Der Skandal, das bin ich

Frankreich In der Affäre um seinen Leibwächter zeigt Präsident Macron sich als demokratieferner Boss
Ausgabe 31/2018
Macrons Amtsführung beruht auf Management-Methoden, die dem Big Business näherstehen als der Demokratie
Macrons Amtsführung beruht auf Management-Methoden, die dem Big Business näherstehen als der Demokratie

Foto: Jacques Demarthon/AFP/Getty Images

Zunächst sah alles nach einer Sommerloch-Story aus, als bekannt wurde, dass Alexandre Benalla, Leibwächter von Präsident Macron, und Vincent Crase, Mitarbeiter der Regierungspartei La République en marche (LRM), bei einem Meeting am 1. Mai in Paris einen Mann niedergeschlagen und eine junge Frau heftig attackiert hatten. Die Pointe: Beide trugen Polizeihelme, nannten sich „zivile Beobachter“ und waren von der Polizei „eingeladen“.

Der Präsident erfuhr davon schon am nächsten Tag. Man einigte sich auf die stille Erledigung und eine zweiwöchige Suspendierung von Benalla. Erst als im Juli Details bekannt wurden, entschloss man sich im Elysée, gegen Benalla die Entlassung einzuleiten. Zum Skandal wurde der Fall durch die näheren Umstände, wie der 26-Jährige zu einem Monatsgehalt von 7.000 Euro gelangte, ausgestattet mit Dienstwagen, Dienstwohnung, Diplomatenpass, Waffenschein und Ausweis für die Nationalversammlung (zu der nicht einmal der Präsident Zutritt hat!). Benalla machte nach dem Abitur einen Masterabschluss in öffentlicher Sicherheit, wozu ein Bodybuilding-Programm gehörte. Danach kam er beim Ordnungsdienst der Parti socialiste unter. Deren Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg (im Amt 2012 – 2014) machte ihn zu seinem Chauffeur, entließ ihn aber nach versuchter Unfallflucht. Ende 2016 wurde Benalla – vorbei an Regeln und Vorschriften – Leibwächter des Noch-Wirtschaftsministers Macron, normalerweise gelangen nur Elitepolizisten zu solchem Ranking.

Nachdem Macron Präsident geworden war, ernannte er Benalla zum persönlichen Sicherheitsbeauftragten. Der nach Zeugenberichten autoritär und arrogant auftretende Protegé geriet schnell in Zuständigkeitskonflikte mit Gendarmerie und Geheimdiensten. Da er aber das Vertrauen von Macron auskosten konnte, blieb er im Nahkampf mit seinen Gegnern immer der Sieger und behauptet heute: „Man hat sich meiner Affäre vom 1. Mai bedient, um mit mir abzurechnen.“ Zum Skandal wurde die Affäre, weil der Präsident fast drei Monate lang – vom 2. Mai bis 18. Juli, als Le Monde den delikaten Vorgang publik machte – die schützende Hand über einen Untergebenen hielt, der Demonstranten verprügelte.

Allgemeine Verunsicherung

Danach trat Emmanuel Macron sofort die Flucht nach vorn an: „Der allein Verantwortliche in dieser Affäre bin ich und ich allein“. Und er holte zum Rundumschlag aus. Das Parlament agiere als „Volksgerichtshof“, wenn Nationalversammlung und Senat je einen Untersuchungsausschuss installierten. Man könne ja versuchen, seine präsidiale Immunität anzutasten. „Wenn sie einen Verantwortlichen wollen, sollen sie mich holen kommen“. Die Presse verpasste Macron daraufhin den Namen „Jupiter“.

Wieder einmal gibt der sich als über den Parteien stehender Bonapartist zu erkennen. Seine Amtsführung beruht auf Management-Methoden, die dem Big Business näherstehen als der Demokratie. Wie de Gaulle und Sarkozy spricht er von Ministern als „meinen Mitarbeitern“ und behandelt Abgeordnete der eigenen Partei wie unmündige Kinder, die seinem autoritären Habitus wie gelähmt gegenüberstehen. Zur Staatskrise wird das Ganze in dem Maße, wie das Vertrauen zwischen Innenminister Collomb und den in Loyalitätsfragen sensiblen Spitzenbeamten bröckelt. Der Innenminister will von der Affäre Benalla lange nichts gehört und mit dem Präsidenten das Thema nur „gestreift“ haben.

Hohe Polizeibeamte, die vor den Untersuchungsausschüssen gehört wurden, sehen sich als Sündenböcke für Versäumnisse des Ministers. Sollen sie für dessen Toleranz gegenüber den Allüren „Jupiters“ büßen? Alain Gibelin, Polizeipräfekt von Paris, verhedderte sich bei seiner Anhörung in Widersprüche und brachte damit andere Beamte in Verlegenheit. Im Wahlkampf versprach Macron, auf mehr Transparenz zu achten. Nach 14 Monaten im Amt steckt er bis zum Hals in einer Krise, die viel mit seinem Hang zu Effizienz und Selbstherrlichkeit zu tun hat, den er im Augenblick bis an die Grenze zur Lächerlichkeit ausreizt.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden