Bahnreise, Sommer

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Wenn einer eine Reise tut, nicht wahr, gibt's zu erzählen. Zuletzt in B. war ich im Februar gewesen, da war's frühmorgens dunkel gewesen, hatte Schnee gelegen, als ich am Gänsemarkt ausstieg.

Für die U-Bahn löste ich wieder das falsche Ticket, merkte das auf dem Bahnsteig, saß die Strecke auf glühenden Kohlen ab und war am Gänsemarkt endgültig wach.

Oh ja, die City wird bienenfleißig geputzt. Schau dir an, wie sie basteln: Das Metropolis-Haus hat Glasfront und nimmt die konvexe Wölbung des Nachbargebäudes, der Staatsoper, auf: architektonischer Ideenreichtum, verfeinert mit hanseatischer Originalität

Ich gehe am Haus der alten Oberpostdirektion entlang. Auf den Fassaden der anderen Straßenseite liegt Sonne bis hin zum Stephansplatz. Sieht alles recht artig aus. Schön, schön. Für nette Bildchen ist gesorgt, das Auge freut sich, Innenstadt ist Aushängeschild.

Nach dem Stephansplatz das ehemalige Phrix-Haus, bis 82 Kino, ihm sind Strahler an die Fassade montiert, dass sie leuchtet. Schick. Kein Schmutz, kein Körnchen Staub trübt diese Oberfläche. Im oberen Geschoss hat sich eine Spielhölle eingerichtet. [An der Nordseite der Esplanade standen bis hin zur Lombardsbrücke palaisartige Bürgerhäuser, 1827-30 erbaut, seit 1944 unter Denkmalschutz, ohne nennenswerte Kriegsschäden; sie wurden bis auf das Phrix-Haus 1958 abgerissen.]

Kaum Leute unterwegs um diese Zeit, mein Zug fährt 6:39 vom Dammtor. Ein Handwerker in weißer Montur lehnt sich an eine Hauswand. Vor dem Kriegsklotz, dem Denkmal für das Infanterieregiment Nr. 76, ergänzt und neu interpretiert von Hrdlicka, kommt mir eine Gruppe Männer entgegen, sie sprechen polnisch, vielleicht russisch. Auf der Fußgängerbrücke ein ausgemergelter Kerl in abgerissener Kleidung, noch in seine eigenen Gedanken vertieft, in der Hand eine Blechdose.

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Geschrieben von

Dreizehn

Lebe in einem Winkel der Stadt, lese, schreibe gelegentlich.

Dreizehn

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