Bei den öffentlichen Debatten um die Berechtigung und Fortsetzung der deutschen Islamkonferenz (DIK) sowie um körperschaftsrechtliche Anerkennung der deutschen Islamverbände wird häufig deren Repräsentanz der Muslime in Zweifel gezogen. Abgesehen von der Tatsache, dass sich anders als im Christentum im Islam Repräsentanz nur schwer an objektiven Mitgliederzahlen messen lässt, da bei Moscheegemeinden keine Gemeindehandbücher mit Namenslisten existieren, ist auch die Zuordnung anhand theologischer Ansichten zu bestimmten Verbänden nahezu nicht möglich. Die meisten Islamverbände sind weniger nach konfessioneller Zugehörigkeit als mehr nach ethnischer Verbindung zu Herkunftsländern von Immigranten strukturiert.
Die ebenfalls gelegentlich geäußerte Kritik an diesen Verbänden, sich in erster Linie als Immigrantenvereine denn als Religionsgemeinschaften in Deutschland zu präsentieren, ist deshalb vielfach nicht vollständig von der Hand zu weisen. Bei der Türkisch-Islamischen Anstalt für Religion (DITIB) bestehen sogar unmittelbare organisatorisch finanzielle Bindungen an staatliche Institutionen im Ausland. DITIB sieht sich deshalb gelegentlich auch dem Vorwurf ausgesetzt, weniger die Interessen der Muslime in diesem Land zu vertreten als mehr die politischen Vorstellungen eines anderen Staates. Da DITIB insgesamt auf die größte Anzahl an zugehörigen Moscheegemeinden von allen Verbänden verweisen kann, zielt dieser Vorwurf zudem nicht selten pauschal auf die gesamte muslimische Verbändelandschaft.
Unterschlagen wird dabei nicht selten die Tatsache, dass unter den vier großen Islamverbänden, die an der DIK teilnehmen und im Koordinierungsrat der Muslime (KRM) vertreten sind, neben DITIB, dem Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ) und dem Islamrat mit dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) zumindest ein Verband existiert, der seit seiner Gründung Muslime verschiedener Konfessionen und muslimische Immigrantengemeinden verschiedenster Herkunftsländer unter einem Dach vereint. Der ZMD ist in dieser Hinsicht der einzige Islamverband, dem berechtigterweise der Titel „Religionsgemeinschaft“ zusteht. Seine Mitgliedsverbände unterscheiden sich nicht nur nach Bundesländern, sondern vor allen nach ethnischen und islamtheologischen Hintergründen. Zugleich ist damit aber gewährleistet, dass Bundes- wie Landesvorstände grundsätzlich heterogen zusammengesetzt sind, die bestehende Mitgliederstruktur wiederspiegeln und schon von daher nahezu gezwungen, sich in vielen Fragen auf Konsenspositionen zu einigen.
Kopf ohne Unterleib?
Im Zusammenhang mit der sogenannten „Anti-Terror-Demonstration“ in Köln, an welcher der ZMD als einziger Großverband mit führenden Repräsentanten vertreten war, ist dem Bundesvorstand aus dem Lager anderer Großverbände deshalb die Kritik entgegengeschlagen, seine Mitgliedsgemeinden nicht wirklich zu vertreten. Verwiesen wird dabei nicht nur auf die Tatsache, dass die Initiatoren weit weniger Muslime zur Teilnahme haben motivieren können als ursprünglich beabsichtigt, sondern auch auf kritische bis ablehnende Statements von ZMD-Vorstandsmitgliedern zu der vom eigenen Verband unterstützten Aktion. Der ZMD sei deshalb nicht mehr als ein Konstrukt, ein „Kopf ohne Unterleib“.
Ob die Beteiligung an „Anti-Terror-Demos“ größer gewesen wäre, wenn auch die Führungen der anderen Großverbände diese Demos offiziell unterstützt hätten, erscheint fraglich. Die meisten Muslime sind nämlich nicht nur aufgrund des Ramadan, der Hitze oder der Entfernung ihres Wohnortes zum Protestort Köln derzeit nicht zu derartigen Aktionen zu motivieren, sondern wohl eher, weil sie sich und ihre Religion dadurch indirekt in Beziehung zu jenen Terrorakten gesetzt fühlen. Hierin unterscheiden sich die ZMD-Mitglieder nicht wesentlich von Mitgliedern anderer Verbände und die Basis nicht von den Vorstandsmitgliedern.
