Eine ungehaltene Rede zum Oster-Friedensmarsch im Odenwald

Oster-Friedensmärsche 2024 Der Ostermarsch - mit Kundgebungen an vielen Orten Deutschlands - ist eine von pazifistischen Motiven getragene, regelmäßig jährlich durchgeführte, politische Ausdrucksform einer regierungsunabhängigen Friedensbewegung.

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Regierungsunabhängig - überall in Deutschland?

Leider Nein!

Dieses Jahr war ich selbst direkt involviert; als einer von zunächst drei auserwählten Rednern, die an zwei Orten zu Wort kommen sollten: 1. In Erbach, 2. In Michelstadt.

Doch es sollte nicht sein. Der Mehrheitsbeschluss, mich betreffend, getragen von den Naturfreunden, dem BUND und der GEW wurde gekippt in einer - nicht üblichen - weiteren einberufenen Vorbereitungssitzung.

Offensichtlich wurde stark - gegen mich - mobilisiert, sodass neue Mehrheiten entstanden: Vor allem lokalpolitisch aktive der Grünen, der SPD und anwesende lokale Gewerkschafts-Sekretäre votierten gegen mich. Basis für diese Ablehnung war mein Beitrag in Freitag-Autoren mit dem Titel "Deutschland auf Kriegskurs". (https://www.freitag.de/autoren/ebecker/vernunft-und-mut-sind-gefragt-deutschland-auf-kriegskurs)

Aufgrund dieses Artikels, der allen Teilnehmern der Vorbereitungssitzungen bekannt war, wurde ich als Redner vorgeschlagen. Aber offensichtlich war dies auch der Anlass für meine Gegner, mich abzulehnen.

Wie sich bei der Diskussion herauskristalisierte, stieß vor allem mein geforderter Verzicht auf weitere Waffenliefungen deutscherseits und das Bemühen um einen sofortigen beiderseitigen Waffenstillstand, gefolgt mit der Einleitung von Friedensverhandlungen, auf Ablehnung.

Zweifelsfrei sind diese Forderungen derzeit leider nicht regierungsaffin.

Meine geplante Rede auf dem Erbacher Marktplatz (vor dem Schloss) zum Odenwälder Friedensmarsch am 30.3.2024

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

vor ziemlich genau 176 Jahren – also am 8. März 1848 – standen sich hier auf diesem Platz wütende Bürger aus Beerfelden und aggressive Erbacher Bürger gegenüber.

Es ging darum, dass die Beerfeldener ein geraubtes und sehr wertvolles Kirchenfenster wieder zurückhaben wollten.

Dieses Fenster befand sich seit etwa 1500 in der Beerfelder Kirche und wurde 1804 ausgebaut und in die Einhardkapelle hier im Schloss eingebaut. Es folgte ein jahrzehntelanger heftiger Streit, der am 8. März 1848 hier seinen Höhepunkt und sein Finale erreichte. Erbacher Kriegstreiber forderten von dem Grafen Eberhard XV., auf die Beerfelder Demonstranten zu schießen… Und dann kam die die große Stunde des Archivrats Kehrer, der dies verhinderte, den Grafen überzeugte, nicht schießen zu lassen – und das Fenster an die Beerfeldener wieder zurückzugeben – was dann auch geschah.

Warum erzähle ich das jetzt?

Meine Antwort: Es braucht heutzutage viele Menschen wie Christian Kehrer, die Frieden schaffen durch mutigen Widerspruch gegen die Mächtigen und Verhandlungen bzw. Problemlösungen einfordern: Ob es um den Krieg in der Ukraine oder um den Krieg in Palästina geht.

Ich vermute, dass wir alle, die wir hier versammelt sind, auch zu Friedensstiftern werden wollen.

Doch wir können nicht auf Putin, Biden und Selensky – oder auf Netanjahu und die Hamas-Führung direkt friedensstiftenden Einfluss nehmen.

