Du, find ich toll, du!

Parlament Im Bundestag wird immer häufiger geduzt. Ist das ein Zeichen der Kollegialität oder gar der gelebten Demokratie? Nein, dadurch geht bloß die Distanz verloren

In der ARD-Talkshow mit Günther Jauch am Sonntagabend geschah es, dass der Moderator einen seiner Gäste, den Moderator Thomas Gottschalk, fortwährend duzte. Das fiel auf, andere Gäste wurden nicht geduzt.

Aber dem kundigen Zuschauer war wohl bekannt, dass Jauch und Gottschalk sich seit Jahrzehnten, seit den Anfängen ihres Berufslebens, gut kennen und miteinander befreundet sind. Alles andere als das „Du“ im Gespräch wäre gekünstelt gewesen. Indes, dass es trotzdem auffiel, weist auf die Tatsache hin, dass man in einer Talkshow einen derart saloppen oder familiären Ton eben nicht erwartet.

Wie auf dem Fußballplatz

Noch weniger erwartet man ihn wohl in einer Bundestagsdebatte. Doch gerade dort nimmt er zu. Nicht etwa nur von Bank zu Bank oder über Fraktionsgräben hinweg, sondern der Redner am Pult gebraucht immer öfter das „Du“, wenn er sich spontan an einen der Zuhörer wendet, um ihn entweder zur Kumpanei aufzufordern oder aber ihm Saures zu geben.

Dabei gehört der Adressat bevorzugt einer anderen Fraktion an, und wenn von solcher Praxis ein Signal ausgeht, so dürfte es dieses sein: Wir verstehen uns alle ganz prima, gehen miteinander um wie auf dem Fußballplatz, und das ist die Gemeinsamkeit der Demokraten, gelebte Demokratie.

Soweit, so phrasentreu. Richtig daran ist, dass unsere Parlamentarier sich nicht mit bloßen Fäusten raufen sollen, im Hohen Haus. Richtig ist, dass der Umgangston, der zwischen allen Abgeordneten herrscht, ein kollegialer sein soll – auch unter politischen Gegnern, so heftig umstritten die eine oder andere Sache auch sein mag. Wir wünschen uns ein zivilisiertes Plenum.

Dürfen Richter und Staatsanwalt duzen?

Aber gehört das Duzen auf jede Ebene zivilisierten Umgangs miteinander? Geht mit dem Duzen nicht auch eine Distanzlosigkeit einher, die in der Familie bis zu einer gewissen Grenze unvermeidbar ist, unter Freunden ertragen wird und am Stammtisch als stimmunghebend gilt? Kann man sich vor Gericht vorstellen, dass Richter und Staatsanwalt einander duzen? Ist es nicht aus guten Gründen verpönt, dass Schüler ihre Lehrer duzen?

Es gibt eine Intensität des Ernstes, mit denen Menschen bei der Sache sind, und die erleidet Einbußen, wenn Distanzlosigkeit jene Disziplin gefährdet, die auf höherer Ebene die gestellte Aufgabe verlangt. Das sollte auch für die Beratung von Gesetzen und parlamentarischen Anträgen im Bundestag gelten.

Das mag schwierig sein, wenn sich Abgeordnete nach langen Auschusssitzungen beim Bier auch über Fraktionsgrenzen hinweg angefreundet haben. Aber mit ein wenig Selbstkontrolle sollte es gehen, ihr Mädels und Buben.

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