Cringe-Fest der CSU

#CSYOU Die CSU will mit einem Format auf YouTube die junge Wähler*innenschaft erreichen. Anstatt hipp und trendy zu sein wirkt das Ganze sehr cringey und populistisch

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Die sogenannte Zerstörung der Unionsparteien des YouTubers „rezo“ liegt mittlerweile drei Monate zurück und aus der angekündigten Antwort wurde letztlich auch nichts. Phillip Amthor sollte in Stellung gebracht werden, um zu versuchen das zu retten, was es noch zu retten gibt. Daraus wurde nichts, stattdessen hat die CSU am 31. August 2019 unter dem Titel CSYOU ein Video hochgeladen, das durchaus als späte Antwort auf die Reaktion in der Netzgemeinde gewertet werden kann. Mit einem unbekannten Host namens Armin Petschner wird auf dem offiziellen Kanal der CSU-Bundestagsfraktion in weniger als fünf Minuten ein Querschnitt der derzeit diskutierten Themen angeboten. Binnen weniger Stunden erntete der Versuch, einen Fuß ins Neuland zu setzen, verständlichen Spott und Kritik. Inzwischen hat das Video bereits mehr als 60.000 negative Bewertungen erreicht. Was die CSU damit erreichen will, bleibt nach den fünf Minuten fraglich und man kann trotz der Warnung, dass es sich um Episode 1 handelt, hoffen, dass keine weiteren in Produktion sind. Denn abgesehen vom unsympathisch und überspitzt agierenden Petschner nimmt es die CSU mit Faktentreue und historischen Wahrheiten nicht sehr genau.

Gleich zu Beginn wird unter dem Titel „Aufreger der Woche“ die Reise der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg in die USA aufgegriffen. Mit einer kurzen Namensverirrung wird der Name des russischen Oligarchen und Yacht-Besitzer Roman Abramowitsch ins Spiel gebracht. Der Humor, der sich dahinter zu verstecken scheint, ist an Plattitüde nicht zu überbieten und soll wohl den lockeren Charakter des Videos untermauern. Dass sich die Produzent*innen dadurch mehr in die sogenannteCringe“-Ecke manövrieren, scheint wohl weder bewusst noch beabsichtigt zu sein. Adressiert an Thunberg wird die Organisation ihrer Atlantikreise angeprangert, welche letztlich bedingt durch den Flug von fünf Mitarbeiter*innen mehr Emissionen in die Atmosphäre ausstößt, als wenn Thunberg selbst geflogen wäre.

Angesprochen auf diesen Umstand verteidigt Schiffsführer Boris Herrmann die Reise, da Thunberg selbst trotz des Flugs von Mitarbeiter*innen emissionsfrei reise. Hätte es die Überquerung nicht gegeben, wäre das Schiff dennoch in Betrieb gewesen, größtenteils im Training. „Man kann nicht alle Verantwortung auf individueller Ebene lösen“, sagt Herrmann und appelliert, eine politische, globale Lösung zu finden. Dem feschen Ausflug ins Internet der CSU ist das jedoch zu wenig, so attackieren sie im selben Atemzug Bündnis 90/Die Grünen, welche seit Beginn der Legislaturperiode 126 Mal geflogen seien.

Ausgeblendet wird hierbei einerseits die selbstkritische Reflexion innerhalb der Fraktion und die Erwähnung, dass die Regierungskoalition faktisch die meisten Dienstreisen per Flugzeug in Anspruch genommen haben. Die durch Flüge verursachten CO2-Emissionen werden innerhalb der Bündnisgrünen mittels sogenannter „Klimaschutz-Zahlungen“ kompensiert. Ob das im Sinne einer emissionsfreien Zukunft ist, bleibt selbstverständlich fraglich, doch der CSU geht es nicht darum, konkrete und langfristige Lösungen zu eruieren. In diesem Fall ist ihr Anliegen das Spiel mit der Doppelmoral, um so nicht nur die Grünen politisch zu diskreditieren, sondern mittelfristig auch das wichtige Anliegen der Klimaschutzbewegung, welche in der bürgerlichen Presse zu Unrecht einzig den grünen Parteien zugeschlagen wird. Damit kolportieren sie die Argumentation, dass klimaschädliches Benehmen dialektisch weniger schlimm ist, wenn die eigenen Ambitionen ihre Grenzen finden. Es ist beinahe erstaunlich, dass die Schüler*innenbewegungFriday’s for Future“ keinen hämischen Kommentar erhalten hat, ob der Unwahrheit, dass es sich letztlich nur ums Schwänzen handelt und die Sache lieber den Profis überlassen werden solle.