Unsere Regierung in Berlin könnte das; aber sie tut es nicht! Im Gegenteil.

Auch die Leit-Medien könnten friedensstiftend wirken; aber sie tun es nicht!

Deutschland ist auf Kriegs- und nicht auf Friedenskurs, wie es unser Grundgesetz vorschreibt

Erstens: Seit Ende Februar 2022 findet ein Generalumbau der Bundeswehr statt, gezielt auf einen Krieg mit der Großmacht Russland.

Transportiert bzw. publiziert durch die Leit-Medien, die schon seit einigen Jahren in ihrer Berichterstattung einseitig sind; entgegen ihres Auftrages bzw. ihrer ethischen Werte.

Ich nenne einige journalistisch-ethische Werte, gegen die immer wieder verstoßen wird:

  • Wahrhaftigkeit in der journalistischen Darstellung
  • Objektivität durch emotionale Distanz zum jeweiligen Thema bzw. Geschehen
  • Neutralität bei der Berichterstattung über Konflikte
  • Sorgfalt bei der Recherche

Zweitens: Maßnahmen und Statements aus dem Regierungslager

  • Zur Behebung des "Personalmangels" bei der Bundeswehr kann sich Verteidigungsminister Boris Pistorius vorstellen, auch Soldaten ohne deutschen Pass aufzunehmen. Unterstützung für diesen Vorschlag bekommt er jetzt sowohl von den sogenannten „Verteidigungspolitikern“ der Ampelkoalition als auch von der Opposition.
  • Eine Verdreifachung der Bundeswehr-Reserve wird gefordert;
  • in Litauen wird eine BW-Brigade stationiert;
  • die Union macht Druck bei „Taurus“-Lieferungen;
  • Scholz sichert dauerhaft höheren Verteidigungsetat zu

Drittens: Deutsche Politiker und Medien als Kriegstreiber bzw. Friedensverhinderer

  • Der Bundeskanzler beschimpfte und deklassierte Friedensfreunde, die sich gegen Waffenlieferungen in die Ukraine einsetzen als „gefallene Engel aus der Hölle“- Seine Ablehnung von Taurus-Lieferungen ist erfreulich, aber leider noch keine konsequente Friedenspolitik, die auf Verhandlungen statt gar verstärkt auf Waffen setzt.
  • Der Verteidigungsminister Pistorius im ZDF am 28.10.2023: „ Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Und das heisst: Wir müssen kriegstüchtig werden, wir müssen wehrhaft sein und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen.“
  • CDU-Chef Friedrich Merz drängt, das Rekrutierungsverbot für die Bundeswehr an Schulen aufzuheben.

Sowohl Wirtschaftsminister Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock und Hofreiter stimmen Töne zum Ukrainekrieg an, die furchterregende Assoziationen wecken:

  • Baerbock: "Nach Kriegsmüdigkeit vielleicht bald Defaitismus";
  • Habeck: "Russland bald am Ende",
  • Hofreiter fordert immer wieder "härtere Sanktionen gegen Russland, mehr und schwere Waffen für die Ukrainer".
  • Die härteste Fighterin für eine Verschärfung des Krieges in der Ukraine ist die FDP-Verteidigungspolitikerin und Waffenlobbyistin Strack-Zimmermann, die Taurus-Raketen zum Einsatz in der Ukraine fordert.- Eine Ausweitung des Krieges auf russisches Territorium wäre eine wahrscheinliche Folge.

- Die Leitmedien disqualifizieren das Interview, was Tucker Carlson Anfang Februar in Moskau mit Putin führte:

Spiegel ließ wissen, dass Putin bestritt, Polen oder ein anderes Land überfallen zu wollen – was ja implizit bedeutet, dass Putin dies eigentlich will – und somit lügt.

