Bald gibt es Bio-Marihuana vom Balkon. Die Bundesregierung plant die Legalisierung von Cannabis zu Freizeitzwecken – zwei entsprechende Gesetze sollen noch in diesem Jahr kommen. Drei Pflanzen sollen Erwachsene anbauen dürfen, der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis erlaubt werden. Dazu kommen „Cannabis Social Clubs“ – Vereine, die für erwachsene Mitglieder Cannabis anbauen und ohne Gewinnerzielungsabsicht an diese vertreiben können. Von den zunächst geplanten kommerziellen Geschäften sind in den Plänen von SPD, Grünen und FDP nach Einwänden der EU-Kommission nur noch regionale Modellprojekte übrig geblieben.
Noch sind viele Details der Legalisierung unklar, darunter zentrale wie die Blutgrenzwerte im Verkehrsbereich. Deut
eich. Deutschlands Konsumenten dürften trotzdem schon aufatmen. Die Auswahl an Sorten und die Qualität wird größer werden, der Konsum weniger versteckt stattfinden müssen. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) glaubt: „Der Schwarzmarkt wird sich schwarzärgern.“ Er hat damit recht. Wenn gesetzestreue Menschen nach deutschem Vereinsrecht Cannabis anbauen, wird der Schwarzmarkt schrumpfen – und er wird netter und diversifizierter werden, was die Regierung freilich nicht sagen kann. Denn natürlich werden einige weniger Gesetzestreue, die privat im kleinen Stil anbauen, ihre Überschüsse gelegentlich an Bekannte weitergeben, manche auch gegen Geld, Illegalität hin oder her.Mit gemischten Gefühlen blickt die aufstrebende legale Cannabis-Wirtschaft in Deutschland auf die Ankündigungen der Ampel-Koalition. Der Branchenverband Cannabiswirtschaft bezeichnet die Pläne zwar als „guten ersten Schritt“, da nun „internationale und europarechtliche Fragestellungen“ mit mehr Zeit geklärt werden könnten. Ziel müsse aber ein „regulierter, kontrollierter und legaler Markt“ bleiben. Ob ein solcher abseits von Modellprojekten kommen wird, ist heute völlig unklar.Wie auch immer die Legalisierung im Detail aussehen wird – die Cannabis-Prohibition in Deutschland geht zu Ende. Anderswo ist sie längst zusammengebrochen: Kanada, Thailand, Malta, Luxemburg, vielerorts gedeiht der Hanf legal. Es scheint beinahe so, als hätten die altbekannten Argumente gegen die Drogenprohibition Früchte getragen. Selbst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), federführend zuständig für die deutsche Legalisierung, argumentiert keineswegs damit, dass Cannabis ungefährlich sei, sondern mit den Begründungen, die von Gegnern der Drogenprohibition seit Jahrzehnten vorgebracht werden: Gesundheitsschutz, Jugendschutz, Qualität des Stoffs. All diese Argumente gelten auch – und häufig in noch stärkerem Maße – für andere Drogen. Können wir also bald mit der Legalisierung von weiteren Substanzen rechnen?Öffentliche LSD-Gruppen in deutschen Parks, gemeinsamer Zauberpilz-Anbau im Social Club, Ecstasy vom Pharmakonzern – für manche ein Traum, für andere ein Albtraum. Dass es sich dabei um realistische Szenarien für die nahe Zukunft handeln könnte, legt die mediale Berichterstattung nahe: Kaum ein Tag vergeht ohne Beitrag zum Potenzial verschiedener Drogen für die Psychotherapie, die Kreativität oder die eigene Lebensführung. Psychedelika wie LSD stehen dabei hoch im Kurs.Die Jungen kiffen nochDoch eine Entwicklung wie bei Cannabis ist für andere Drogen in naher Zukunft unwahrscheinlich. Denn für die Legalisierung von Cannabis ist in erster Linie nicht das Scheitern der Prohibition, sondern die Allgegenwart des Konsums verantwortlich. Der Ausgangspunkt der breiten Legalisierungsdebatte war weder die Vergiftung Einzelner mit Streckmitteln noch der Jugendschutz, sondern die riesige Zahl an Konsumenten. Zwar waren die Argumente gegen die Prohibition immer richtig – aber bis Cannabis zum Massenphänomen wurde, haben sie kaum jemanden interessiert.Fast ein Viertel der Bevölkerung zwischen 18 und 25 Jahren hat im vergangenen Jahr gekifft. Die Jugendorganisationen der Regierungsparteien fordern schon aus Eigeninteresse ihrer Mitglieder die Legalisierung. Cannabis eignet sich schlicht nicht mehr als Projektionsfläche für die Ängste, die mit Drogen seit langer Zeit verbunden sind. Das ist bei anderen illegalisierten Substanzen nach wie vor anders.Gerade einmal zwei Prozent der Bevölkerung haben in ihrem Leben LSD ausprobiert, bei MDMA, dem Hauptwirkstoff von Ecstasy, sind es knapp vier Prozent. Unter den 18- bis 25-Jährigen hätten in den vergangenen zwölf Monaten 1,5 Prozent LSD und 3,6 Prozent Ecstasy konsumiert, so der aktuellste Drogen-Beauftragten-Jahresbericht der Bundesregierung von 2021. Der Konsum der meisten illegalisierten Drogen ist ein Phänomen kleiner Bevölkerungsteile. Politisch lässt sich mit Legalisierungsforderungen da wenig gewinnen und viel verlieren. Zudem müssten synthetische Drogen von kommerziellen Unternehmen mit entsprechendem Wissen hergestellt werden. Die Cannabis-Legalisierung zeigt gerade: Das ist rechtlich kaum umsetzbar.Auf absehbare Zeit werden wir weiter die skurrilen Blüten der Drogenprohibition erleben: Immer wieder muss das Bundesgesundheitsministerium seine Liste illegaler Substanzen erweitern, immer wieder bringen Hersteller Derivate heraus, für die sie etwa LSD um andere Atome erweitern. Die kaum erforschten Derivate wie das derzeit vertriebene „1D-LSD“ müssen dann erst wieder verboten werden.Realistischere Forderungen als Legalisierungen weiterer Drogen sind vorerst die Erforschung des therapeutischen Einsatzes von Psychedelika, etwa bei Depressionen, sowie die Etablierung von offiziellen Drug-Checking-Stellen zur Prüfung der Wirkstoffe und auf Verunreinigung hin – sowie das Ende der strafrechtlichen Verfolgung von Konsumenten.Placeholder authorbio-1