Im Osten nichts Neues

Neofaschismus Mit der „Neue Stärke Partei“ betritt seit diesem Monat eine neue rechtsradikale Partei das politische Spielfeld. Als Abspaltung vom „III. Weg“ verfolgt sie ein nationalrevolutionäres und faschistisches Programm.

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Das rechtsradikale und faschistische Spektrum ist um eine Partei reicher geworden. Bereits im vergangenen Jahr gründete sich die „Neue Stärke Erfurt“ (NSE), die sich in diesem Monat in „Neue Stärke Partei“ (NSP) umbenannte. Wie es der Gründungsname verrät, hat sie ihren Schwerpunkt im Freistaat Thüringen, der zusammen mit Sachsen eine Hochburg rechtsradikaler Parteien ist - besonders durch die Alternative für Deutschland (AfD). Hinter der NSP versteckt sich jedoch keine zweite AfD, sondern gemäß ihrem Gründungsprogramm und politischer Eckpunkte eine faschistische Organisation, die aus ihrer Tradition kein Geheimnis macht. Nicht nur das NS im Parteinamen lässt eine geistige Verbundenheit zum Nationalsozialismus (NS) erkennen, auch in ihrem Selbstverständnis bezeichnen sich die Mitglieder der Organisation als „nationalistisch-völkisch-sozialistische Aktivist*innen“ (bei ihnen freilich ohne das Gendersternchen). Im Gründungsprogramm der NSE wurden zusätzlich sportliche, aktivistische und gemeinschaftliche Attribute benutzt. Überhaupt wird der Sport in Anlehnung an maskulinistisch-autoritäre Interpretationen der Leibesertüchtigung semibiologistisch mit einer völkischen Gesundheit parallelisiert. Ähnlich wie andere Faschist*innen postulieren sie unter der gemeinschaftlichen Komponente einen Kampf gegen das „antideutsche Gutmenschentum“, derweil die Gemeinschaft als völkisch-antikapitalistisches Korrektiv verstanden wird.

Die NSP entstand dabei nicht im luftleeren Raum. Nicht nur ihr Parteilogo erinnert stark an die faschistische Kaderpartei „III. Weg“; der Vorsitzende Michel Fischer und Stellvertreter Enrico Biczysko sind tief in der faschistischen Szene verankert und waren in fast allen rechtsradikalen Organisationen - der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), der Partei Die Rechte - sowie eben dem „III. Weg“ Mitglied. Die NSP versteht sich dabei als Abspaltung des „III. Weg“, wobei eine inhaltliche Distanz kaum wahrzunehmen ist. Das wird besonders in ihrem 15-Punkte-Programm deutlich, in dem sehr grobkörnig dargelegt wird, wohin die Reise mit der NSP zu gehen hat. Wert gelegt wird besonders viel auf die Betonung des völkischen Charakters, der sich einerseits in der über mehrere Punkte hinausgehenden Definition des (homogenen) Nationalstaates wiederfindet, andererseits in der Bewahrung von (preußischen) Traditionen und Verpflichtungen, die sich unter anderem in der Verteidigung eines erzreaktionären Familienbildes bemerkbar macht. Im Unterschied zum „III. Weg“ wird die NSP jedoch nicht deutlich, wie sich der preußisch-deutsche Nationalstaat nach ihrem Gutdünken erstreckt: Eine elementare Festlegung von Grenzrevisionen wird vermieden. Auch wird, anders als in anderen straff-faschistischen Organisationen, eine Parteimitgliedschaft nicht zwingend erwartet: von einer Kaderpartei ist also (noch) nicht zu sprechen.

Bis auf diese Kleinigkeiten und betont zurückhaltender Forderungen verbirgt sich hinter der Partei und ihrer Ausrichtung jedoch eine gefährliche Ideologie. Mit ihrem Bekenntnis zur „revolutionären“ Erhebung gegen die von ihnen als „antideutsch“ bezeichnete herrschende Klasse verfolgt sie ein nationalistisches und chauvinistisches Programm, welches sich nur vordergründig gegen den Kapitalismus stellt. Das wird in der permanenten Betonung der Wichtigkeit des Sports deutlich, der nach der NSP der „Ellenbogengesellschaft“ ein Korrektiv entgegenstellen soll; in diesem sportlichen Rahmen wird von den Faschist*innen jedoch gerade jene Leistung pervertiert, die sie scheinbar verachten. Die „Deutschen“ könnten bei ihren sportlichen Aktivitäten an sich arbeiten und „alles geben“. Der Sport bleibt bei Faschist*innen dialektischerweise die positive Versinnbildlichung (und hiernach scheinbar paradoxe Adaption) eben jenem Leistungskampf, den sie im Kapitalismus bekämpfen. Davon unabhängig wird der Sport freilich auch als Rekrutierungs- und Ausbildungspotential benutzt, der sich in der Gewaltaffinität widerspiegelt, die auch in der NSP vermutet werden darf.

Obgleich sich die NSP bereit erklärt, mit anderen faschistischen Kräften zusammenzuarbeiten, ist die rechtsradikale Szene durch diese Abspaltung weiter zersplittert. Ihr Hauptaugenmerk wird in Thüringen bleiben, bei der sie betonen, als „nationale Opposition“ Erfolg verbuchen zu können: „nationalistisch-völkisch-sozialistische Aktivist*innen“ hätten Erfurt zurückerobert. Inwieweit der vermeintliche Erfolg weitergetragen wird, wird sich zeigen. Auf parlamentarischer Ebene werden sie bei einer sehr starken AfD wohl kein Einfluss haben, doch das scheint auch nicht ihr primäres Ziel zu sein. In ihrem 15-Punkte-Programm verkünden sie, ein „revolutionäres Manifest“ verfassen zu wollen, welches Faschist*innen und Nationalist*innen über die Grenzen hinweg vereinen soll, um für ein Gesellschaftssystem zu kämpfen, das die schwärzeste Barbarei ist. Ob sich Faschist*innen aus anderen europäischen Staaten dadurch besser vernetzen werden, wird sich ebenso zeigen wie die permanent paradoxe Angelegenheit aller faschistischer Kräfte aller Nationen, wenn es um die Definition des eigenen Nationalstaats geht (so überschneiden sich beispielsweise geografisch chauvinistische Fantasien von polnischen und deutschen Faschist*innen). Flankiert von ihrem aggressiv antikommunistischen Charakter und des vulgaristisch verstandenen Antikapitalismus wird jedenfalls bereits auf den Ersten Mai 2022 in Erfurt mobilisiert: für sie ist Thüringen ohnehin fest in kommunistischer Hand.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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