Die Tagesschau meldete:

„Über zwei Stunden Interview, das für den normalen Zuschauer eine Zumutung ist und doch nichts Neues bringt. Das Beste, was man tun kann, ist es einfach zu ignorieren.“

Offensichtlich mutet man Bürgerinnen und Bürgern in einem freiheitlichen Land nicht zu, Aussagen von Putin (oder von Xi Jinping) selber einzuordnen. Dazu passt, dass man russische und chinesische TV-Sender vom Empfang über Kabel oder Satellit ausgeschlossen hat.

Also: Statt Friedensverhandlungen weitere Waffenlieferungen!°

Nein! Waffenlieferungen verlängern den Krieg – und produzieren weitere Zerstörungen und tausendfache Kriegs-Opfer.

Kriege werden nur durch Diplomatie und einen gerechten Frieden beendet!

Gerechter Frieden – bezogen auf den Ukraine-Krieg heißt, die Sicherheitsinteressen sowohl der Ukraine als auch Russlands zu beachten!

Der Krieg ist offensichtlich nicht zu gewinnen – und schon gar nicht von der Ukraine -, wie bereits mehrmals von Fachleuten wie Ex-General Harald Kujat und dem ehemaligen Brigadegeneral Erich Vad nachvollziehbar verdeutlicht wurde.

Auf Diplomatie wird offensichtlich vollkommen verzichtet; weil ja – nach bekanntem Muster – der Feind der Böse ist, insbesondere der Regierungschef Putin, mit dem man nicht reden könne…

Orientierung bietet hierbei L Arthur Ponsonby, der nach dem 1. Weltkrieg u.a. folgende Thesen zu „Das erste Opfer des Krieges ist Wahrheit“ formulierte – und das ist auch gegenwärtig auf die Nato anwendbar:

  • Das gegnerische Lager trägt die alleinige Verantwortung für den Krieg;
  • Der Führer des Gegners ist ein Teufel;
  • Wir kämpfen für ein gute Sache;
  • Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich;
  • Wer unsere Mission und Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter.

Die ausschließliche Fokussierung auf militärische Gewalt führt dazu, dass dieser Krieg lang dauern wird. Volkswirtschaftlich zieht das in der BRD große Belastungen nach sich, die zu Kürzungen im Bildungsbereich, im Sozialbereich, im Gesundheitswesen und in der Landwirtschaft führen.

Was kann diese Entwicklung stoppen?

Erstens: Eine regierungsunabhängige Friedensbewegung, die gemeinsam mit Sozialverbänden, Gewerkschaften, kirchlichen Trägern und Fachleuten agiert:

statt Kriegsfähigkeit muss Friedensfähigkeit organisiert und propagiert werden!

Zweitens: Friedensaufrufe von Prominenten aus der SPD; zum Beispiel

  • das SPD-Urgestein Klaus vón Dohnanyi gibt in einem Interviev im NDR ernsthaften Friedensverhandlungen eine große Chance; wobei er nicht Putin, sondern Biden als Verhinderer benennt!. Er erinnert dabei auch an das Friedensangebot aus dem März 2022, welches durch Boris Johnson verhindert wurde. Im Gegensatz zu westlichen Darstellungen waren sich damals die Ukraine und Russland einig, dass die geplante NATO-Erweiterung der Grund des Krieges war. Sie konzentrierten daher ihre Friedensverhandlungen auf die Neutralität der Ukraine und deren Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft.
  • Mützenichs Rede im Bundestag am 14.3. – ich zitiere: „ Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“

Ich komme zum Schluss: Es bleibt zu hoffen, dass Albert Einstein mit seiner Warnung ernstgenommen und beachtet wird, wenn er sagt: „Ich weiß nicht, welche Waffen im nächsten Krieg zur Anwendung kommen, wohl aber, welche im übernächsten: Pfeil und Bogen.“ Und – ich bleibe bei Einstein: „Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten“

Erich Becker, 30.3.2024

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Geschrieben von

Erich Becker

Buch- und Theater-Autor

Erich Becker

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