Trans Feindlichkeit von "links"

Feminismus Im Umfeld der Linkspartei hat sich ein Zusammenschluss gebildet, der für einen „materialistischen und sozialistischen“ Feminismus eintritt: dabei handelt es sich jedoch um ein neues Sammelbecken von trans Feind*innen.

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Im Umfeld der Linkspartei hat sich Ende Juli ein Zusammenschluss gebildet, der von sich behauptet, „materialistische, gender- und prostitutionskritische Positionen“ zu vertreten. Der Zusammenschluss, der sich „Für echten Feminismus“ bezeichnet, veröffentlichte am 26. Juli eine Grundsatzerklärung, in der er in fünf Paragraphen definiert, welchen Feminismus es zu erkämpfen gelte. In der Konklusion erfährt man, dass es den „echten Feminist*innen“ darum geht, für einen sozialistischen Feminismus einzutreten, der für die Verfasser*innen in erster Linie jedoch auf der „genderkritischen“ Position basiert, das heißt: der trans feindlichen. Die „echten Feminist*innen“ sind de facto TERFs im Fahrwasser der Ideologie von Sahra Wagenknecht.

Besonders deutlich wird das, dass „Lifestylefragen“ den Raum von ökonomischen Kämpfen der Arbeiter*innenklasse verdrängen. Darunter verstehen sie ähnlich wie Wagenknecht eine gendergerechte Sprache und die Haltung zu Rechten von trans und nicht-binären Menschen. Dass sich ihr Angriff gegen das Selbstbestimmungsgesetz richtet, ist da nur konsequent, das sie als den „größten Angriff auf Frauenrechte seit Bestehen der Bundesrepublik“ verstehen. Durch diese Einordnung wird nicht nur die grassierenden Frauenfeindlichkeit und Frauenmorde bagatellisiert, sondern auch in klassisch bürgerlich-kapitalistischer Manier eine Spaltung zwischen den unterdrückten Klassen forciert, der den Klassenkampf in letzter Konsequenz durch einen „Kulturkampf“ ersetzt. Das steht nicht nur diametral zu einem sozialistischen Feminismus und dem dialektischen Materialismus, sondern öffnet besonders rechten und rechtsradikalen Kräften Türe, die sich bereits Wagenknecht anbiedern, um den „Kulturkampf“ gegen Menschen zu starten, die als „skurrile Minderheiten“ verstanden werden.

Was ist eigentlich eine Frau, fragen sich die „echten Feminist*innen“. Ihre Antwort scheinen sie bei Marx zu finden, der schrieb, dass das Sein das Bewusstsein bestimme. Daran ist nichts anzuzweifeln. Allerdings verwenden sie diese Aussage formalistisch auf die Geschlechterfrage, wonach das Sein als biologischer Essentialismus verstanden wird und Gender reiner Idealismus sei. Die Frage des Geschlechts ist allerdings weitaus komplexer, als dass man es nur auf Chromosome reduzieren könnte. Ein materialistischer und sozialistischer Feminismus negiert nicht die Wirklichkeit der Komplexität der Geschlechter, das heißt auch nicht die Existenz von Gender, sondern kämpft gegen die bürgerliche Vereinnahmung durch akademische Theorien wie von Judith Butler. Die „echten Feminist*innen“ begehen den klassischen Fehler, einen Dualismus zu konstruieren, wonach man als Sozialist*in nicht anders könne, als die bürgerliche Vereinnahmung als gesetzt zu verstehen. Das ist weder materialistisch noch sozialistisch, sondern konservativistisch, da Werte verteidigt werden, die durch die bürgerliche Revolution erst zementiert wurden.

