Rajoy tritt zur Seite, aber nicht zurück

Madrid Ministerpräsident Rajoy lässt PSOE-Chef Sanchez, bei dem Versuch eine neue Regierung zu bilden, den Vortritt. Er selber habe derzeit nicht genügend Unterstützung.

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Das erklärte Mariano Rajoy jetzt dem spanischen König Felipe VI, der die Parteien mit der Regierungsbildung beauftragt.

24 Stunden vorher hatte er noch in einem Interview versichert, dass er sich bei der Audienz "natürlich" wieder als Kandidat für das Ministerpräsidentamt anbieten würde.

Kein ungeschickter Schachzug, aber ganz im Stile Rajoys. Der spanische Premier gibt nicht auf, aber er übergibt den Stab der Regierungsbildung an seine Gegner. Jetzt müssen die sich einigen, und wenn's nicht klappt, kann Rajoy wieder die Initiative übernehmen, die ihm derzeit aus den Händen geglitten ist. Rajoy hofft natürlich auf ein Schlachtfest, dessen blutige Reste er dann seiner eigenen Regierung einverleiben kann.

Mit der Strategie des Ausharrens hat der spanische Ministerpräsident Karriere gemacht. Mächtige innerparteiliche Konkurrenten, wie Rodrigo Rato oder Esperanza Aguirre, hat er mit der Methode ausgebootet. Acht Jahre musste Rajoy ausharren, bis er seinen Wunschtraum, Ministerpräsident zu werden, verwirklichen konnte.

Auch jetzt könnte Rajoys Rechnung aufgehen. Denn für PSOE-Chef Pedro Sanchez kommt der Auftrag zur Regierungsbildung zu abrupt. Aufgrund des wechselhaften politischen Wetters der vergangenen Wochen, musste er sich immer wieder neu orientieren. Der Zement der frisch gegossenen Pakte ist noch nicht getrocknet. Und mit seinem potentiell mächtigsten, aber in der eigenen Partei auch umstrittensten Verbündeten, Podemos, hat Sanchez bisher noch gar nicht verhandelt. Sich aber bereits einige Scharmützel geliefert. Der Grund ist einfach. Podemos ist ein heisses Eisen, das Sanchez bisher noch nicht gewagt hat anzufassen. Vielleicht hat der Sozialistenchef darauf gesetzt, dass die Parteibosse, eingeklemmt zwischen der gescheiterten Bildung einer konservativen Regierung und Neuwahlen, bereitwilliger Zugeständnisse gemacht hätten, um eine Linksregierung mit Podemos zu ermöglichen.

Weil von den Sozialisten bisher keine Angebote kamen, ist der Podemos-Vorsitzende Pablo Iglesias vorgeprescht und hat einseitig seine Bereitschaft erklärt, mit PSOE und IU eine Regierung zu bilden. Gleichzeitig forderte er auch den Posten des Vize-Regierungschefs für sich. Sanchez wiegelte erst mal ab, bevor man über Posten spreche, müsse man über Inhalte verhandeln. Mit Rajoys Schritt zur Seite gerät Sanchez nun unter Zugzwang. Er muss sich zügig mit Podemos auseinandersetzen, und vor allem mit der innerparteilichen Opposition, die kein Bündnis mit Podemos will.

Tatsächlich hat Rajoy mit seiner Entscheidung, das alte Fass des innerparteilichen Streits in der PSOE wieder aufgemacht. Sehr gut möglich, dass der interne Streit eine Einigung mit Podemos blockiert. Denn Rajoys Schritt eröffnet den Sozialisten auch wieder die Option, die einigen PSOE-Baronen viel lieber wäre; nämlich sich, nach der gescheiterten Bildung einer Linksregierung, mit einer neuen Parteiführung in den Schoß der Opposition zu begeben. Einziger Hinderungsgrund ist, mal wieder, Rajoy. Denn dessen Wiederwahl als Ministerpräsident will in der PSOE niemand unterstützen.

Rajoy selber stellte, während seiner Audienz beim spanischen König, aber unmissverständlich klar: "Ich gebe gar nichts auf. Und halte meine Kandidatur aufrecht."

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