsche, Jazz und Sex“, wie es in einem frühen Editorial des Heftes heißt.

Wie Hefner selbst ließ auch er Ehe und Familienleben hinter sich. Sein Stadt-Apartment, in weiten Teilen offen konzipiert, sodass er alles darin stets im Blick hatte, konnte jederzeit vom Büro zum erotischen Spielplatz und Wochenend-Domizil werden und entsprach technisch höchsten Standards – kein Wunder, dass sich auch James Bond später als Mitglied des „Playboy-Club“ auswies. Ausgewählte Gebrauchsgegenstände und Möbel schmückten imaginierte, nur zum Teil realisierte architektonische Prototypen wie das „Playboy Apartment“ oder Hefners „Playboy Mansion“ in Chicago. Die Kauftipps, Kleidungs- und Einrichtungsvorschläge, aber auch Anleitungen für den perfekt gemixten Martini im Heft, fanden zunehmend auch Anklang bei Frauen und bei Paaren, die bald zur Masse der Playboy-Lesenden zählten, wie Kuratorin Beatriz Colomina betont.

Der Titel ist von dem Architekturhistoriker Sigfried Giedion entliehen. Er prägte 1962 den Begriff und unterstellte der „Playboy-Architektur“, selbst wie ein Playboy zu sein, der schnell aller Dinge überdrüssig wird und von einer Sensation zur nächsten hastet. Wie Architektur und Design den Lesern des Playboy vermittelt wurden, zeigt die Schau in fünf Abschnitten anhand von Fotos, Zeichnungen und Modellen der flexiblen Wohnarchitekturen. Darunter ist auch ein Nachbau des runden, um 360° drehbaren Betts, in dem Hugh Hefner gerne arbeitete, ein Arbeitsplatz, den schon Proust wählte und den laut Colomina heute auch das Gros urbaner Freiberufler bevorzugt. Präsentiert werden die Exponate in pavillonartigen Raumstrukturen aus hellem Sperrholz, die in ihrer Ikea-Optik in eigenartigem Kontrast stehen zu den im Magazin bejubelten Designmöbeln und futuristischen Hausentwürfen.

Gruppiert ist all das um ein Heftarchiv, das vom Gründungsjahr 1953 bis zum Jahr 1979 reicht, als mit dem Siegeszug der postmodernen Ästhetik die Vorreiterrolle des Playboy nicht länger aufrechterhalten werden konnte. Der Rückgang lässt sich in der Ausstellung an bunten Hasenohren aus Karton ablesen, die in den Heften überall da stecken, wo Bezug auf Architektur und Design genommen wird. Im Verlauf der siebziger Jahre nimmt deren Dichte deutlich ab.

Pornotopie und Kontrolle

Auf ein ideologiekritischeres Fundament hätte man die Schau stellen können durch eine Bezugnahme auf die Studie Pornotopia der Philosophin Beatriz Preciado. Sie untersucht ebenfalls am Beispiel des Playboy und im Rückgriff auf den 1964 von Steven Marcus geprägten Begriff der Pornotopie, wie Darstellungen von Sexualität die sexuelle Reaktion des Beobachters zu kontrollieren versuchen. Hugh Hefner erscheint auch bei Preciado als Poparchitekt, dessen rasch anwachsendes Imperium zum „multimedialen Architekturbüro“ wird, in dem das Private und das Öffentliche immer stärker zur Deckung gebracht werden, in dem der Playboy den vorher traditionell weiblich besetzten und gestalteten Wohnraum in dem Maß männlich überschreibt, in dem umgekehrt Frauen in die Öffentlichkeit drängten. Erstaunlich ist sowohl in der Ausstellung im DAM wie in Preciados Studie, mit welcher Überzeugungskraft Hefner strategisch geschickt aus seinen Affekten und Vorlieben eine neue erotische Utopie zu kreieren vermochte, die den Nerv der Zeit traf. Hefner hielt alles unter strenger Kontrolle, und man möchte von diesem detailversessenen, raffinierten Baumeister sogar annehmen, er habe vom Zentrum seines Bettes noch dafür gesorgt, dass ein im Playboy veröffentlichtes Foto von einem im runden Bett servierten Frühstück erotisch konnotiert wird: das Spiegelei auf dem Toast ist ein doppeltes.

Playboy Architektur 1953 bis 1979 Deutsches Architekturmuseum DAM Frankfurt am Main, bis 20. April 2014

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Geschrieben von

Beate Tröger

Freie Autorin, unter anderem für den Freitag

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