Die Kritik an den ZMD-Strukturen verkennt jedoch das Wesen eines nicht nur heterogen, sondern auch basisdemokratisch ausgerichteten Verbandes, in dem ein Vorstand überhaupt nicht in der Lage ist, seine Basis mit finanzieller Gunst „auf Linie zu halten“. Stattdessen können Vorstände und führende Repräsentanten nur mit den Mitteln agieren, die ihnen die Mitglieder über Beiträge beisteuern. In dieser Hinsicht ähnelt der ZMD ein wenig der EKD, wo die Führungsmitglieder von den Mitgliedsgemeinden gewählt werden, während die anderen Islamverbände sich eher wie die römisch katholische Kirche darstellen, mit dem einzigen wesentlichen Unterschied, das dort nicht ein „Papst“ seine regionalen Vertreter selbst ernennt, sondern diese indirekt über Mittelzuweisungen an die Führung gebunden werden müssen.
Das Modell des ZMD ist jedoch eindeutig demokratischer und basisorientierter. Gerade in den divergenten Positionen führender Repräsentanten und der damit überhaupt erst sichtbar notwendigen Konsensbemühung wird diese Basisorientierung deutlich. Dass ZMD-Vorstandsmitglieder in Politik und Medien gefragte Diskussionspartner sind und der Verband darüber hinaus in der Mehrheitsgesellschaft in den letzten Jahren an Ansehen gewonnen hat, ist keineswegs auf Anbiederung an gesellschaftliche Mehrheitspositionen zurückzuführen. Es ist wohl eher das Resultat daraus, in dieser Struktur als lebendiger und stärker als Teil der deutschen pluralistischen Gesellschaft wahrgenommen zu werden gegenüber Verbänden, die im Wesentlichen die Linie einer ausländischen Regierung oder zumindest der Muslime eines bestimmten Immigrationshintergrundes repräsentieren. Bei anderen Aktionen und Projekten hatte der ZMD-Vorstand übrigens auch große Unterstützung seiner Gemeinden erfahren. Bei der vom ZMD eigens initiierten Solidaritätsaktion mit dem Opfern der Pariser Anschläge im Januar 2015 vor dem Brandenburger Tor nahmen nicht nur die gesamte politische Klasse und Vertreter anderer Religionen teil, es waren auch 10000 Bürgerinnen und Bürger, darunter viele muslimischen Glaubens anwesend.
Quantitative Größe ist noch kein Zeichen von Repräsentanz
Wenn DITIB sich neuerdings um Kooperationen mit wesentlich kleineren Verbänden anderer Migrationshintergründe wie dem Zentralrat der Marokkaner (ZMaD), der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken (IGBD) und der Albanischen Gemeinde (UIAZD) bemüht hat, ist dies offensichtlich der Erkenntnis erwachsen, dass quantitative Größe und qualitative Repräsentanz der Muslime in Deutschland zwei verschiedene Parameter darstellen, die sich nicht notwendigerweise gegenseitig bedingen. Die Tatsache, dass der ZMD in dieser Struktur dennoch mit über 300 Mitgliedsgemeinden, 8 Landesverbänden und 17 Unter-Verbänden Muslime verschiedene religiöser Richtungen (Sunniten, Schiiten und Sufis) und ethnischer Herkunft (deutsche, türkische, arabische Muslime u.a.) vertritt und somit die Vielfalt der Muslime in Deutschland abbildet, verleiht ihm auch quantitativ ein beachtenswertes Gewicht. Dies prädestiniert ihn weit mehr als andere Verbände, dazu, sich auch im Geiste des Religionsverfassungsrechts als deutsche Religionsgemeinschaft zu präsentieren.
Wenn die Politik beklagt, keinen Repräsentanten der Muslime in Deutschland zu besitzen, braucht sie sich nur dieser Realitäten bewusst zu sein, in denen sie selbst – sei es beim Diskurs um islamischen Religionsunterricht in Schulen, bei theologischen Instituten an staatlichen Hochschulen, um muslimische Seelsorger in Krankenhäusern und Haftanstalten oder um die Gründung eines muslimischen Wohlfahrtsverbandes – am meisten vom ZMD als Partner und Ideengeber profitiert hat. Ebenso können sich aber auch die anderen Großverbände bei den ZMD-Vertretern für ihr Engagement bedanken, denn schließlich nehmen auch ihre Mitglieder die dabei neu geschaffenen Möglichkeiten in Anspruch. Die öffentlichen Angriffe auf den ZMD mögen auch ein wenig aus der frustrierenden Erkenntnis entstanden sein, dass jene Erfolge weniger eigener Initiative als mehr der Kompetenz und dem Kreativgeist von dort erwachsen sind.
