Radikalisiert euch!

#FridaysForFuture Der Forderungskatalog der FFF bleibt oberflächlich und bietet keine langfristige Lösungen. Es ist höchste Zeit, dass sie für die Überwindung des Kapitalismus eintreten.

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Am gestrigen Freitag gingen bundesweit erneut in etwa 90 Städten Schüler*innen und Student*innen der „Fridays For Future“-Bewegung auf die Straßen. Ebenso wurde vor drei Tagen ein Forderungskatalog veröffentlicht, der das Anliegen, die Ziele und Wünsche proklamiert. In vielen Städten wie beispielsweise in Konstanz wurde dazu aufgerufen, den „Klimanotstand“ zu erklären, um die Dringlichkeit eines Wandels zu unterstreichen. Die Politik und ihre Parteien sind schon längst an dem Punkt angelangt, die Bewegung mehr und mehr ernst zu nehmen, so versuchten sowohl die Linkspartei als auch die Union zu intervenieren, um langfristigen Einfluss auf die Entwicklung zu bekommen. Der Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union (CDU) in Thüringen, Mike Möhring, hatte jüngst die Junge Union (JU) dazu aufgerufen, in einen konstruktiven Dialog mit der Bewegung zu gehen, ohne einen inhaltlichen Widerspruch zu erkennen. Schlechterdings wird gerade der vermeintlich heterogene Charakter von „Fridays For Future“, die sich dezidiert als Schüler*innen-Bewegung begreift, einen wichtigen Kristallisationspunkt darstellen. Der Klimawandel als singuläres Phänomen kann gar nicht alleine behandelt werden, ohne all die aufbauenden Wechselbeziehungen nicht zu ignorieren. Daher sollte die Bewegung bereits heute den Kompass so justieren, der die Klassenfrage, und hiernach grundsätzliche Gesellschaftsfrage, stellt.

Der Forderungskatalog ist relativ oberflächlich und offen gelassen, womit er viel Interpretationsspielraum zulässt, in seiner Funktion jedoch eingeschränkt wirkt. Es wird sich folgerichtig auf das Pariser Abkommen von 2015 bezogen, was dazu auffordert, die globale Erwärmung nicht über 1,5 Grad werden zu lassen. Anders als die BRD 2038 möchten sie bereits 2030 aus der dreckigen Kohleenergie aussteigen, sowie bereits 2035 eine 100%ige Energiegewinnung aus Erneuerbaren erreicht wissen. Sie selbst schreiben davon, dass ihre Ziele „ambitioniert“ klingen, bleiben in ihrer Wirkmächtigkeit jedoch im Sinne der herrschenden Klasse. Denn obgleich die geforderte Steuerabgabe auf Treibhausemissionen von etwa 180 Euro pro Tonne ins Ziel genommen wird, pochen sie darauf, sie „sozial verträglich“ zu gestalten. Wie das genau vonstattengehen soll, bleibt der Katalog allerdings schuldig. Zwar wird erwähnt, „Menschen mit geringem Einkommen“ nicht zu belastend, dennoch wird gerade in dieser Frage die dezentrale Ausgangslage mehr als deutlich. Wie soll eine sozial-ökologische Wende ermöglicht werden, wenn die anfälligen Kosten - wohlgemerkt auch diese der Logik der Kapitalakkumulation unterliegen - in Anbetracht des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systems alles andere als „sozialverträglich“ verteilt werden? Die größten Verursacher*innen der anstehenden Klimakatastrophe sind die Großkapitalist*innen der Ölindustrie, die maßgeblich auch für dadurch verursachte Kriege und Völkermorde verantwortlich ist.

Die Betonung der dialektischen Verzahnung zwischen Klimawandel und Kapitalismus finden in den Streiks in geringen Mengen Anklang und Gehör, bleiben jedoch in der Aufarbeitung an der Oberfläche haften. In Hamburg hat sich zwar eine kleine antikapitalistische Strömung in der Klimabewegung entwickeln können, doch sie bleiben eine Minderheit, dabei pocht gerade auch Greta Thunberg, faktische Gründerin der Bewegung, auf den Systemwandel. Das System selbst ist Hauptverursacherin der Klimakatastrophe, was im inhärenten Charakter zu finden ist. Es ist daher gar nicht in der Lage, eine Lösung zu finden, die nicht über wirtschafts- und gesellschaftsliberale Ambitionen hinausgeht. Wenn „Fridays For Future“ tatsächlich die Klimakatastrophe abwenden möchte - und es gibt keinen Zweifel, der das in Frage stellt - kommt sie mittelfristig nicht um die grundsätzliche Frage, wie Gesellschaft und Wirtschaft miteinander harmonieren müssen, um den Planeten letztlich für den Menschen zu retten. Die Betonung des wissenschaftlichen Aspekts ist ein großer Trumpf der Bewegung, denn er konterkariert die ideologischen Andeutungen, wobei nicht ignoriert werden darf, dass auch das usurpiert werden kann. „Grundlegende Veränderungen“ und „demokratischer Prozess“ werden im Katalog erwähnt, doch es bleiben nichtssagende Phrasen, wenn nicht eruiert wird, wie der Prozess sich gestaltet und woran Veränderungen sich zu messen haben.

Sie sind wie jede andere gesellschaftliche Bewegung auch - Katalysatorin eines konsensuellen Prozesses. Ob und wie lange sich die Bewegung halten kann, liegt alleine an ihr, in welche politische Richtung sie sich entwickeln wird. Bleibt sie kleinbürgerliche Kritik am eigenen, individuellen und hiernach auch gesellschaftlichen Leben, oder greift sie tief ins Geschehen ein? Es wäre zu begrüßen, wenn linke Kritik nicht von vorneherein abgelehnt wird, wie das beispielsweise in der Hauptstadt der Fall gewesen war. Es wird immer gesagt, Mensch und Umwelt bilden eine Einheit, folgerichtig muss dann auch die Losung werden, die essenziellen Fragen nicht getrennt zu behandeln. Wer das Klima retten möchte, muss der herrschenden Klasse das Ruder aus den Händen reißen, fest verzahnt ist hiermit auch die Frage der Enteignung. Es wird immer ein dialektisches Wechselspiel bleiben, denn eines ist gewiss: die Möglichkeit, vollends auf erneuerbare Energien umzuschwenken, ist mühelos gegeben. Der Streitpunkt ist der ewig währende der Grundstruktur des Kapitalismus: wessen Profit leidet darunter? „Fridays For Future“ hat das ungemeine Potenzial und den notwendigen Druck, eine wirkliche Veränderung zu fordern, eine lebensnotwendige Umwälzung zu forcieren. Wahr ist allerdings auch, dass bei einer unvermeidbaren Radikalisierung die Selbstreflexion und -kritik nicht fehlen darf. Es ist die Zukunft der heutigen Jugend, die auf dem Spiel steht. Der Klimawandel ist lediglich die Konsequenz eines Wirtschaftssystems, das einzig darauf aus ist, Kapital um jeden Preis zu akkumulieren. Es wird höchste Zeit, den Forderungskatalog dadurch zu ergänzen, dass nur eine Überwindung des Kapitalismus das Klima retten kann.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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