Meinen Body formen? Mein Body formt mich

Der Sportsfreund Ob Joggen oder Pumpen: Warum es dabei nicht um die Scham vor dem eigenen Körper gehen sollte
Ausgabe 47/2016
Mann sein reicht nicht mehr
Mann sein reicht nicht mehr

Foto: Armend Nimani/AFP/Getty Images

Ich jogge gern, regelmäßig und allein. Neulich bin ich mal mit einem Kumpel gelaufen. Wir hatten gerade ein gutes Anfangstempo erreicht, da forderte er mich zu einem Sprintduell heraus. „Warum denn das auf einmal?“, fragte ich. Weil Ausdauer allein nichts bringe, sagte er. Ich solle mich einmal fragen, wie ich aussehen wolle: wie ein kenianischer Marathonläufer? Oder wie der Sprinter Usain Bolt? Hungerhaken oder Muskelpaket? Das Training, sagte er, müsse man nach dem Körperbild ausrichten, das man anstrebt. Das fand ich einen interessanten Ansatz: den eigenen Körper formen. Klar, ich war ja auch mal 20, bin ins Fitnessstudio gegangen und habe mir die Men’s Health gekauft. So wie die Muskelmänner auf dem Cover wollte ich auch aussehen. Mit einem Bauch, auf dem man Schach spielen könnte.

Mittlerweile bin ich Mitte 30, sitze viel am Schreibtisch und habe die ersten Rückenprobleme. Sport treibe ich, damit mein Körper nicht völlig verkürzt und verkümmert. Und weil ich gern jogge. Frische Luft, Natur, Arbeitsstress abbauen. An Usain Bolt denke ich dabei eigentlich nicht.

Natürlich bin ich auch eitel. Wenn sich der Bauch mehr ausbeult als der Bizeps und ich nach einer Treppenstufe keuche, denke ich: Es ist wohl an der Zeit, mal wieder joggen zu gehen. Dazu ein paar Liegestütze, am Morgen, zum Wachwerden – das reicht mir, um mich wohlzufühlen. Aber das reicht offenbar nicht allen. Bodybuilding, Bodyforming, Bodyshaping, Bodysculpting, Bulking, es gibt mittlerweile tausende Trends und Techniken zum Körperformen. Da sind wir Männer mittlerweile genauso hinterher wie die Frauen, die sich im Internet Wettbewerbe liefern, Körperumfänge so zu reduzieren, dass ein DIN-A-4-Blatt um die Taille passt oder ähnlicher Blödsinn. Alles nur, um kein Bodyshaming zu erleiden – sich nicht für den eigenen Körper schämen zu müssen.

Auch als Mann reicht es nicht mehr aus, einfach nur ein Mann zu sein. Man soll auch wie ein Mann aussehen. Wie auch immer das aussehen mag. Unsere Väter betrieben Bodyforming meist nur mit Bier. Wir Jüngeren lassen uns einreden, wir müssten aussehen wie die Typen auf Men’s Health, um die Frauen zu kriegen, die uns vom Cover der Cosmopolitan anblicken. Vielleicht treffen sich diese Models ja privat untereinander, auf Photoshop Island. Im Alltag sehe ich die eher selten.

Ich habe es mit Fitnessstudios versucht, mehrmals, aber mir macht Pumpen einfach keine Freude. Warum muss ich denn dafür zahlen, schwere Geräte und Gegenstände hochzuheben? Eigentlich müsste ich dafür bezahlt werden. Und was mache ich dann mit den ganzen Muckis, außer Frauen zubeeindrucken? Im Alltag sind die Muskelberge nutzlos: Ich bin immer noch Bürohengst und kein Möbelpacker. Und die meisten Bodybuilderbodys sind verkürzter als meine Schreibtischsehnen. Gesund ist das auch nicht.

Ich bin dann am Ende mit meinem Kumpel gesprintet, Spaß gemacht hat es nicht. Ich sehe ja gar nichts vom Park, wenn er im Schnelldurchlauf an mir vorbeizieht. Oder wenn ich danach nur noch schnaufe. Ich bin eben nicht Usain Bolt. Ich laufe gern, aber in meinem Tempo. Und jetzt wieder allein. Wenn ich dadurch irgendwann aussehe wie ein kenianischer Marathonläufer, dann bin ich vermutlich ein kenianischer Marathonläufer, innerlich. Weil mein Körper sich offenbar damit dauerhaft wohlfühlt. Mein Body hat dann mich geformt, nicht umgekehrt. Kein Grund für Shaming.

Dominik Bardow schreibt in seiner Kolumne für den Freitag regelmäßig über sportives Privatvergnügen

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Geschrieben von

Dominik Bardow

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