Erfolge lassen sich nur gemeinsam erreichen
Neben der Anerkennung bei Politik und Mehrheitsgesellschaft hat sich der ZMD nichtsdestotrotz stets um die Kooperation mit den anderen Islamverbänden bemüht. Diese Bemühung geht mit dem Bewusstsein einher, auch jenseits der Verbandsgrenzen werde ein wertebewusster Islam gelebt, wozu nicht alle die eigenen Strukturen nachahmen oder gar die gleichen inhaltlichen Positionen vertreten müssen. Dieser Respekt gegenüber anderen beschränkt sich nicht einmal auf die anderen Mitglieder im KRM, sondern gilt gelegentlich sogar gegenüber dem Engagement von Muslimen, mit denen man theologisch kaum etwas gemein hat.
Die Zusammenarbeit mit anderen Islamverbänden ist von der Überzeugung getragen, dass man als Muslime für gemeinsame Ziele sich trotz theologischer, ethnischer und sogar politischer Differenzen auf gemeinsame Projekte verständigen können sollte. Die Errungenschaften für die eigenen Religionsanhänger in Deutschland sollten stets an erster Stelle stehen. Die DIK, in der alle vier Großverbände gemeinsam mit dem Bundesinnenminister vertreten sind und die zuletzt vieles angestoßen und bewegt hat, zeigt, dass auch die anderen Verbände trotz weitgehend ethnisch geprägter Strukturen durchaus am Fortschritt im Sinne aller Muslime in diesem Land interessiert und aktiv beteiligt sind.
Von daher steht es der DITIB gut zu Gesicht, den mittlerweile auch begonnenen Weg der internen Diversifizierung weiter voranzuschreiten. Wie weit diese ethnische Heterogenität in einem Verbandsgremium sich widerspiegeln kann, beweist der aktuelle ZMD-Vorstand, in dem Muslime syrischer, marokkanischer, türkischer, kurdischer Abstammung und sogar sogenannte „Bio-Deutsche“ der unterschiedlichsten Rechtsschulen vertreten sind. Nur auf dieser Kooperation lassen sich Ergebnisse erreichen, die den Muslimen in unserem Land insgesamt dienlich sind und dem Islam in Deutschland auch organisatorisch das Gewicht verleihen, das ihm als quantitativ drittgrößter Religionsgemeinschaft berechtigterweise gebührt.
Kommentare 6
Es gibt ja auch noch den liberalen Muslimen Verband von Lamya Kaddor.
Ich bin mir nicht so sicher, dass der Zentralrat der Muslime wirklich so eine Vorbildfunktion hat.
Ich bin da mittlerweile vorsichtiger geworden.
Ich bin da mittlerweile vorsichtiger geworden.
Das ist angebracht. In Wikipedia steht:
Khallouk präsentierte sich in Publikationen als überzeugter Verfechter eines bekenntnisorientierten islamtheologischen Diskurses an deutschen Hochschulen. 2008 widersprach er den öffentlich vom Münsteraner Islam-Theologen Sven Kalisch geäußerten Zweifeln an der Existenz des Propheten Muhammed. Dabei warf Khallouk in einem Beitrag für die Internetseite des ZMD „islam.de“ Kalisch seine fehlende Bekenntnisgebundenheit und eine mangelhafte methodische Fundierung seiner These vor. In Folge wurde Kalisch vom Lehrstuhl für Islamtheologie 2010 abberufen.
Über den geschassten Kalisch steht in Wikipedia:
Zur Kritik der Islamverbände erklärte Kalisch, er halte deren Vorstellungen von Theologie für nicht zeitgemäß und wolle die Weichen für die islamische Theologie in Richtung einer historisch-kritischen Forschung in westlicher Tradition gestellt wissen.
Der sich liberal gerierende Khallouk wollte auch den Nachfolger Kalischs vom Münsteraner Lehrstuhl stürzen. Dazu arbeitete er an einem Gutachten mit:
"...beteiligte sich Khallouk zudem am im Dezember 2013 veröffentlichten Gutachten zur umstrittenen Barmherzigkeitstheologie von Kalischs Nachfolger Mouhanad Khorchide, das auch dessen Abberufung vom bekenntnisgebundenen Lehrstuhl verlangt. Allerdings rief die Methodik des Gutachtens in Kreisen universitärer Theologen ein kritisches Echo hervor." (Wikipedia)
Die Folgen waren für Mouhanad Khorchide nicht angenehm:
"Mit seiner liberalen Haltung hat sich der Autor des bekannten Buches Islam ist Barmherzigkeit Feinde gemacht. Er bekam Morddrohungen und steht unter Polizeischutz. Seine Lehre, den Koran historisch-kritisch zu lesen, verwässere den Glauben, meinen Traditionalisten." (Die Zeit)
Die Liberalität des Blog-Autors ist nur eine scheinbare. Wenn's um theologiegebundene Anschauungen geht, wird auch in den vermeintlich wissenschaftlichen Kreisen mit äußerst harten Bandagen gefochten.
