Es bleibt autokratisch

Energiekrieg Um von Russland unabhängig zu werden, umwirbt die BRD Diktaturen wie Saudi-Arabien und Katar. Innenpolitisch setzt sie mit der Gaspreisbremse auf eine weitere gesellschaftliche Spaltung. Diesen „Energiekrieg“ kann die BRD nur verlieren.

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Wir befinden uns in einem „Energiekrieg“. So formulierte es der neoliberale Finanzminister Christian Lindner (FDP) und macht dafür ausschließlich die Russische Föderation verantwortlich. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine im Frühjahr 2022 wird immer als monokausale Antwort herangezogen, um innen- und außenpolitische Entwicklungen der BRD zu erklären. Sei es die horrende Inflation oder die Energiekrise – es ist immer der Russe schuld. Um die Krise in der BRD unter Kontrolle zu bringen, war zuerst geplant, die Gasumlage einzuführen, welche nun kurz vor Einführung gekippt wurde. An ihre Stelle tritt nun die Gaspreisbremse, welche die hohen Kosten über den kommenden Winter dämpfen soll. Dafür wurden jetzt 200 Milliarden Euro herbeigezaubert, die dafür das nötige Rüstzeug finanzieren sollen. Doch Energie bleibt dennoch knapp: die vermutlichen Anschläge auf die Pipeline Nord Stream 1 und Nord Stream 2 stellen die nächste Eskalationsstufe dar, bei der noch nicht klar ist, wer dahinter steckt. Während die russische Regierung den Akt aufs schärfste kritisierte und jede Schuld von sich weist, betonen immer mehr Staaten der westlichen Hemisphäre, dass nur Russland dahinter stecken könne. Die Bezeichnung, dass es sich um einen „Energiekrieg“ handelt, ist also nicht von der Hand zu weisen, wenngleich er in seiner Struktur komplexer ist. Denn in der BRD richtet er sich sowohl nach innen als auch nach außen.

Dass die Gaspreisbremse kein Akt der Solidarität oder sozialen Gerechtigkeit ist, machte der olivgrüne Wirtschaftsminister Robert Habeck schon relativ früh klar. Von den 200 Milliarden Euro, für die ein Teil zur Entlastung der Energiepreise für die Bevölkerung reserviert ist, profitieren diejenigen am meisten, die ohnehin schon genug zur Verfügung haben. Arme oder armutsgefährdete Haushalte werden hiernach weniger entlastet als Menschen, die sich ihre Villa heizen und kaum jeden Cent zweimal umdrehen müssen, um zu entscheiden, ob sie in den kommenden Wintermonaten lieber essen oder heizen werden. Primäres Anliegen war eine Vereinfachung der Bürokratie, wonach die bedingungslose Entlastung – wie so oft – ein Geschenk an die Reichen ist. Der „Energiekrieg“ zeigt sich also direkt bei den Ärmsten der Gesellschaft, die ohnehin schon unter dem Wirtschaftskrieg und der Inflation leiden. Wie das Wirtschaftsministerium betont, sei das primäre Anliegen die „Rettung der Wirtschaft“, um so die Kapitalakkumulation der Unternehmen und Betriebe sicherzustellen. Der Milliardenbetrag soll auch dafür Sorge tragen, dass Gasimporte aus dem Ausland sichergestellt werden. Über alldem bleibt die Schuldenbremse das herrschende Mantra, welches unter keinen Umständen angerührt werden darf.

Die torpedierende Klassenspaltung im Innern wird von imperialistischen Bestrebungen und einer bizarren Doppelmoral im Äußeren befeuert. Die Loslösung von der russischen Energie wurde stets damit bemüht, von Autokraten unabhängig zu sein. Dass man es mit guten Beziehungen zu nicht-russischen Autokratien jedoch mehr als gut meint, zeigt nicht erst der Ausbruch des Krieges. Im Zuge der Energiekrise sucht die Bundesregierung fieberhaft nach neuen Produzent*innen. Dabei kennen die Herrschenden der BRD keine Grenzen. Neben Norwegen und den Niederlanden klopfen sie an die Türen islamistischer Diktaturen wie Saudi-Arabien und Katar. Dass Saudi-Arabien seit 2015 einen barbarischen Krieg gegen die jemenitische Bevölkerung führt – der von der BRD durch militärische Lieferungen unterstützt wird – stören Habeck und Konsort*innen dabei genauso wenig, wie die katastrophale Menschenrechtslage im katarischen Emirat. Jüngst wurde ein Energiedeal mit den Vereinigten Arabischen Emiraten abgeschlossen. Dass es sich dabei um das dreckige Frackinggas handelt, macht aus dem „Energiekrieg“ auch einen Krieg gegen das Klima, der den Klimakollaps nur weiter torpediert.
Die BRD und deren herrschende Klasse kann diesen „Energiekrieg“ langfristig nur verlieren. Die Ablösung von der Russischen Föderation hat eine neue Abhängigkeit von Diktaturen und dreckigem Gas zur Folge, deren hohe Kosten an die einfache Bevölkerung weitergegeben werden. Dass man zusammenhalten müsse, um durch die „schwierige Zeit“ zu kommen, entpuppt sich angesichts realpolitischer Entscheidungen immer drastischer als Farce, denn diejenigen, die ohnehin schon nichts haben, leiden unter dem Krieg und der Krise am meisten. Der Klassenkonflikt wird dadurch verschärft und macht den Druck von unten auf der Straße immer notwendiger und dringender. Ziel der Herrschenden war es, durch die Gaspreisbremse dem „heißen Herbst“ die Flügel zu stutzen. Angesichts der Klimakatastrophe sowie eskalierenden Wirtschafts- und „Energiekriegs“, die in eine neue und schlimmere Phase übergehen können, bleibt der Widerstand absolut und notwendig. Das Gerede von Freiheit und Menschenrechte verkommt zur reinen Makulatur, wenn im selben Atemzug Geschäfte mit Diktaturen gemacht werden, in der Menschen gefoltert und ermordet werden und Kriege gegen Kurd*innen oder Jemenit*innen direkt oder indirekt gefördert werden. Die neue Staatsraison, Russland zu „vernichten“ bleibt bestehen, und die Herrschenden sind bereit, alles dafür zu geben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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