Hier in der Kleinstadtredaktion

ARD-Serie Die Zeitungsbranche ist in der Krise natürlich ein Trendthema. Mit "Zwischen den Zeilen" verarbeitet das Erste das Thema nun fiktional am Vorabend

Was macht man als Leiter einer Lokalredaktion, wenn eine Gruppe von Dudelsack-Spielern im Büro steht, die mit ihrer Musik die Mitarbeiter terrorisiert, um einen Artikel zu erpressen. Die Polizei rufen? „Ich war dagegen, als sie den Platz des Himmlischen Friedens geräumt haben. Ich war dagegen, als sie die Wall Street geräumt haben. Ich kann doch nicht meine Redaktion räumen lassen!“, sagt der tief gefallene Ex-Investigativjournalist Paul Jacobs, der in der neuen ARD-Vorabendserie Zwischen den Zeilen eine Lokalredaktion des fiktiven Westdeutschen Merkur in Aachen leitet.

Die Sequenz ist durchaus witzig, weil sie die Hybris von Journalisten auf den Punkt bringt, die sich viel einbilden auf ihre Haltung und diese noch in den banalsten Situationen vor sich hertragen. Das ist aber eine Ausnahme. Viele Szenen der 16-teiligen Serie, produziert für die ARD-Regionalkrimireihe Heiter bis tödlich, sind nur deshalb zum Lachen, weil man nicht glauben mag, dass die Macher sie für lustig halten.

Beim Merkur treffen Jacobs (Ole Puppe) und die frisch in Aachen eingetroffene Investigativjournalistin in spe Maja Becker (Josephine Schmidt) aufeinander. Der Redaktionsleiter hat stets Schnaps und Tabletten auf dem Schreibtisch griffbereit, er ist eine Karikatur einer Hunter-S.-Thompson-Figur, kompatibel gemacht für Zuschauer, die vermutlich noch nicht verwunden haben, dass Willy Millowitsch nicht mehr unter uns weilt. Es passt ins Bild, dass Jacobs ein Freund der niedrigschwelligen Korruption ist, er verspricht etwa einem Verkehrspolizisten, dass die Zeitung über die Blumenladeneröffnung von dessen Freundin berichten wird, falls der Staatsdiener sämtliche Strafzettel vernichtet. Gebhard Henke, WDR-Fernsehfilmchef und Executive Producer der Serie, betont zwar, man schildere solch unmoralische Begebenheiten stets mit einem „Augenzwinkern“, aber zum Bild des Journalisten als prinzipiell bestechlicher Sauhund dürfte Zwischen den Zeilen dennoch beitragen.

Anders als der – zumindest anfangs – desillusionierte Jacobs will die Kollegin Becker mit Journalismus die Welt verbessern, also klärt sie im Rahmen ihrer Arbeit Morde auf. Warum nicht? Ob Mordermittlungen oder Journalismus – Hauptsache „Retscherchieren“ (um es mit der Redaktionssekretärin zu sagen). In der ersten Folge, Die Wurst im Horst, geht es – kein Witz – um einen toten Veganer, der dem ersten Anschein nach an einer Wurst erstickte.

Die Zeitungsbranche ist aufgrund der Krise ein Trendthema, da ist es naheliegend, das Geschehen in einer Redaktion fiktional aufzubereiten. Nur wird es dem Zuschauer hier als Puppenstubenwelt präsentiert. Man will als Journalist auf eine Serie, in der die eigene Berufsgruppe vorkommt, zwar nicht so borniert reagieren wie Polizisten auf TV-Krimis (was wiederum Journalisten oft kritisieren). Aber warum ist die Serie in der Großstadt Aachen angesiedelt, wenn die Geschichten, die Headwriter Philipp Weinges und seine Co-Autoren erzählen, typisch für eine Kleinstadt sind? Vielleicht buhlt man hier um den klassischen Lokalzeitungsleser, dessen Abonnement erst mit seinem Tod enden wird. Für die werberelevante Zielgruppe – die Serie läuft im werbefinanzierten Vorabendprogramm – haben sich die PR-Strategen der ARD auch etwas ausgedacht: Maja Becker, heißt es, sei die „Bridget Jones des Journalismus“, ihr wird „der Mann ihrer Träume begegnen – oder zumindest einer, der kochen kann.“ Oder glaubt man bei der ARD, dass solche Formulierungen Journalisten gefallen, die über die Serie schreiben?

Zwischen den Zeilen ARD, ab 14.2., donnerstags, 18.50 Uhr (Start mit einer Doppelfolge um 17.55 Uhr)

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