Wir sollten nicht das, was unter Christen in Deutschland und areligiösen Menschen als "liberal" gilt, als Ausdruck von Liberalität schlechthin einstufen. Ein Muslim kann liberal sein, auch wenn er sich nicht dieses Etikett zulegt und den eigenen Glauben grundsatztreu auslebt. Wichtig ist, dass er allgemein dialogbereit ist und sich im Sinne des pluralistischen Miteinanders in unserer Gesellschaft einsetzt. Das kann man Khallouk sicherlich nicht abstreiten. Ebenfalls aus Wikipedia:
Khallouk beschäftigte sich mit jüdischen Denkern verschiedener Zeitepochen, die den friedlichen Dialog mit Muslimen wie auch Christen suchten oder aus ihrem Judentum heraus eine ethische Basis für ein friedvolles Miteinander der Religionen formulierten.[9] Seine Begegnungen mit Juden in Marokko und Deutschland animierten ihn nach Jerusalem zu reisen und die unmittelbare Konfrontation mit der jüdisch geprägten Gesellschaft und dem Zusammenleben von Juden und muslimischen Arabern auf engem Raum zu suchen. Er verfasste anschließend eine literarischen Reisebericht, der 2015 unter dem Titel "Salam Jerusalem" beim Rimbaud Verlag erschienen ist.[10]
Die Änderungen seines Judenbildes, hervorgerufen durch die zahlreichen Begegnungen mit Juden in und außerhalb Jerusalems, stellte er in einem Essay in der Jerusalem Post dar.[11] Besonders geprägt hat ihn nach seiner Aussage die Begegnung mit einem jüdischen Händler Namens Abraham, an den er im Jewish Journal in Boston (Massachusetts) einen Brief verfasst hat. [12]
und hier:
Laut Khallouk will er mit seiner Arbeit den förderlichen Charakter von Religion insgesamt für die moderne Gesellschaft darstellen. Mit Verweis auf die Tatsache, dass die humanistische Ethik ihre geistige Wurzel in allen drei Buchreligionen besitzt, wendet er sich gegen eine Säkularität, die religiöse Symbolik gänzlich aus der Öffentlichkeit hinauszudrängen sucht. In einem Beitrag für die Jerusalem Post weist er darauf hin, dass Religion zwar ebenso wie säkulare Ideologien für Gewalt gegen Andersdenkende instrumentalisiert werden kann, bei einem kontextgebundenen Verständnis jedoch einen wertvollen Beitrag zu einem friedlichen Miteinander in heterogener Gesellschaft leistet. [24]
...wendet er sich gegen eine Säkularität, die religiöse Symbolik gänzlich aus der Öffentlichkeit hinauszudrängen sucht.
In welcher Sekularität wird dies gefordert? Was sollen beispielsweise Kruzifixe in Gerichtssälen oder Klassenzimmern? Mir ist im Augenblick niemand bekannt, der ein Kirchengebäude abreißen wollte, schließlich wirkt dieses doch in den öffentlichen Raum hinein.
Ein Muslim kann liberal sein, auch wenn er sich nicht dieses Etikett zulegt und den eigenen Glauben grundsatztreu auslebt. Wichtig ist, dass er allgemein dialogbereit ist und sich im Sinne des pluralistischen Miteinanders in unserer Gesellschaft einsetzt.
Ist der Autor dieses Blogs auch noch liberal, wenn er dazu beiträgt, dass ein Hochschullehrer gefeuert wird, der Überlegungen zum rationalen Argumentieren anstellt? Oder dessen Nachfolger mit einem "Gutachten" aus dem Amt drängen will und dieser sich dann Morddrohungen ausgesetzt sieht? Wo bleibt da das "pluralistische Miteinander"?
Wenn ein Prophessor für evangelische oder katholische Theologie die Existenz Jesu oder auch nur seine Auferstehung nach 3 Tagen bezweifelt, verliert er gewöhnlich auch seine theologische Funktion. Man denke nur an Drewermann oder Lüdermann. Theologie ist ein bekenntnisgebundenes Fach. Als Islamwissenschaftler kann ein Kalisch auch die Existenz Mohammeds anzweifeln oder Khorchide die einer Hölle bestreiten, nicht aber als Theologe, denn er spricht hier nicht nur für sich, sondern auch für seine Konfession. Abgesehen davon, ist es nicht liberal, wenn man Grundsätze einfach über Bord wirft, sondern ehe prinzipienlos.
