14 Thesen
Eigentlich waren zum Basis-Ratschlag am vergangenen Wochenende nicht einmal 100 SPD-Mitglieder erwartet worden – es kamen dann gut 300 nach Kassel. Man habe „ebenso engagiert wie leidenschaftlich für einen radikalen Kurswechsel“ gestritten, hieß es später bei der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD. Auch wenn das von Parteilinken organisierte Treffen ausdrücklich nicht als Flügel-Veranstaltung geplant war, ließen bereits die 14 Thesen zu Lage und Zukunft der SPD keinen Zweifel über den politischen Standort des Ratschlags. Harsche Kritik am Regierungskurs der Sozialdemokraten seit 1998 findet sich darin ebenso wie die Aufforderung zu einem „Aufbruch in die soziale Moderne“.
Unter dieser Überschrift hatte vor knapp zwei Jahren bereits Andrea Ypsilanti ein neues „sozialdemokratisches Projekt“ in die Diskussion gebracht. Die Parallelen sind keineswegs zufällig: „Fast alle linken Sozialdemokraten identifizieren sich mit dem hessischen Versuch, einen programmatischen Neuanfang zu starten“, sagt der frühere Kasseler Bundestagsabgeordnete und SPD-Linke Horst Peter. Mit der „Sozialen Moderne“ soll ein neues gesellschaftliches Leitbild entwickelt werden, das von der traditionellen industriellen Wachstumslogik ebenso Abschied nimmt wie von der damit verknüpften, rein monetären Umverteilungspolitik. Zudem sollen unter anderem die Traditionen demokratischer Selbstverwaltung wiederbelebt und neue, zeitgemäße Formen gesellschaftlicher Solidarität gefunden werden.
Dresdner Anträge
Im mehr als 240 Seiten starken Antragsbuch zum SPD-Parteitag in Dresden taucht der Begriff „Soziale Moderne“ nicht auf. Vorerst dominiert die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit: In zahlreichen Beschlussvorlagen fordern Parteigliederungen eine Abkehr von den als besonders verheerend eingeschätzten Reformen Hartz IV und Rente mit 67. Der Leitantrag des SPD-Vorstands ist an einigen Stellen noch einmal verschärft worden. Dies auch, wie es hieß, um allzu scharfe Kontroversen um den Kurs der SPD in Dresden zu vermeiden. Die nun zur Abstimmung gestellte Fassung des Leitantrags zieht eine selbstkritischere Bilanz der sozialdemokratischen Regierungszeit seit 1998 – vor allem was die Folgen der Reformpolitik in der Arbeitnehmerschaft und unter Erwerbslosen angeht. Nach einer häufiger geäußerten Meinung brauche die Partei für die Neuausrichtung ohnehin noch deutlich mehr Zeit. Der Leitantrag schlägt vor, Anfang 2010 auf einer Konferenz aller SPD-Unterbezirke die Analyse des Wahldebakels fortzusetzen und dann „einen gemeinsamen Prozess der Modernisierung der SPD“ zu beginnen. Politische Schlussfolgerung „werden auf einem Parteitag zu beraten sein“, heißt es weiter. Den Zeithorizont für die Erneuerung hatte Gabriel schon vor ein paar Wochen in einer Email an einige Mitglieder umrissen: „Die Früchte unserer Arbeit – wenn sie denn gelingt – wird wohl eher die nach uns kommende Generation von Sozialdemokraten ernten.“
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