Ein weiteres Anliegen wird unter „Klartext der Woche“ postuliert. Die am letzten Wochenende laufende Unteilbar-Demonstration in Chemnitz war den Unionsparteien von Beginn an ein Dorn im Auge. Primär ging es um die Teilnahme von antifaschistischen Kräften sowohl in der Organisation als auch bei der offiziellen Unterstützung. Dass es sich die Parteien mit antifaschistischem Engagement schwertun, ist besonders im Osten der Republik deutlich. Darüber hinaus stößt CSYOU übel auf, dass die deutsche Nationalflagge ein nicht ganz willkommener Gast auf der Demonstration war. Für Petschner und die CSU scheint das ein Ding der Unmöglichkeit, so stünde Schwarz-Rot-Gold für „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Die Nationalflagge transportiert jedoch nicht nur vermeintlich republikanisches Vokabular, sondern steht in der aktuellen Situation für ein Erstarken des Nationalstaats und einer unwürdigen militaristischen Rolle der BRD. 80 Jahre nach dem Überfall der faschistischen Wehrmacht auf Polen steht die BRD im Begriff, erneut eine gegen Russland gewendete Militarisierung und Eskalation zu forcieren. Die Politiker*innen, die sich auf Schwarz-Rot-Gold beziehen, stehen für die Festung Europas, eine verschärfte Asylgesetzgebung und das Gegenteil einer „Willkommenskultur“. Wenn sich rechte Parteienwie sie die CSU auch istpositiv auf die Nationalfarben bezieht, ist es antifaschistische Pflicht, diese abzulehnen.

Im Eifer der Erregung über antifaschistische Kräfte wird kurz die Flagge der 1986 aufgelösten Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) dargestellt. Petschner bezeichnet diese Flagge als „DDR-Symbole“ und „Kommunismus-Nostalgie“. Ein kurzer Blick ins Geschichtsbuch offenbart jedoch das ideologische Gegenteil. Die in Westdeutschland agierende KPD/ML war eine stramm stalinistische Kaderpartei, welche in der von ihnen als „verräterisch“ bezeichneten DDR keinen Bündnispartner fand und im Staat selbst im Untergrund als Opposition agierte. Ihre Symbolik hiernach als „Nostalgie der DDR“ zu bezeichnen entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Dass für CSYOU „die Antifa“ per se „Schwarzer Block“ ist und alles unter „Extremismus“ subsumiert wirdgeschenkt, da erwartbar. Besonders erstaunlich, da an der politischen Realität völlig vorbei, wird es, als über die vermeintlichen Errungenschaften der „Großen Koalition“ gesprochen wird. Mit Hinweis auf die Bertelsmann-Stiftung, welche als „unabhängig“ bezeichnet wird, werden größtenteils Arbeitsfelder aufgelistet, die mehrheitlich eine sozialdemokratische Handschrift trägt, wie die Mietpreisbremse, sozialer Wohnungsbau und Kindergelderhöhung. Das eigentliche Wesen der Unionsparteien wird am Ende kurz gelistet, als auf eine stärkere Polizeipräsenz verwiesen und rassistische Asylpolitik als positive Aspekte erwähnt werden. Dass sich die CSU auf die Bertelsmann-Stiftung bezieht, ist nicht verwunderlich. Ihre „Unabhängigkeit“ besteht letztlich in der direkten Einflussnahme auf die öffentliche Meinung, um in der Sache einen Marktradikalismus propagieren.

Was bleibt nach dieser Talfahrt? Einerseits ein bemitleidenswerter Versuch, Fuß in der Netzgemeinde zu fassen, der mehr abschreckt als begeistert. Auf der Klaviatur der politischen Rechten mit Hang zum Populismus werden Feindschaften gegenüber der Klimabewegung und der klassenübergreifenden Unteilbar-Demonstration befeuert, ohne selbst eine Alternative anzubieten. Die Politik, die dadurch transportiert werden soll, findet sich zwischen den Zeilen, welche sich in Petschners bemühter Ironie entfalten. Ob man damit junge Wähler*innen anspricht, bleibt mehr als fraglich, denn das Medium scheinen sie alles andere als zu meistern. Es bleibt schlicht auch zu hoffen, dass CSYOU bei einem Pilotprojekt bleibt und die Produzent*innen und Verantwortlichen schnell die Handbremse ziehen, um weiteren Schaden zu vermeiden. Obgleich jede Selbstverletzung der herrschenden Klasse zu begrüßen ist, ist diese Propagandashow – und nichts anderes ist es – ihrer Substanz nach rechte Stimmungsmache. CSYOU will hipp und trendy sein, wirkt aber in der Ausrichtung, erzreaktionär und ziemlich unsympathisch.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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