Der Problem-Peer und seine Fallen

Kommentar Viele werden mit dem Kopf genickt haben, als Steinbrück sagte, Populisten seien in Italien gewählt worden. Dass er just selbst einer war, sollte man nicht vergessen

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Der Problem-Peer und seine Fallen

Screenshot: Heute Show

Er hat es wieder getan. Und so war es gestern wohl mehr als ein Zufall, dass im Spektakel rund um den Münchener Nockherberg die Rolle des Peer Steinbrück in letzter Minute umgeschrieben wurde. Erratisch durch den Wald wandernd, wohin ihn seine PR-Berater geschickt haben, weicht der Mann zwar ein paar Fettnäpfen aus, tappt aber in eine Bärenfalle und verliert schließlich ein Bein.

Dass einem Kanzlerkandidaten der SPD die Ehre erwiesen wird, derbleckt zu werden und das noch gehörig, ist ohnehin der Erwähnung wert. Was nicht unwesentlich damit zusammenhängt, dass auch Bayern demnächst wählt. Christian Ude (SPD), der nach 20 Jahren als OB der Stadt München sich den Ruf einer Legende redlich erworben hat, einer bayerischen und kommunalen zumal, fordert ernsthaft die CSU heraus. Deren aktueller Ministerpräsident Horst Seehofer wiederum hat sich in den letzten Monaten mit politischen Volten um 180° (Stichworte: Studiengebühren, Lebenspartner- schaften) derart hervorgetan, dass der Fastenpredigerin Luise Kinseher als Matrona Bavariae nur ein Vergleich einfiel: „Irrer Ivan“, das legendäre Wendemanöver der sowjetischen Unterseeboote, um zu schauen, „ob im toten Winkel nicht doch ein Feind lauert“.

Alles Lokalkolorit und feinstes Politkabarett unter dem bajuwarischen Akzent mia san mia, wäre an dem Abend in München nicht ein Staatsgast abgestiegen, dem das Lachen schon lange vergangen ist. Der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano war in die Landeshauptstadt gekommen, um in einer Veranstaltung mit Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft die Lage in dem von ihm vertretenen Land zu erörtern. In diesen Besuch platzte die Meldung, Steinbrück habe das Wahlergebnis in Italien verspottet: „Bis zu einem gewissen Grad bin ich entsetzt, dass zwei Clowns gewonnen haben”. Was bis Mittwoch noch hätte erklärt, beschönigt und glattgestrichen werden können, wurde spätestens am Abend von der Generalin Andrea Nahles in Beton gemeißelt: „Clown ist das mildeste, was mir zu Berlusconi einfällt“.

Viel ist über Nacht geschrieben worden, ob Napolitano das später in der Woche vorgesehene Abendessen mit Peer Steinbrück aus echter Empörung abgesagt hat. Oder ob er sich damit nur vor Anwürfen im eigenen Land schützen wollte, das gemeinsame Mahl mit dem deutschen Kanzlerkandidaten würde dessen Äußerungen legitimieren. Man kann sich darin einig sein, dass diese Form der Entscheidungsfindung und Pflege der Nachbarschaft nicht nötig gewesen wäre, hätte der Problem-Peer von der Waterkant seine Klappe nicht wieder einmal zu weit aufgerissen.

Hat da einer ausgesprochen, was sich sonst keiner traut? Dann wäre das in seiner Amtszeit als Finanzminister nötig gewesen, in der er einen Rücktritt Berlusconis sowie dessen Wiederinstallation miterlebt hatte. Nebst der Amtseinführung seine italienischen Kollegen Giulio Tremonti, der die öffentliche Buchfälschung erst zur wahren Kunst erhoben hat. Es ist die Zeit, da Steinbrück selbst im Amt saß und die Fundamente für das gelegt wurden, was heute als „Euro-Krise“ bekannt geworden ist. Aber schon damals regierte auch auf deutscher Seite weniger Sachverstand als die Lust an starken Worten, von „Peitschen“ bis zu „Indianern“, die wissen sollen, dass es eine Kavallerie gibt.

Populisten seien in Italien gewählt worden, meint Steinbrück, und es wird nicht wenige geben, die dazu gravitätisch mit dem Kopf nicken. Dass seine Sprache genau die ist, sollte mit einbezogen werden. Seine Verteidiger in der SPD werden glücklicherweise kaum in der Lage sein, die online-Kommentare in italienischen Foren zu lesen – denn es ist in der Vergangenheit schon aus nichtigeren Gründen ein Krieg vom Zaun gebrochen worden.

München und die Münchner, sie sehen sich nicht selten als die nördlichste Stadt Italiens. Der Nockherberg ist zwar nicht die Opera Buffa und die Bavaria kein Narr. Aber alles betrieben mit dem hintergründigen Humor, der selbst der beissendsten Kritik noch die Menschlichkeit lässt. Oder um es sinngemäß mit der Matrone Kinseher zu sagen: Manchmal muss man Politiker nicht derblecken, es reicht, sie zu zitieren. e2m

Hinweis: Nockherberg 2013 online via BR, Aufzeichnungen des gestrigen Abends

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Geschrieben von

ed2murrow

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ed2murrow

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