Der Kampf der letzten Generation

#FridaysForFuture Auch in Konstanz trafen sich zum dritten Mal Schüler*innen, um gegen den Klimawandel zu demonstrieren. Sie fordern, endlich gehört zu werden, denn die Zeit rennt.

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Der Klimawandel lässt sich nicht durch Reden, sondern Handeln aufhalten. Unter diesem Motto steht die von Greta Thunberg international entwickelte Bewegung von Schüler*innen und Student*innen, jeweils an einem Freitag die Klassenräume zu verlassen, um für den Klimawandel auf die Straße zu gehen. Auch am Bodensee in Konstanz trafen sich am gestrigen Tag, den 22. Februar 2019 zum dritten Mal etwa 400 Schüler*innen, um der „letzten Generation, die das Klima retten kann“ eine Stimme zu geben, wie eine Rednerin verkündete. Direkt an der Universitätsstadt grenzt das schweizerische Kreuzlingen. In der Schweiz gibt es ebenfalls eine starke FridaysForFuture-Bewegung. Eine länderübergreifende Demonstration konnte jedoch bisher aus organisatorischen Gründen nicht verwirklicht werden, was in naher Zukunft jedoch bewerkstelligt werden soll, wie ein Sprecher anmerkte. Erstaunlich war die schweigende Abwesenheit jeglicher politischer Partei und Organisation, auch von der Linkspartei oder den Bündnisgrünen waren keine offiziellen Vertreter*innen anwesend. Dennoch war und ist die Nachricht hochpolitisch und straft all den Behauptungen Lüge, die junge Generation, die Schüler*innen des Landes, hätten keine politische Meinung. Trotz der überbordenden Mehrheit der Jungen waren alle Generationen vertreten, so auch die „Omas gegen Rechts“, denn kein politisches Verhältnis bleibt singulär.

Neben selbstgebastelten Schildern wie „Geld ist nicht alles“, „Raise your Voice, not the Sea Level“ und „Reden ist Silber, Machen ist Gold“ dominierten den Demonstrationszug vor allem die Banner mit der Aufschrift „Klimaschutz ist kein Verbrechen“ und „Fehlstunden verkraftet man, Klimawandel eher nicht so“ (weitere Fotos und Videoaufnahmen auf der Facebookseite) . Bevor die Demonstration aufbrach, wurde den Schüler*innen nahegelegt, die Parolen besonders laut zu verkünden, damit „Nazibonzen wie (Friedrich) Merz und (Horst) Seehofer“ sie auch mitbekämen, wie ein Mitglied der Partei DIE PARTEI kundtat. Dementsprechend laut und kraftvoll waren die Schüler*innen und Student*innen, als sie durch die Innenstadt zogen. Neben dem Ende der dreckigen Kohle wurde ein sofortiges Handeln gefordert, um das Klima bereits gestern zu retten. Wie Greta Thunberg, die die Frage des Klimas nicht ohne die Gesellschaftsfrage zulässt, fanden sich an der Abschlusskundgebung daran angelehnte Worte. Der erste Redner griff auf polemische Weise und unter tosendem Applaus das „unehrenhafte“ Verhalten der herrschenden Politik an und forderte sie auf, die Wissenschaft mit einzubeziehen, denn der „Teich“ laufe schon längst über. Sollten sie sich jedoch weiter dem Lobbyismus beugen, wäre ein Rücktritt mehr als angebracht. Die Rednerin darauf appellierte indes an die individuelle Verantwortung und nannte Thunberg explizit als Vorbild, schlussfolgerte jedoch, selbst Vorbild zu werden, und beispielsweise den Fleischkonsum einzuschränken. Der erste Schritt, um das dringende Problem zu benennen, sei diese Demonstration und die Stimme der „letzten Generation“. Trotz keiner expliziten Erwähnung einer Alternative war aus ihrer Rede eine deutlich gesellschaftskritische Stimme zu hören.

Das Wetter schien die Grundstimmung mitzutragen, denn als es anfänglich noch relativ unbewölkt war, wurde der Himmel grauer, je ernster die Mahnungen wurden. Der dritte Redner, der bisher auf jeder Demonstration in Konstanz auftrat, bezog Stellung zur Kritik der Bildungsminister*innen, die die Schulpflicht als unantastbar begreifen. „Lieber blöd mit Zukunft, als schlau ohne Zukunft!“ ist zwar ein ziemlich polemischer Ansatz, doch auch dieser wurde mit tosendem Applaus begrüßt. Dennoch betonte er die der jungen Generation auferlegten Pflicht, handeln zu müssen und bezeichnete seine Generation als „erwachsener“ als die der herrschenden Politik. Wie das Banner es ebenso aussprach: was bringt all die Bildung der Welt, wenn der Planet dem Untergang geweiht ist? Die richtigen Prioritäten haben diese Schüler*innen jedenfalls mit der Erhebung ihrer Stimme mehrmals verdeutlicht. Die vorletzte Rednerin pflichtete ihrem Vorredner bei und betonte, auch junge Menschen müssen für ihre politischen Überzeugungen einstehen und kritisierte konkret die Stadt Konstanz. Sie warf ihr mangelhaftes Engagement für den Klimaschutz vor, forderte mehr Fahrradwege, eine autofreie Innenstadt sowie den grundsätzlichen Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs. Sie merkte indes an, dass trotz ihrer lauten Stimme ihre Generation schlicht nicht gehört wird, was als Generationskritik begriffen werden kann.

Die letzte Rednerin bekräftigte erneut den notwendigen Ausstieg aus der dreckigen Kohle und kritisiert ebenso das Aufrechnung der Bildung gegen den Kampf für Klimaschutz. Der Klimawandel ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts und ihre Generation sei letztlich die Leidtragende. Kurz vor der Auflösung wurde Bundeskanzlerin Angela Merkels Vorwurf, die Bewegung sei Teil einer „hybriden Kriegsführung“ aus Russland, ironisch mit der Forderung kommentiert, noch viel lauter zu werden, damit auch der Klimaleugner Donald Trump aus den Vereinigten Staaten es mit der Angst zu tun bekäme. Der dritte FridaysForFuture in Konstanz zeigte offenkundig das politische Interesse und der radikale Wille der jungen Generation der Schüler*innen und Student*innen, in das Geschehen eingreifen zu wollen. Gemäß dem Motto Thunbergs, die alte Generation in Panik zu versetzen, blieben die Beiträge jedoch relativ zurückhaltend. Es ist auch nicht die Aufgabe dieser jungen Bewegung, ein sicheres Rezept für einen Wandel anzubieten. Einzig, dass sie sagen, was ist, ist mehr als überfällig, denn es ist nicht unerklärlich, weshalb die herrschende Klasse es sich schwertut, die Dimension des Klimawandels richtig einzuschätzen. Er ist eng verknüpft mit der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und unausweichliche Folgewirkung der Überproduktion. Die Klimafrage kann nur mit einer grundsätzlichen Gesellschaftskritik und hiernach antikapitalistischen Alternative gestellt werden, denn „Geld ist nicht alles“, wie ein Pappschild eines jungen Schülers so schön sagte. Die alte, herrschende Klasse kann diese laute Stimme nicht mehr ignorieren. Ihre Flucht, erneut Russland diese Entwicklung in die Schule zu schieben, weil, wie Merkel es meinte, den jungen Menschen solch eine Politisierung nur schwer zugetraut wird, zeugt von der Schwäche des herrschenden Systems. „Was wir heute tun entscheidet, wie die Welt morgen aussehen wird“, sagte eine Rednerin. Am 15. März geht es dann weiter, dem Internationalen Klimastreiktag.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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