#EqualPayNow

Gleichberechtigung Der Fall der BBC-Korrespondentin Carrie Gracie rückt auch in Deutschland eine gravierende Ungerechtigkeit in den Fokus: den Gender Pay Gap
Wer sich ungerecht bezahlt fühlt, muckt auf
Wer sich ungerecht bezahlt fühlt, muckt auf

Foto: Imago/Zuma Press

Bis zum Equal Pay Day ist es noch eine Weile hin. In diesem Jahr wird am 18. März auf die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern in Deutschland aufmerksam gemacht. Über das alte Jahr hinaus bis zu diesem Tag müssen Frauen durchschnittlich arbeiten, um genau so viel Geld in ihrem Job zu erhalten wie Männer.

Trotzdem müssen wir schon jetzt darüber reden. Diese gravierende Ungerechtigkeit beschäftigt aktuell die britische BBC. Der öffentlich-rechtliche Sender bezahlt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter offenbar so unterschiedlich, dass die langjährige China-Korrespondentin Carrie Gracie jetzt ihren Job hinschmeißt.

Gracie, die seit fast 30 Jahren als Journalistin arbeitet, spricht fließend Mandarin und lebt als Korrespondentin in dem ostasiatischen Land etwa 5000 Meilen entfernt von ihren Kindern, schreibt sie in einer Erklärung. Natürlich, denkt man da sofort, muss diese Frau das gleiche Gehalt bekommen wie ihre männlichen Kollegen. Das war aber offensichtlich nicht der Fall. Frauen haben ein Drittel weniger verdient, sagt Gracie.

Komisch, denkt man weiter. Ist die BBC nicht jene Sendeanstalt, die Gehaltsunterschiede ausbügeln wollte, nachdem sie im vergangenen Sommer durch ein neues Rundfunkgesetz die Gehälter ihrer Top-Verdienerinnen und –verdiener offenlegen musste? Die Liste zeigte damals, dass zwei Drittel der Meistverdienenden Männer waren, selbst die bestverdienenden Frauen lagen mit ihrem Gehalt weit unter dem der Männer.

Gracie beschert der BBC ein fettes Problem: Der Gender Pay Gap, die Gehaltslücke aufgrund des Geschlechts, ist das eine. Das andere: der (Nicht)Wille, diese Lücke zu schließen. Man habe, so hört man, Gracie ein höheres Gehalt angeboten. Das aber habe sie abgelehnt. Ihr gehe es nicht um mehr Geld für sie persönlich, sagt sie, sondern darum, eine Ungerechtigkeit zu beseitigen.

Gracies Schritt an die Öffentlichkeit fällt in eine Zeit, die offen ist für Outings und Forderungen nach mehr Geschlechtergerechtigkeit: Erst #MeToo in den USA, jetzt verstärkt in Deutschland – nie zuvor wurden Alltagssexismus und sexuelle Belästigung weltweit so stark debattiert wie jetzt. Letztlich könnte Gracies Konsequenz, mit dieser Wucht ihren Topjob aufzugeben, Ähnliches bei der Lohnlücke bewirken.

Noch nicht vergessen ist hierzulande der Fall Birte Meier: Die ZDF-Journalistin hatte ihren Sender verklagt, weil sie für gleichwertige Arbeit weniger verdiente als ihre männlichen Kollegen. Meier scheiterte mit ihrer Klage, das Berliner Arbeitsgericht, das den Fall behandelte, begründete, Meier arbeite als feste freie Journalistin. Manche ihrer männlichen Kollegen, mit denen sie ihr Einkommen verglich, waren festangestellte Mitarbeiter, und das könne man nicht vergleichen.

Als Meier ihren Fall öffentlich machte, wurde sie nicht von allen dafür gefeiert, sie musste manch harte Kritik einstecken: So was macht man nicht. Ist das nicht ein Risiko? Vielleicht ändert sich das demnächst, und andere Frauen, die um ihren Job fürchten, wenn sie ihren Arbeitgeber verklagen, ziehen nach.

Eine ähnliche Wirkung könnte das jetzt geltende Entgelttransparenzgesetz erfahren. Die Vorgabe, dass man in großen Unternehmen Einsicht in Gehälter nehmen kann, gilt nicht unbedingt als knallhartes Instrument, um Lohnlücken zu beseitigen. Die Idee dahinter: Wer fragt, bekommt eine Antwort. Wer sich ungerecht bezahlt fühlt, muckt auf. Gewiss, eine schöne Utopie.

Die britische Journalistin Carrie Gracie steht offensichtlich nicht so auf Utopien. Sie hat auf Realismus gesetzt. Mit allen Konsequenzen.

Wie wäre es mit einem neuen Hashtag? Wie wäre es mit #equalpaynow?

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Geschrieben von

Simone Schmollack

Chefredakteurin der Freitag

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