Die „Antifa“ als Kontrollinstanz

#IchbinAntifa Der US-Präsident Trump will die „Antifa“ als Terrororganisation einstufen und bekommt Applaus von ganz Rechts. Der Antifaschismus bleibt aktueller und wichtiger denn je.

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Der Präsident der Vereinigten Staaten Nordamerikas – Donald Trump – schlug jüngst auf Twitter vor, die „Antifa“ als terroristische Vereinigung einzustufen, um sie folglich verbieten zu können. Unter #ichbinantifa erfuhr Trump besonders in der BRD großflächige Kritik. So bekannten sich unter anderem der Vorsitzende der Linkspartei Bernd Riexinger als auch die Grüne Jugend zur „Antifa“. Die rechtsradikale Alternative für Deutschland (AfD) indes applaudierte der Forderung Trumps, die hier auf ganzer Linie steht. Ginge es nach ihnen, wäre die „Antifa“ schon längst als terroristische Vereinigung verboten. Nachdem im sächsischen Landtag ein Antrag der dort sitzenden AfD unisono abgelehnt wurde – wenngleich auch nur aus formalen Fehlern –, sieht sich der Vorsitzende des Rechtsausschusses Stephan Brandner in diesem Ansinnen weiterhin bestätigt. Die „Antifa“ bezeichnet schlechterdings keine straffe Organisation, sondern steht für grundsätzlich antifaschistisches Engagement in der Gesellschaft. Ihre Funktion als demokratische Kontrollinstanz besonders in der Krise des Kapitalismus und dem Erstarken des Radikalismus von rechts bleibt dabei unabdingbar. Die Konstruktion mittels der „Totalitarismus-Theorie“ als faschistisches Spiegelbild spielt der herrschenden Klasse bestens in die Hände. Die Gleichsetzung mit Gewalteskalation ist Resultat einer völlig undialektischen Betrachtungsweise moralischer Auseinandersetzungen mit der strukturellen Gewalt, die besonders vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) befeuert wird.

Widerstand gegen faschistische Aktionen und Agitationen sind Fundament einer solidarischen Gesellschaft. Der Antifaschismus ist nicht einzig auf die Blockade von Faschist*innen gerichtet, sondern eine in der Geschichte stark verankerte Einstellung, um die Entwicklung politischer Misanthropie zu verhindern. Dabei muss die semantische Einengung entschuldigt werden, die historisch begründet durch die faschistischen Massenbewegungen in den 1920er und 1930er Jahren sich entwickelt. Als es damals noch gegen Benito Mussolini und Adolf Hitler ging, erfuhr der Antifaschismus eine graduelle und strukturelle Wandlung. Das bedeutet, dass sich antifaschistisches Engagement nicht nur auf (Proto)-Faschismen fokussiert, sondern bereits an der Wurzel agitiert, um die Entwicklung früh im Keim zu ersticken. Die Komplexität des Kampfes für eine Gesellschaft frei jeglicher Misanthropie schließt hierbei auch rassistische, antisemitische und weitere diskriminatorische Strömungen mit ein, die nicht zwingend faschistisch konnotiert sein müssen. Als genuin linke Haltung wird sie hierbei jedoch häufig widersprüchlich mit der heutigen Gesellschaftsordnung rezipiert, wenn sich bürgerliche und liberale Personen als Antifaschist*innen bezeichnen. Als Tendenz ist das unumgänglicher Bestandteil, verwässert jedoch den theoretischen Aspekt des Antifaschismus‘. Eine Kapitalismuskritik beziehungsweise diskursive Gegenposition der herrschenden Begebenheiten ist eng verknüpft mit dem Kampf gegen misanthropische Ideologien. Diese notwendige Selbstkritik ist bleibende Aufgabe aller Antifaschist*innen, die gefangen sind im metaphysischen Denken historisch-gesellschaftlicher Entwicklungen. Die kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist Keimzelle faschistischer Ideologien.

Das Beharren auf den Namen macht es den Feind*innen des Antifaschismus leicht, die „Antifa“ vermeintlich zu enttarnen. Der genuine Faschismus ist eine auf Führerkult und Massenbewegung gerichtete Ideologie, die politologisch das Großbürgertum enteignet, den bürgerlichen Staat jedoch nicht angreift. Es ist wichtig, eine strenge und gesetzte Definition des Faschismus heranzuziehen, um ihn nicht zu verwässern oder in relativierende Phrasen abzurutschen. Demgemäß ist die AfD keine faschistische Partei, obgleich einzelne Tendenzen auszumachen sind. Auch Donald Trump oder der rechtsradikale Präsident Brasiliens JairBolsonaro sind keine Faschisten. Darauf können sich beispielsweise Politiker*innen der AfD aus historisch-politischen Gründen zu Recht beziehen, auch wenn es nur taktisches Manöver ist. Diese puristische Methodik ist dabei sehr bewusst gewählt, um sowohl antifaschistisches Engagement mit dem Faschismus respektive nicht näher bestimmtem Terrorismus gleichzusetzen sowie sich selbst zu entlasten. Diese seit Jahrzehnten andauernde Entwicklung, die von der herrschenden Klasse subkutan befeuert wird, hat diese Diskussion im 21. Jahrhundert ans Licht gebracht, die von einem nationalistischen und konservativen Standpunkt aus vom Zaun gebrochen wurde. Um eine reaktionäre Politik zu ermöglichen wird konsequente Bekämpfung jeglicher politischer Misanthropie mit eben jener in Verbindung gebracht, meist untermauert durch ultraliberale Anspielungen, die sich hinter einer universellen Meinungsäußerungsfreiheit versteckt. Doch Rassismus, Antisemitismus und Faschismus ist kein Menschenrecht, sondern der Feind des Humanismus.

Der Schwur von Buchenwald ist aktueller als je zuvor. Der Antifaschismus wird von allen Seiten attackiert, um ihn mit vulgaristischen Methoden zu diskreditieren. Von bürgerlicher Seite wird das Konstrukt des „Extremismus“ herangezogen, derweil rechte und radikale Politiker*innen sich in fast schon infantiler und historischer Unachtsamkeit als „wahre Antifaschist*innen“ feiern lassen. Es handelt sich hierbei nicht um eine Krise des Antifaschismus und seiner Bedeutung, sondern um einen Generalangriff auf radikaldemokratische und gesellschaftskritische Konzepte, die sich gegen hierarchische, chauvinistische und misanthropische Anschauungen stellt. Die „Antifa“, welche in den Ländern der Welt faschistische Aufmärsche blockiert, wichtige Recherchearbeit betreibt und nie die Verbindung zwischen Kapitalismus und faschistischer Tendenzen aus den Augen verliert, ist der Garant und Anker für eine gerechtere Welt. „Antifa“ steht nicht für Gewalt, Menschenhass und Amoral, sondern ist die notwendige Schutzzone für Migrant*innen, Unterdrückte, Arbeiter*innen und Nicht-Deutsche, die unter den herrschenden Begebenheiten leiden und sterben. Der Antifaschismus versteckt sich nicht hinter einer gesetzten Moral, sondern benennt klar und deutlich die dringende Notwendigkeit des Kampfes gegen jede Form von Diskriminierung und Menschenhass. Dass sich deren Feind*innen nicht sehnlichster wünschen, als diese Bewegung und Idee zu zerschlagen, ist so verwunderlich nicht. Besonders die liberale Mittelschicht muss sich deren Bedeutung klar werden, welche sich der „Totalitarismus-Theorie“ verschrieben hat: Faschismus war, ist und wird nie eine Meinung sein und werden, sondern ein Verbrechen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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