Mordaufruf im ZDF

Jan Böhmermann Seine letzte Sendung im ZDF hat Jan Böhmermann per Mordaufruf beendet: "„Nicht immer die Nazi-Keule raus holen, sondern vielleicht einfach mal ein paar Nazis keulen." Das ZDF ist damit auf dem Weg zum Niveau der Rechtsextremen von um 1920

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Eingebetteter Medieninhalt

Das wurde Ende 1918 in Berlin plakatiert

Jan Böhmermann verabschiedet sich in seiner Sendung "Magazine Royale" vom 16. Feb. 2024 so von seinem Publikum:

„Nicht immer die Nazi-Keule raus holen, sondern vielleicht einfach mal ein paar Nazis keulen. Tschüss, bis nächste Woche.“

(https://www.zdf.de/comedy/zdf-magazin-royale/zdf-magazin-royale-vom-16-februar-2024-106.htmlMin 33:15-33:19).

Das ist ein direkter Mordaufruf. Und ein Mordaufruf ist "Hass und Hetze" in allerschlimmster Form. Das ist schon erstaunlich, ausgerechnet im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, wo doch jetzt in Politik und Medien laufend herausgestellt wird, wie schlimm "Hass und Hetze" seien und dass man auch gegen Äußerungen von "Hass und Hetze" unterhalb der Strafbarkeitsschwelle vorgehen muss.

Die folgenden Aussagen kann man treffen, ohne sich mit irgendeiner politischen Richtung oder Haltung, Meinung oder Partei gemein zu machen. Für mich gilt, auf jeden Fall, unabhängig vom politischen Standpunkt, diese Grundregel für ein demokratisches Gemeinwesen: Mord ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Und wie sieht es bei Jan Böhmermann damit aus?

Ohne Vorbilder ist Jan Böhmermann leider nicht.

Inwieweit kann sich Geschichte wiederholen? Das ist eine alte Streitfrage - mit ganz unterschiedlichen Antworten. "Die Geschichte wiederholt sich immer zweimal – Das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce", das soll Karl Marx gesagt haben.

Aber bestimmte Schemata kommen doch in ähnlicher Weise immer wieder - es sind und waren eben immer Menschen, die agieren und agiert haben.

Und der politische Niveausturz beim ZDF erinnert fatal an Dinge, die wir vor gut hundert Jahren schon einmal in Deutschland hatten. Das Schema ist das gleiche. Es läuft in mehreren Stufen ab.

1) Mache politische und weltanschauliche Gegner zu "Feinden".

2) Markiere sie mit negativ konnotierten Begriffen und grenze sie aus. Selbst wenn der Begriff eigentlich nicht passt: Er muss nur griffig sein. "Nazi" ist in Deutschland "Spitze". Auch wenn es zum Glück kaum noch richtige "Nazis" im Land gibt und diese Bezeichung in 99 % der angewendeten Fälle völlig deplaziert ist: Aliquid semper haeret, irgendetwas bleibt immer hängen.

3) Gebrauche diese der Feindmarkierung dienenden etikettierenden Begriffe ständig und stets in negativer Bedeutung (die ist bei "Nazi" schon von vorneherein gegeben. Bei "Rechts", früher einfach ein Teil des demokratischen politischen Spektrums, hat man es mittlerweile auch geschafft).

4) Maße dir an, allein die Deutungshoheit über diese Begriffe zu haben, gebrauche sie bewusst schwammig und unklar definiert.

5) Weite den Gebrauch dieser Begriffe ständig aus, so dass du immer mehr Verhaltensweisen und Personenkreise damit erfassen kannst.

6) Benutze sie als ein Mittel zur Disziplinierung, so dass immer mehr Menschen Angst bekommen, mit einem "Feind" Kontakt zu haben oder "feindliche" Ansichten zu äußern.

7) Verstärke die Ausgrenzung der derart markierten "Feinde". Agitiere gegen sie als Personen, um ihre Person zu schädigen: ihren Ruf, ihre soziale Stellung, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse, ihre Familie, ihre Psyche.

8) Damit verstärkst du zugleich den Erfolg von 6)

9) Verbreite offene Drohungen gegen als "Feinde" markierte Personen.

9) Rufe zu direkten Aktionen gegen "Feinde" auf, zunächst gegen ihr Auto, Haus, Eigentum etc.

10) Rufe zu körperlichen Attacken gegen diese Personen auf.

11) Körperliche Attacken werden gegen diese Personen verübt.

12) Rufe zum Mord an diesen Personen auf.

13) Durchführung von Mord und Attentaten.

Dieses Schema ist das der Entmenschlichung des politischen Gegners bis hin zu dessen physischer Auslöschung. Wie weit wollt ihr noch gehen? Im Dunstkreis eines sog. "Kampfes gegen Rechts" sind bisher so ziemlich alle Phasen von 1 bis 12 vorgekommen. Mit Jan Böhmermann ist das ZDF in Phase 12 angelangt. Wie soll es weitergehen? Phase 13 fehlt noch.

Wann gab es das in Deutschland schon einmal? Das oben im Bild wiedergegebene Plakat hing Ende 1918 an Litfasssäulen in Berlin.

Ein Vorbild? Es bleibt eben nicht bei solchen Sprüchen.