Ihr Herzstück ist daher ein elementarer Angriff auf trans und nicht-binäre Menschen. Die „geschlechtliche Selbstdefinition“ sei die „Zerstörung weiblicher Rechte“. Zur Argumentation der radikalen Rechten ist es da nicht mehr weit. Der biologische Essentialismus wird hiernach als „Wahrheit“ tituliert, obgleich die Wissenschaft schon Jahre die Annahme widerlegt hat, dass es nur zwei Geschlechter gäbe. Diese „Wahrheit“ wird schlicht ignoriert. Die „echten Feminist*innen“ betreiben also klassischen Eklektizismus und verfolgen einen Wahrheitsanspruch, der sich zu unrecht auf den Materialismus bezieht. Weiter: Jeder, der sich ableitend von den wissenschaftlichen Erkenntnissen dafür einsetzt, für die Rechte aller Menschen zu kämpfen, das heißt auch trans und nicht-binäre Menschen, wird als Teil einer nicht-linken „Männerrechtsbewegung“ gebrandmarkt. Hier kommt die trans Feindlichkeit zur Geltung, die die „echten Feminist*innen“ zurückweisen. Das klassische trans feindliche Argument, dass trans Frauen in sichere Sphären von Frauen eindringen würden, ist ein altbekanntes absurdes Argument, wie es unter anderem Joanne K. Rowling und Kathleen Stock vertreten. Sich dieser Argumentation als Linke zu bedienen, ist nicht nur ein Angriff auf Frauenrechte per se, sondern auch ein Werkzeug zur Spaltung der unterdrückten Klasse: nicht Sozialist*innen, die die materialistische Realität der Komplexität der Geschlechter anerkennen sind „Spalter*innen“ sondern jede, die die Geschlechterfrage biologistisch beantworten und hiernach eine strikte Geschlechtertrennung befürworten.

Ihre Antwort auf den Vorwurf, sie seien trans Feind*innen, kontern sie damit, dass man sich heute jedem Geschlecht zugehörig fühlen könne und hiernach keine Unterscheidung mehr möglich sei. Das ist eine vollkommene Verzerrung der Realität, die sich der Frage rein idealistisch annähert. Sie verkennen den Unterschied in der Sprachphilosophie, wonach es einerseits eine Konstruktion von Realitäten geht, ausgehend von der Sprache; und andererseits die Sprache versucht, die Realität aufzugreifen und erkennbar zu machen. Der sozialistische sprachphilosophische Ansatz bezieht sich ganz klar auf Zweiteres, in dem die Sprache als Mittel verstanden wird, Wirklichkeiten abzubilden, ohne in ihre materialistischen Begebenheiten einzugreifen (was schlicht nicht möglich ist). Das heißt: Es gibt nicht trans Menschen, weil die Definition „trans“ erfunden wurde, sondern es gab trans Menschen schon immer in der Menschheitsgeschichte. Das Wort „trans“ ist nur der Ansatz, diese Menschen sprachlich einzuordnen. Dieser Umstand ist für die „echten Feminist*innen“ nicht greifbar, die die „Selbstdefinition“ als Verzerrung der Wirklichkeit verstehen. Dabei sind es gerade sie, die die Wirklichkeit nicht greifen können, da ihr Denken einer Ideologie anheimgefallen ist, die die formalistische Trennung der Geschlechter untermauert und die Wirklichkeit der Komplexität der Geschlechter unsichtbar macht.

Was bleibt. Der von den „echten Feminist*innen“ propagierte Anspruch, materialistisch und sozialistisch zu ein, entpuppt sich als Mittel, ihre konservativistische und idealistische Ideologie zu verschleiern. Die Befreiung der Frau wird durch Angriffe auf die Genderrealität und nicht-cis Frauen sowie nicht-binären Menschen nur erschwert. Die herrschende Klasse sowie die Rechtsradikalen können nur dankbar für diese Initiative sein. Die AfD, Teile der CDU und der Flügel um Sahra Wagenknecht sind die geistigen Urheber dieser „echten Feminist*innen“, die sich nicht nur tradierter trans Feindlichkeit bedienen, sondern auch in die heutige Zeit einbetten, in der es reiner „Lifestyle“ sein, wenn trans und nicht-binäre Menschen erklären, trans und nicht-binär zu sein. Diese Menschen gab es schon immer. Es war gerade die sozialistische Bewegung, die für die Rechte dieser Menschen eintrat. Im jungen Sowjetstaat war man Vorreiter in der Anerkennung der Rechte von trans Menschen, die nicht nur ihr Geschlecht administrativ ändern, sondern sich auch geschlechtsangleichenden Operationen unterziehen konnten. Freilich waren die Möglichkeiten damals noch beschränkt, es zeigt aber deutlich, dass der sozialistische Feminismus die Einheit der Arbeiter*innenklasse aller Gechlechter verteidigt und nicht, wie die „echten Feminist*innen”, darüber entscheiden wollen, wer eine Frau sei und wer nicht. Daher gilt es klar und deutlich zu sagen: der Zusammenschluss im Umfeld der Linkspartei ist ein Sammelbecken von TERFs.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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