Das grundsätzliche Problem liegt in der Ausübung es Islam selbst. Ich lasse mal Shiiten Alewiten, Sufis ganz weg und nehme jetzt nur die Sunniten.
Wir haben 4 Rechtsschulen. Wir haben unterschiedliche Interpretationen und jede Schule beansprucht für sich die Wahrheit zu wissen, was Mohammed gemeint hat.
Eine neue Schule verbietet sich. Das hatten die Salafis vor 150 Jahren der Uni in Kairo versucht und waren dabei Fortschrittlich. Was darauf wurde kann man heute sehen. Es ist genau das Gegenteil daraus geworden worauf sich Moslembrüder und Salafisten stützen.
Eine Islamwissenschaftler hat gleichzeitig Politik wie auch die Religion im Sinn, weil der Islam tatsächlich ursprünglich eine hochpolitische Angelegenheit war so wie Mohammed es damals mit seiner Umma in Medina und später in Mekka angefangen hatte. Wenn wir es aus unserer heutigen Sicht betrachten war es sogar der erste säkulare Versuch alle möglichen Religionen unter einen Huz zu bringen ohne dass man sich in Stammesfeden verzettelt mit unserschiedlichen Glaubenszugehörigkeiten. Das hatte auch eine Zeit lang funktioniert in MEdina mit 2 jüdischen und einem polytheistischen Stamm, die Teil der Umma waren. Dann leider gab es ja wie bekannt den Verrat der jüdischen Stämme an den herrschenden Stamm in Mekka, der immer schon Feind einer Umma war und Stammesherrschaft wollte.
Es gäbe da historisch noch einiges zu nennen, was zeigt, dass der Islam eine aus sich heraus politische GEschichte ist, wenn man so will sogar die erste Verfassungsstaatliche Form der Menschheit mit der Umma.
Nun haben also politische wie religiöse Anführer Anspruch auf ihre Interpretation und entsprechende Interessen.
Bei Erdogan sieht man es deutlich, dass er letztlich einen osmanischen Volksislam wie damals in Bayern den Katholizismus oder generell in der Adenauerzeit den politischen Katholizismus will. Es ist kein intellektueller Katholizismus gewesen, sondern reine Traditions-Volkschristenheit. SO muss man es sich in der Türkei auch vorstellen. Eine Auseinandersetzung mit einer historisch kritischen weise ist nicht möglich.
In Bosnien gab es bis Anfang der 90er Jahre noch einen wirklich liberalen säkularen Islam, der auch Vorbild für Bassam Tibi war für einen Euroislam. Nur das hatte sich mit dem Bosnienkrieg dann ja ganz schnell erledigt. Die Bosniaken haben dann aus Saudi Arabien ihre wahabistische Auffassung bekommen incl der al Quaida Kämpfer von Osama bin Laden, die den Bosniern beibringen sollten wie man gegen die Serben kämpft. Bosnier leben jetzt auch einen merkwürdigen Islam, der nix mehr mit dem zu tun hat, den sie ursprünglich hatten. Es waren man sowas wie die säkularen Protestanten der Westlichen welt im Islam. Hat sich also auch erledigt.
Wenn man sich anschaut wie es bei den Juden aussieht, so gibt es auch einen politischen und religiösen Anspruch, der aber heute, im Gegensatz zu den 80er Jahren noch, ein rein zionistischer ist und sich "progressiver Judäismus" nennt. Da kann man auch nix mehr retten. Und hier geht es auch durcheinander, denn ein Rabbi ist da nicht mehr entscheidend. Ein orthodoxer Rabbi, wen er sich wirklich an die Tora halten würde, der könnte ja nicht mal den israelischen Staat anerkennen. Das geht halt nur durch den Tricl über die Bahai Offenbarung (einer Sekte, die erst seit 200 Jahren existiert und so die religiöse Legitimierung gibt für den israelischen Staat ohne Tempel an der Klagemauer)
Die islamische Gemeinschaft hat also doppelt und dreifach den Ansporn gleiches zu tun wie das Judentum in Deutschland oder wie es auch katholische wie evangelische Kirche zelebrieren.
Ich denke es wird nicht zu lösen sein. Ein neue kritisch historische Aufarbeitung wäre nötig, aber das scheint im Moment nicht Zeitgeist zu sein.