Eingebetteter Medieninhalt

Soviel Anstand hatte man bei der SPD einmal auch gegenüber politischen Gegnern

Die politische Stimmung war entsprechend aufgeheizt. Damals hetzte "Rechts" gegen "Links". Was passierte dann? Am 15. Januar 1919 wurden Karl Liebknecht und seine politische Weggefährtin Rosa Luxemburg in Berlin ermordet (https://de.wikipedia.org/wiki/Morde_an_Karl_Liebknecht_und_Rosa_Luxemburg#Ermordung_von_Karl_Liebknecht).

Der zum völkischen Reaktionär gewendete Ludwig Thoma hetzte im "Miesbacher Anzeiger" gegen den Zentrumspolitiker Matthias Erzberger und den bayerischen USPD-Politiker Karl Gareis. Er war freilich bei weitem nicht der einzige, der gegen die beiden Politiker hetzte. 1921 fielen beide Attentaten zum Opfer.

Eingebetteter Medieninhalt

"Feindmarkierung" mit tödlichem Ausgang

"Schlagt tot den Walther Rathenau, die gottverdammte Ju..nsau!" Dieser Hetzspruch galt dem damaligen Außenminister Walther Rathenau.

Ein Vorbild? Es blieb eben nicht bei solchen Sprüchen.

Er wurde 1922 im fahrenden Auto aus einem überholenden Wagen heraus ermordet.

"J...sau" geht heute natürlich nicht mehr, "Nazi-Sau" oder auch "rechte Sau" aber wohl schon?

In welche Tradition haben sich hier Jan Böhmermann und das ZDF gestellt?

Aufruf zu Mord als Mittel der politischen Auseinandersetzung: Ist das nun "Rechts" wie 1919/22 oder was noch? Geht das auch "Links"? Für mich ist es weder grundsätzlich "Rechts" oder "Links"; Mord als Mittel der politischen Auseinandersetzung ist für mich allgemein "faschistisch", so schwammig dieser Begriff wiederum auch sein mag.

Da sind wir also jetzt gelandet.

Machen wir uns bewusst, dass der Begriff "Nazi" bei uns auch schon längst weit über AfD- und FPÖ-Politiker hinaus allem und jedem angeheftet werden kann, der nicht dezidiert "links" oder bei Drei rechtzeitig auf dem Baum ist.

Böhmermann selbst hat hier ein schönes Beispiel auf X, ehemals Twitter, gegeben. Für ihn ist auch Friedrich Merz ein "Nazi":

Twitter, 24.7.2023,https://twitter.com/janboehm/status/1683247228901531650

Auch ich selbst bin schon zweimal als "Nazi" beschimpft worden, nur weil ich klar zum Ausdruck gebracht habe, dass ich mir ein Aus für die Ampel-Regierung erhoffe. Über die alltägliche Propaganda hinaus interpretieren manche Leute den Begriff "Nazi", den sie mittlerweile jeden Tag drei Dutzend mal zu hören bekommen, für sich selbst, weiten ihn noch weiter aus und werden nun auch noch mit so einem Mordaufruf gefüttert.

Jetzt hat Böhmermann versucht, sich herauszureden, er habe "sich einen keulen", jugendsprachlich für männliche Masturbation, gemeint.

https://twitter.com/janboehm/status/1758868683676397773

Das kann aber in der Kombination "Nazis keulen", das hier eindeutig ein Imperativ ist, nicht gemeint sein. Das gibt die deutsche Sprache nicht her. Und das gibt auch keinen Sinn. Will er einen "Nazi" zum Onanieren bringen? Der hat ja vielleicht noch Spaß dabei. Sollen die männlichen Zuschauer sich vor einen "Nazi" stellen und onanieren? Oder doch eher vor eine Nazisse? Und warum sollten das nur Männer machen? Oder will Böhmermann uns nachträglich suggerieren, er habe hier von sich selbst geredet: Nachdem er nun die Nazi-Keule lang genug geschwungen hat, könnte er beim Anblick eines "Nazis" sich auch mal einen wichsen? Nein, das hat er eben nicht gesagt. Böhmermann hat eben nur "keulen" und nicht "sich einen keulen" gesagt. Noch dazu, wo direkt vorher von "Keule" die Rede war. Hier geht es um mit der Keule totschlagen. Dazu will Böhmermann die Zuschauer anregen.

Ich habe eine Programmbeschwerde gestellt und darin das ZDF aufgefordert,

1) diese Sendung aus der Mediathek zu entfernen

2) sich in aller Form von dieser Aussage zu distanzieren

3) in Zukunft Hass und Hetze keinen Raum mehr in Sendungen des ZDF zu geben

4) die Zusammenarbeit mit Hasspredigern aller Art einzustellen.

Ich erinnere hier an einen vergleichbaren Fall, wo es im ZDF darum ging, Menschen über 70 zu töten:

https://www.freitag.de/autoren/dklose/till-reiner2019s-happy-hour-deutsche-ueber-70-dass-du-die-einfach-toetest .

Das ZDF hat damals diese Aussage verteidigt. Immerhin, die betr. Sendung ist mittlerweile aus der ZDF-Mediathek verschwunden, aber bei 3sat noch zu sehen. Auf meine dem ZDF am 23.11.2023 zugegangene Programmbeschwerde habe ich nicht einmal eine Antwort erhalten.

So geht Bürger- bzw. Zuschauernähe heute.

Bitte verraten Sie mir, liebe Leserinnen und Leser, warum ich dafür im Monat 18,36 Euro zahlen soll, damit ein Jan Böhmermann, der im Jahr aus unseren Gebühren 651.000 Euro vom ZDF für seinen Schund bekommt, seine Zuschauer dazu animiert, mich als angeblichen "Nazi" mit einer Keule zu erschlagen?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden