Westliche Symbolpolitik

Propaganda Der Buchstabe „Z“ soll unter Strafe gestellt werden, wenn er dazu dient, sich auf die Seite Russlands zu stellen. Symbole sind jedoch austauschbar, verboten wird etwas anderes: die Positionierung in einem internationalen Konflikt.

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Nach dem Angriff auf die Ukraine durch die Russische Föderation wurde der Buchstabe „Z“ immer zentraler in der Berichterstattung thematisiert. Doch was hat es damit auf sich? Primär war er zu finden auf russischen Panzern, um sie von ukrainischen zu unterscheiden. Mittlerweile hat er eine propagandistische Wirkung entfaltet, der unter Umständen als Billigung des russischen Angriffskriegs verstanden werden kann. Soll bedeuten: Wer den Buchstaben öffentlich zur Schau stellt, stelle sich wohl auf die Seite Russlands. Dass der Buchstabe an sich wenig dafür kann, dafür instrumentalisiert zu werden, hindert den deutschen Gesetzgeber nicht daran, nun ein Verbot zu diskutieren und zu verabschieden. In einigen Bundesländern steht es mittlerweile unter Strafe, sich des Buchstaben zu bedienen, wenn damit der russische Angriffskrieg gebilligt wird. Die westliche Propagandamaschine geht dabei so weit, die gänzliche Politik Wladimir Putins und seiner Regierung des Faschismus zu bezichtigen - so sprach jedenfalls der Flüchtlingsminister aus Nordrhein-Westfalen Joachim Stamp von den Freidemokrat*innen (FDP). Ungeachtet jeglicher fehlender Analyse, was Faschismus eigentlich bedeutet, geht es hier nicht um eine politische Auseinandersetzung im tieferen Sinne, sondern der radikalen Dämonisierung eines Feindes, der schlechterdings nur mit dem Faschismus assoziiert werden kann - denn was ist schlimmer, als Faschist*in zu sein? Jedenfalls läuft die Debatte darauf hinaus, den Buchstaben „Z“ mit einem wie auch immer definierten „putinschen Faschismus“ zu assoziieren.

Dass diese Symbolpolitik extrem selektiv ist und den eigenen Interessen der herrschenden Klasse der BRD untergeordnet ist, ist wenig verwunderlich. Sie reiht sich in das Narrativ der Regierung ein, Russland völlig zu „zerstören“, womit man nicht anders kann, als Verbote und Strafen zu verhängen. Man muss wahrlich kein Freund Putins sein, um zu erkennen, dass sich hier etwas entwickelt, wie es schon immer war, nämlich die Instandsetzung und Verteidigung der eigenen Ideologie, die sich immer daran richtet, wer Freund*in und Feind*in ist. Die Symbolpolitik orientiert sich an sogenannten westlichen Werten, die sich hinter dem Euphemismus einer „freiheitlichen Demokratie“ verschanzen, welche in sich geschlossen jedoch selbst stark selektiv sind; Freiheit mutet hier dialektisch an, das heißt, die Freiheit der herrschenden Klasse ist die Unfreiheit der Unterdrückten. Das Verbot des Buchstaben „Z“ wird zur Folge haben, eine Auslegung zu interpretieren, ab wann es als Verteidigung der Politik Putins zu verstehen ist und wann nicht. Dass die bundesdeutschen Behörden sich damit äußerst schwertut, zeigt ihr Vorgehen mit kurdischen Symbolen, die selbst jene illegalisiert, welche eigentlich nicht verboten sind. Die Symbolpolitik verkommt zu einem Instrument der Verteidigung ureigenster Interessen und Bestrebungen.

Denn ginge es tatsächlich um die Verteidigung „freiheitlicher Werte“, würde der Verbotskatalog nicht bei Russland haltmachen, sondern engste Verbündete der BRD mit einschließen, darunter die Türkei, Saudi-Arabien und auch Israel. Schließlich sind es türkische Bomben, die Kurd*innen vernichten; der saudi-arabische Militarismus, der für eine Verelendung im Jemen sorgt; und israelische Panzer und Drohnen, die in Palästina für Verwüstung sorgen. Doch freilich ist das für die BRD kein Indiz, den Zeigefinger zu heben, sondern den Geldbeutel zu öffnen, denn die herrschende Klasse verdient reichlich daran. Unter diesen Prämissen sind die Phrasen der Verteidigung im Namen des Verbots eines Buchstabens trivial und schnell zu widerlegen. Eine monokausale Erklärung hilft hier nicht weiter, doch sobald man sich auch nur anmaßt, die Entwicklungen materialistisch zu untersuchen und zu ergründen, wird man mit einem dichotomen Politikverständnis konfrontiert, das sich jeglicher ernsthafter Auseinandersetzung verweigert. Russland ist böse, war es schon immer, und nun hat man endlich die Chance, es radikal durchzuziehen.

Die Frage, die sich nun auftut, ist: wie weit geht das Verbot, sich mit dem Krieg und Konflikt auseinanderzusetzen? Denn diese Entwicklung eröffnet einen Weg, der einen massiven Angriff auf die Meinungsfreiheit darstellen kann. Ist die Kritik an der NATO und dem Militarismus des Westens nun eine Verteidigung der Politik Putins, wenngleich man beides scharf kritisiert? Das Jahr 2022 markiert einen Wendepunkt, der sich auch in der Herangehensweise vieler liberaler und bürgerliche, gar (vermeintlich) linker Akteur*innen darstellt: Es geht nur noch gegen Russland, jedes Mittel scheint recht, und man wird darauf ausgelegt, sich in den Dienst der herrschenden Klasse zu stellen. Der Buchstabe „Z“ ist so austauschbar wie jedes andere Symbol, doch verboten wird etwas anderes: die politische Positionierung in einem internationalen Konflikt, mit unterschiedlichen Ideologien und Interessen. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die Kritik im Inneren als Billigung eines feindlichen Interessens ausgelegt wird, und der Verfolgung alle Türen geöffnet wird. Das eindrucksvollste Beispiel ist der Umgang mit Kurd*innen und Kurdistan. Die bürgerliche Demokratie erlebt gerade eine radikale Zäsur, die sich selbst auffrisst und dem Autoritarismus sowie einem vereinfachtem dichotomen Weltbild den Weg freiräumt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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