Perfektes System

Der Sportsfreund Bald werden Roboter schreiben. Dann braucht man ihn nicht mehr, fürchtet unser Kolumnist
Ausgabe 50/2015
Eine Maschine kann doch niemals einen Sportreporter ersetzen. Oder doch?
Eine Maschine kann doch niemals einen Sportreporter ersetzen. Oder doch?

Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Ich bin Sportreporter, aber das heißt nicht, dass ich völlig entbehrlich wäre. Ich kann zum Beispiel sehr gut Kaffee kochen. Das ist mir wichtig zu erwähnen in diesen Zeiten. Gerade hat die offizielle chinesische Nachrichtenagentur Xinhua die ersten Meldungen veröffentlicht, die kein Mensch, sondern eine Maschine geschrieben hat. Xiaoxin, schneller Stift, heißt das Computerprogramm.

Nun klingt die Parteipropaganda in China ja ohnehin, als hätte sie ein Apparat geschrieben. Aber der Roboterreporter soll künftig vor allem über Sport und Finanzen berichten, dort liegen unendlich viele Daten vor, und die Textform ist immer die gleiche. Erste Versuche mit der chinesischen Fußballliga lasen sich vielversprechend, irgendwann könnten 90 Prozent der Nachrichten von Computern geschrieben werden, schätzen Experten. Vermutlich haben Sie alle schon einmal einen Robotertext gelesen, ohne es zu merken. Wer sagt Ihnen eigentlich, dass ich ein Mensch bin? In den USA finden seit Jahren Versuche mit künstlicher Intelligenz auf diesem Feld statt, vor allem beim Baseball liefert sie beeindruckende Berichte. Sekundenschnell liest die Software die Spielstatistik aus, ermittelt Schlüsselmomente, den Man of the Match und spuckt einen Artikel aus. Sogar der Schreibstil lässt sich einstellen, von nüchtern bis blumig.

Moment mal, dachte ich, als ich das gelesen hatte, eine Maschine kann doch niemals einen Sportreporter ersetzen. Doch in Zeitungen finde ich immer wieder Sätze wie diesen: „Ausgerechnet Altmeister Claudio Pizarro hat Werder Bremen im Kellerduell der Fußballbundesliga zu einem Befreiungsschlag verholfen und die Situation von Schlusslicht FC Augsburg verschärft.“ Das hat tatsächlich ein Mensch geschrieben. Eine Maschine hätte das kaum schlimmer hinbekommen, hätte man ihr die nötigen Phrasen und Versatzstücke einprogrammiert.

Man kann aber den Kollegen, die solche Sätze formulieren, eigentlich gar keine Vorwürfe machen. Meist müssen sie alles sofort hinschreiben, keine Zeit zum Nachdenken, denn die Leser wollen die Texte im Internet spätestens mit Spielschluss haben, und das selbstverständlich umsonst. Da ist es für ein Medienhaus konsequent, Reporter durch Maschinen zu ersetzen, die keine Kaffeepausen brauchen.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto angemessener scheint mir das für den Fußball, der mir immer maschineller vorkommt. Sehen Sie sich etwa den FC Bayern München an, der spielt so kühl wie ein Automat. Pass. Pass. Tor. Sieg. Sieg. Sieg. Das ist entmenschlichter Avatar-Fußball. Die Spielzüge sehen aus wie für die Playstation programmiert, genau wie die gleichförmigen Spieler oder das routiniert klatschende Publikum, das wie eine virtuelle Tapete wirkt. Und die Interviews danach scheinen direkt aus einem Bullshitgenerator zu kommen. Aber das stört ja die Maschine nicht, die den Spielbericht schreibt. Und auch den Leser nicht, denn der ist schließlich auch oft eine Maschine, wie bei Börsenprogrammen, die Berichte auslesen und daraufhin Kaufentscheidungen treffen. Das wäre doch auch was für den Sport: Ein perfekter Reporter berichtet über perfekte Spiele für ein perfektes Publikum.

Man stelle sich vor, was wir mit all der eingesparten Zeit anfangen könnten, in der wir nicht mehr Sport treiben, dabei zuschauen, darüber schreiben oder davon lesen müssen, weil uns das die Maschinen abnehmen. Wir könnten … jetzt fällt mir nichts ein. Ich mach erst mal Kaffeepause.

Dominik Bardow schreibt in seiner Kolumne für den Freitag regelmäßig über sportives Privatvergnügen

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Dominik Bardow

Autor des Freitag

Avatar

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden