Das also war der Oktober

Oktoberfest Von der Leistungsschau über eine königliche Hochzeit zum internationalen Besäufnis 2014

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Das also war der Oktober

Foto: Johannes Simon/ AFP/ Getty Images

An diesem sechsten Tag des betreffenden Monats schon von Vergangenem zu schreiben, das geht nur in Bayern. Ewig Gestrige? Schpatzl, du hast keine Ahnung: Das ist Oktoberfest und sein Gesetz. Denn was sich in Deutschlands Süden alljährlich immer mehr zum Abbild für Sympathiewerte zugunsten des Piefke aufschaukelt, ist genau das: Eine Schau.

Nicht dass es an Tradition mangelte. Was als Erntedank und Markt aus der Jakobidult samt landwirtschaftlicher Schau begann und worauf ein nicht völlig unbedeutender Hochzeiter Ludwig I. vor seiner Zeit mit Lola populär aufsattelte, ist wie anno dazumal in aller Munde; spätestens mit einem Maulvoll Bier. Die Verkleidung ist entsprechend, zeitlos.

Kaum eine Frau, die sich nicht des Effekts bewusst wird, dass frei nach Newton dem natürlichen Effekt der Erdanziehung nur per Hochschnüren im Dirndl Einhalt geboten werden kann. Und unübersehbar die Männer, die der Bedeutung von „Gemächt“ mit hirschlederner Gaudihose und ihrem aufknüpfbaren Vorderteil geradezu mythische Größenverhältnisse verleihen. Vergessen sind dann Anita Eckberg, Trevi-Brunnen, Fellini und Dolce Vita. Mia san mia, lautet das Charme-Motto auf der Theresienwiese zu München. Und es bietet jedem die gewünschte, frei gelebte Identität, sei sie noch so fernab von Herkunft und deren Ästhetik.

Noch immer gilt im Norden dieser Republik „uns kann keener“, während Bayern lange selbstbewusst brillierte: „Ins kennans olle“. Was aber passiert, wenn eben diese Stammtische und deren Deutungshoheit von Fremden übernommen werden? Und das sind nicht nur die Itaka, denen Bayerischer Verkehrsfunk und Süddeutsche Zeitung pünktlich eine orientierende Schau bieten. Sondern auch Neuseeländer, Briten und Skandinavier, deren Durst wie Feierlaune vor allem aus fiskalischen Gründen buchstäblich geworden sind.

Eine Erkenntnis ist: Die „oide Wiesn“ hatte dieses Jahr so viel Zulauf wie noch nie. Obwohl der Eintritt dorthin einen xtra-Obolus verlangt – „bayerisches Brauchtum, Münchner Gastlichkeit und jugendfrische VolXmusik“, so der O-Ton bei oktoberfest.info, haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Umgekehrt bleibt die Frage im Raum, was denn sonst die Wiesn, also die junge ist. Die fast resignierte Antwort vom „Schichtl“-Manfred, der auf der „neuen“ steht, aber den ältesten Schaustellerbetrieb stellt: „Jeder darf sich zum Deppen machen“.

Die zweite Erkenntnis ist: „Bekannt und bewährt“ funktioniert nicht wirklich. Diese bis in bayerische juristische Staatsexamina als verwaltungsrechtliche Maxime reichende Lokution hat in Siegfried Able ihren Bremser gefunden. Nachdem wegen grässlicher Delikte wie Steuerhinterziehung der Wirt Sepp Krätz (nomen est omen) seine Konzession verloren hatte, wurde auf himmlischen Ratschluss hin mit dem Wirt gleich das Zelt ausgetauscht: Das Hippodrom samt Promi-Stammtischen ist dem Marstall von Able gewichen. Seitdem gibt es nebst echter Kost wieder leinerne Tischtücher auf soliden Tischen, dem Neu-Wirt sei Dank. Subtext: An Käfa kriag’ma a no (dt: dem Käfer kommen wir auch noch bei). D'rauf an Landler.

Dritte Erkenntnis: Das kann man nur noch im Suff ertragen. Zeuge dafür ist Münchens neuer OB, Dieter Reiter: „Das Ex-Saufen lässt sich leider irgendwie nicht in den Griff kriegen“. Was nicht an der Partei liegt, Reiter ist ebenso wie sein Vorgänger Christian Ude von der SPD, aber aus Bayrisch Schwaben. Weswegen er die aus Geldgründen vertriebenen oberbayrischen Drucktrinker in den umliegenden Gastwirtschaften gar nicht meinen kann, die an den wiesnfremdelnden Stammtischen prosten – „auf dös Gwerschl, sois varrecka“. Der unübersetzbare Unteron ist der der Bewunderung, dass neben der Menge die Fest-Besucher sich das Bier tatsächlich leisten können. Und damit das letzte Geheimnis gelüftet ist, warum 2014 so viele Bierkrüge gestohlen worden sind, wie nie zuvor: Als Schmerzensgeld.

Das Gesetz? Die Gaudi ist ein ernstes Geschäft, das die Weltmeister im Reisen einmal im Jahr am eigenen Leib erfahren, mitten in einer Stadt mit Herz. Dafür werden nicht nur kreative Outlooks ersonnen, sondern sogar Kalender verschoben: Die nächste Saison beginnt im März. Dann ist Starkbieranstich, am Nockherberg. Natürlich in München. e2m

Für die Inspiration danke ich ausdrücklich den diversen Autoren der Süddeutschen Zeitung, die mit viel Feingefühl schreiben, um ihrem Standort keinen Nachteil zuzufügen: Nicht immer mit Erfolg. Bei ihnen habe ich mich im Geiste des Oktoberfestes schamlos bedient.

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Geschrieben von

ed2murrow

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ed2murrow

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